Missing Link: Alltag und Krisen - wie Corona das Internet immer noch verändert

Traffic-Daten zeigen, dass viele Internetdienste in Deutschland trotz Lockerungen immer noch die Folgen der Pandemie spüren – im Guten wie im Schlechten.

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Missing Link: Alltag und Krisen - wie Corona das Internet immer noch verändert

(Bild: lekkystockphoto / shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Simon Koenigsdorff
Inhaltsverzeichnis

Als im März viele Staaten das öffentliche Leben wegen der Corona-Pandemie stark einschränkten, wurden Onlinedienste wichtiger als je zuvor. Das Leben vieler Menschen, auch in Deutschland, veränderte sich radikal – und verlagerte sich in vielen Bereichen ins Internet: Videokonferenzen statt persönlicher Treffen, digitale statt analoger Unterhaltung, Online-Shopping statt Einkaufsbummel.

Die schlagartig ansteigende weltweite Internetnutzung machte bereits im März Schlagzeilen: Der Frankfurter Internetknoten DE-CIX meldete einen Weltrekord beim Datendurchsatz. Streamingdienste sahen sich dazu genötigt, die Bildqualität zu senken, um Bandbreite zu sparen. Auch erste Datenanalysen am Beginn des Lockdowns zeigten starke Veränderungen im digitalen Verhalten der Menschen, zum Beispiel einen vermehrten Zulauf auf Streamingplattformen und in sozialen Netzwerken.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Viele Menschen in Deutschland bewegen sich inzwischen in ihrem Alltag wieder fast wie vor der Pandemie. Doch die Nutzungsdaten verschiedener Webseiten und Onlinedienste zeigen, dass die Auswirkungen auch Ende Juli noch bei vielen Anbietern deutlich spürbar sind. Dafür hat heise online die wöchentlichen Seitenbesuche aus Deutschland auf verschiedenen großen Webseiten von Ende Januar bis Ende Juli ausgewertet. Als Grundlage dienen Daten der Analysefirma SimilarWeb, die mithilfe von Stichproben und internen Daten von Webseitenbetreibern Traffic-Hochrechnungen erstellt. Außerdem haben wir verschiedene öffentliche Quellen ausgewertet.

Den Anfang machen drei der größten Onlinedienste überhaupt: YouTube, Netflix und Facebook. Mit der ersten untersuchten Woche als Referenzpunkt zeigt der prozentuale Zeitverlauf, dass alle drei Seiten spätestens ab der Woche vom 15. März einen starken Zuwachs an Besuchen aus Deutschland verzeichnen konnten. Das war noch vor der Verkündung der strengsten Lockdown-Maßnahmen am 22. März. Facebook erreichte die meisten Besuche früher als YouTube und Netflix: Zuerst kam das Informationsbedürfnis, dann der Lockdown und damit der Wunsch nach Zerstreuung.

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Der Zeitverlauf zeigt dabei nur die wöchentlichen Besuche der klassischen Webseiten– Apps für Mobilgeräte oder Smart-TVs sind nicht abgedeckt. Doch auch die reinen Browser-Besuche zeichnen bereits ein klares Bild. Facebook verlor bis Juni seinen vorübergehenden Zuwachs von fast 25 Prozent wieder vollständig. Besuche auf YouTube und der Startseite von Netflix (auf der der Dienst abonniert werden kann) schwankten zwar von Woche zu Woche, können sich bisher jedoch klar über dem Vor-Corona-Niveau stabilisieren. Seit Juli sind in der Ferienzeit außerdem noch einmal häufiger Menschen auf die Seiten von YouTube und Netflix geströmt.

Auch Facebook scheint im Juli noch einmal an Besuchen zugelegt zu haben. Ein Blick in die Daten des Vorjahrs zeigt jedoch, dass das soziale Netzwerk Ende Juli trotzdem rund drei Prozent weniger Besuche aus Deutschland bekam als in derselben Kalenderwochen 2019. YouTube und Netflix hingegen übertreffen seit Beginn der Pandemie fast durchgehend ihre Vorjahreszahlen. Insgesamt geht die Nutzung von Facebook zum Beispiel unter deutschen Jugendlichen bereits seit Jahren zurück, weltweit sind die Nutzerzahlen des Netzwerks während Corona jedoch insgesamt gestiegen.

Nachdem physisches Shopping in Deutschland ab März wochenlang extrem eingeschränkt wurde, steht nun fest: Der Online-Versandhandel hat davon spätestens im zweiten Quartal 2020 massiv profitiert. Stark gewachsene Umsätze meldeten Ende Juli sowohl Amazon und eBay als auch Zalando. Dass die Onlinehändler seit dem Ausbruch des Coronavirus insgesamt deutlich mehr Geld verdienen, spiegelt sich aber nicht unbedingt in den deutschen Besuchszahlen ihrer Webseiten wider.