Martin "The One" Frost: Die Geschichte des WallStreet Market

Der ehemalige Betreiber eines der größten Darknet-Marketplaces der Welt erzählt von seinem Aufstieg und Fall in der Fraud-Szene.

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(Bild: https://martin-frost.de/)

Lesezeit: 31 Min.
Inhaltsverzeichnis

Martin „The One“ Frost gründete gemeinsam mit zwei Mittätern 2016 die Darknet-Plattform „WallStreet Market“, die bis zur weltweiten Nummer zwei aller Darknet-Märkte aufstieg. Über einen Zeitraum von vier Jahren waren dort fast ausschließlich illegale Produkte zu finden: von Schadsoftware über gefälschte Ausweise, PayPal- und Kreditkarten-Daten bis hin zu Drogen.

2019 wurden er und seine Komplizen verhaftet, wurden angeklagt, 2020 vor Gericht und im Juli 2021 vom Landgericht Frankfurt für bandenmäßigen Drogenhandel und Untreue verurteilt. Frost und seine Mittäter haben beim Bundesgerichtshof einen Revisionsantrag gestellt und warten derzeit auf die Entscheidung. In seiner Biografie „Out oft the Dark“ gibt Frost tiefe Einblicke in die Welt des Darknets. Ich habe für „Bits & Böses – Den Tech Crime Podcast von heise online“ mit ihm über seinen Aufstieg und Fall in der Fraud-Szene gesprochen.

Kannst du dich an deinen ersten Rechner erinnern, was für ein Modell das war und wie alt du warst also den bekommen hast?

Ich glaube, mein allererster Rechner, das war ein Rechner von meinem Vater. Er hat damals einen neuen gekauft und vorher haben wir quasi immer bei ihm so ein bisschen geguckt. Ich weiß noch, er hat damals Wing Commander oder sowas gespielt. Auf jeden Fall haben wir irgendwann diesen Rechner bekommen und das war noch so ein Pentium 1 oder Pentium 2 Prozessor. 200 Megahertz hatte der, das war mein erster Rechner tatsächlich. Und da hat man dann quasi immer wieder aufgerüstet, wenn Papa mal irgendwie ein Arbeitsspeicher upgegradet hat, dann haben wir da was bekommen, also ich und mein Zwillingsbruder hatten den zusammen.

Und wie kommt man von „Wir haben Wing Commander gespielt“ zu „Ich bin jetzt in der Fraud-Szene aktiv“? Filesharing, das war ja wie so ein Volkssport unter Jugendlichen um die Jahrtausendwende. Das hat fast jeder mit mehr oder weniger großem Schuldbewusstsein gemacht. Aber ich kenne sonst niemanden, der danach im Darknet einen Marktplatz betrieben hat.

Es ist tatsächlich so, dass es bei mir erschreckend einfach ging, so jetzt im Nachhinein. Ich hab angefangen in die Grauzonen-Bereiche zu stoßen eben mit diesem Filesharing Boom. Damals war das ja wirklich gang und gebe auf dem Pausenhof: LimeWire peer-to-peer, jeder hat sich CDs gebrannt und alles runtergeladen. Und auch das war so ein Thema – ich war schon immer sehr internetaffin – das mich sehr interessiert hat. Also habe ich da online auch geguckt, was geht da so und bin dann damals auf Gully gestoßen. Das war ja damals so die Anlaufstelle, wenn es um Filesharing ging. Und auch Gulli war ja dann schon zumindest in Teilbereichen eine Grauzone will ich mal sagen. Und da habe ich sehr lange mitgelesen fand es alles sehr interessant, wie das alles funktioniert und so weiter. Und über Gully hatte ich dann zum erstmal Kontakt mit einer anderen Szene. Auf Gulli hat man gesprochen über eine Fraud-Szene, Crimenetwork, solche Geschichten. Damals war es noch andere Sachen, nicht Crimenetwork sondern Hackbase zum Beispiel.

Und da bin ich immer mal wieder drüber geflogen, habe das gesehen und irgendwann habe ich gesagt: Das will ich mir auch angucken. Also bin ich mit 14/15 schon in dieser Fraud-Szene unterwegs gewesen. Allerdings in diesen jungen Jahren nur als Leser. Weil natürlich zu dieser Zeit mich das fasziniert aber gleichzeitig auch erschreckt hat irgendwie. Und man hat natürlich eine Hemmschwelle. Ich hab also ganz viel gelesen, ich habe mir Tutorials reingezogen und es gab auf jedem Fraud-Board – gibt es heute noch – eine Tutorial-Section. Es gibt auch kostenlose, welche die was kosten. Ich habe mir natürlich die kostenlosen angeguckt und hab mir da wirklich jedes Tutorial komplett reingezogen. Das war so eine Mischung aus Begeisterung und Unglauben, wie einfach – gerade zu der Zeit – teilweise Cyberkriminelle Geld machen, wie einfach sich teilweise auch Großunternehmen austricksen lassen, mit Phishing das erste Mal in Verbindung gekommen, dann liest man über Kreditkartenbetrug, da liest man über ELV Betrug. Das war damals so ein Riesending, also viele Shops haben sich quasi carden lassen über ganz normale Lastschrift Datensätze von fremden Menschen. Da haben die Leute dann bestellt. Und das war so mein Weg in die Szene. Über die Jahre ist es natürlich so, dass die Hemmschwelle sinkt. Man liest erstmal, dann schreibt man mit ein paar Usern, dann lernt man viele kennen, man tauscht sich aus, man schreibt selber die ersten Skripte, bietet vielleicht auch Services an. Viele bieten in der Szene GFX-Services an, Programmier-Services, Phishing Mails erstellen und so weiter. Bei mir war das dann so, dass ich in dieser Szene später auch meine späteren Mittäter kennengelernt habe.

Und 2015 haben wir uns dann entschlossen einen Darknet Marktplatz zu machen und bis zu diesem Zeitpunkt war eigentlich gar nicht so Darknet das Main-Thema, sondern diese große deutsche Fraud-Szene. Alle reden immer über das Darknet. Ich glaub viel gefährlicher und viel besorgniserregender sollte die deutsche Fraud-Szene sein. Die im internationalen Vergleich übrigens extrem stark ist und im Clearnet erreichbar war. Damals rein Clearnet, jetzt haben die auch alle Darknet-Domains. Auf jeden Fall, über diese Szene habe ich meine Mittäter kennengelernt. Man kommuniziert dann über Jabber. Man kennt natürlich nur seine Nicknames, das sind ungeschriebene Gesetze in der Szene. Wie gesagt, ich hab am Anfang gelesen, bin dann aktiver geworden, immer mal wieder auch Pausen dann gehabt. 2015 war es dann aber soweit, dass ich mich entschieden hab mit meinem Mittätern: wir machen einen Darknet Marktplatz. Und da war die Hemmschwelle auch ganz weit unten. Und zu diesem Zeitpunkt, habe ich mich auch nicht als Kriminellen gesehen. Ich glaube meine Mittäter auch nicht.

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