Martin "The One" Frost: Die Geschichte des WallStreet Market

Seite 3: Darknet-Täter vor Gericht

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Wusstet Ihr zumindest, dass ihr alle drei in Deutschland sitzt? Bei einer so internationalen Szene ist das ja keine Selbstverständlichkeit.

Dass wir alle drei in Deutschland sitzen, wussten wir nicht. Wir wussten, wir sind deutschsprachig, klar. Alle haben perfekt geschrieben, das musste irgendwie die DACH-Region sein. Es ist tatsächlich nicht sehr ungewöhnlich, dass solche Marktplätze von Deutschen betrieben werden und die auch ziemlich nah beieinandersitzen– Hansa Market war ja auch so ein Beispiel. Und das ist deswegen gar nicht so ungewöhnlich, weil, das hatte ich vorhin schon angeschnitten, die deutsche Szene wirklich extrem groß ist im internationalen Vergleich. Da sind auch wirklich nicht viele internationale User unterwegs. Es gibt auch natürlich internationale Fraud-Boards, da ist es aber schon so, dass da dann eher die englischsprachigen unterwegs sind, Großbritannien, USA.

Und eine Szene, die noch sehr stark ist, ist so Russland, russisch-sprachige Länder. Aber da gibt's tatsächlich wenige Überschneidungen innerhalb dieser Szene. Deswegen ist das gar nicht so ungewöhnlich. Natürlich gibt es aber auch Marktplätze, die international operieren. Aber auch das schützt nicht vor dem Zugriff der Behörden. Das haben wir jetzt bei Dark Market gesehen. Das waren Australier, ein Ehepaar, die wurden in Deutschland verhaftet. Da hat das BKA mit ermittelt. Und das haben wir auch gesehen bei Hydra Market und das war ja ein Marktplatz, der für eine russischsprachige Zielgruppe gedacht war. Und auch da hat man die Täter nicht gefasst, aber man hat die Server sicherstellen können und auch ziemlich große Bitcoin-Beträge.

Haben du und deine Mittäter denn jetzt noch Kontakt zueinander? Hält diese Quasi-Freundschaft?

Zum aktuellen Zeitpunkt tatsächlich nicht. Wir dürften wieder Kontakt haben. Es war aber nach der Verhaftung so, und auch nachdem wir alle aus der Untersuchungshaft entlassen wurden, dass es da Auflagen gab. Und eine Auflage war natürlich, dass wir nicht miteinander kommunizieren. Das ist ja ganz klar. Es gibt dann während der Verhandlung auch mal so ein bisschen Zeit, da hat man Mittagspause, man isst was, man redet miteinander. Aber dass wir im regen Austausch sind, das ist nicht so. Weil natürlich auch jetzt jeder sein Päckchen zu tragen hat. Ich glaub, da ist auch jeder ein bisschen mit sich selbst beschäftigt, weil es so kommen wird, dass wir alle noch in Haft gehen müssen.

Du wurdest vom Landgericht Frankfurt zu sieben Jahren und neun Monaten Haft wegen bandenmäßigen Drogenhandels und Untreue verurteilt, Deine Mittäter haben etwas weniger bekommen. Aber ihr selbst habt nie mit Drogen gehandelt, richtig?

Genau, nicht im klassischen Sinne. Das war eine meiner Rechtfertigungen, die ich damals gebracht hab. Ich hab gesagt: Ich bin doch nur eBay, ich habe doch damit nichts zu tun. Natürlich eine krass billige Ausrede und wenn man das umdreht, kann man natürlich einem Marktplatz-Betreiber, wie ich das war und meine Mittäter, vorwerfen: Ok, du musst dir nicht mal die Hände schmutzig machen, um mit Drogen Geld zu verdienen. Weil, das ist ja schlussendlich das, was wir gemacht haben. Technisch gesehen vergleiche ich das gerne mit Ebay. Wir waren Ebay und es konnten sich Verkäufer und Käufer anmelden und die Trades, also der eigentliche Handel, ist dann zwischen Verkäufer und Käufer durchgeführt worden.

Das hat da stattgefunden auf unserer Plattform. Und wir waren quasi die Mittelsmänner, die die Treuhandfunktion, den PayPal-Käuferschutz wenn man so möchte, erledigt haben. Das heißt, hat ein Käufer etwas gekauft ist das Geld nicht direkt an den Verkäufer gegangen, sondern erstmal zu uns auf unsere Bitcoin Wallet. Und der Verkäufer hat verschickt. Wenn der Käufer dann den Button drückt und sagt, es ist angekommen, dann wird das Geld freigegeben und dem Verkäufer geschickt, minus einer Provision, die dann an uns geht. Und das war schlussendlich das Geschäftsmodell vom WallStreet Market. Und das ist auch bis heute das Geschäftsmodell eines jeden Darknet Marktplatzes. So verdienen Darknet Marktplätze Geld.

Haben andere dann euer Erfolgsmodell kopiert?

Ja, es ist schon so, dass auch die Szene gerade jetzt, auch nach uns natürlich im Wandel ist, weil die Szene gerade im Bereich Darknet auch sieht, die Behörden geben jetzt aber Gas. Die Kadenz, mit der gebustet wurde, ist hoch: 2017 AphaBay, Hansa Market wurde hochgenommen, wir wurden hochgenommen, Cyberbunker wurde hochgenommen, danach Dark Market, Hydra Market. Und die Szene, das muss ich schon sagen, hat Angst. Und dann werden natürlich solche Sachen gemacht, dass man Kill Switches einbaut, dass man sagt: "Ok wir setzen auf private Coins wie Monero zum Beispiel."

Also heute finden sich im Darknet auch viele Marktplätze, die only Monero sind, weil die sagen: "Das können die Strafverfolgungsbehörden nicht tracen. Wir setzen auf Private Coins." AlphaBay ist wieder am Netz. Einer der Ex-Admins damals, der wurde nicht erwischt, auch da wird mit Monero bezahlt und auch da gibt es einen sogenannten AlphaGuard – so wird das beworben, sehr Mainstream eigentlich, das könnte man auch von Großunternehmen erwarten –, dass selbst wenn die Server offline gestellt werden, die User an ihr Guthaben kommen. Also da werden Sicherheitsmechanismen eingebaut und da wird natürlich auch versucht, aus Zugriffen von den Behörden zu lernen, und entsprechend auch technische Konsequenzen zu ziehen.

Warum ist die Fraud-Szene deiner Ansicht nach in Deutschland so stark? Welche Voraussetzungen haben wir hier, dass sich gerade in Deutschland so eine starke Szene entwickeln konnte?

Ich glaube, das liegt zum einen auch an der Politik oder daran, dass man lange dieses Thema „Cybercrime“ ein bisschen verschlafen hat und nicht ernst genommen hat, sondern sich auf die klassische Kriminalität bezogen hat. Und das ist ja wie mit einem Schimmelpilz: wenn Du den nicht behandelst und irgendwie mit Mitteln was machst, breitet sich das aus. Und die Szene hatte schon eine lange Zeit die Chance, sich relativ unbehelligt ausbreiten zu können. Das hat damals alles im Clearnet angefangen. Ich glaube, das ist mit ein Grund, warum in Deutschland die Szene so groß geworden ist. Weil es früher einfach erschreckend einfach war: es gab keine Anti-Fraud-Systeme, es wurde kaum ermittelt, den Beamten hat das Know-how gefehlt und ich glaube das ist schon mit ein Grund, warum sich das hier so entwickeln konnte. Man muss aber auch sagen, dass da jetzt ordentlich nachgeholt wird, und dass die da auch Ermittlungserfolge erzielen. Und man muss auch zur Verteidigung sagen, dass das in anderen Ländern nicht viel besser gelaufen ist. Auch in Russland, auch in den USA, da wurde der Szene die Chance gegeben und dieses Problem wurde nicht erkannt. Jetzt ist es aber so, dass natürlich auch diese klassische Kriminalität wechselt, in anonyme Online-Räume, Telegram, EncroChat und auch in das Darknet.

Und das ist, meiner Meinung nach, jetzt erkannt worden und da wird auch versucht, aufzustocken und auch Beamte entsprechend zu schulen. Ein großes Thema ist natürlich auch, wenn man ins BKA guckt oder ins LKA in die Cybercrime-Abteilungen, dass es schwer ist, Spezialisten zu finden, weil die Behörden halt nicht so gut zahlen können wie die Wirtschaft. Das ist, glaube ich, ein Riesenproblem. Security-Spezialisten sind gefragt, das sind hochspezialisierte Menschen, die man aber nicht einfach irgendwie vom Baum pflücken kann. Und die werden auch gerade jetzt, wenn wir an das Thema Ransomware denken, in der freien Wirtschaft händeringend gesucht. Und die Menschen, die beim BKA arbeiten oder bei der Polizeibehörde im Bereich Cybercrime, das sind Menschen, die das nicht machen für das Geld, sondern weil sie überzeugt sind von ihrer Arbeit. Und da gibt es halt nicht so viele, weil oft dann natürlich das Geld verlockender ist in der freien Wirtschaft.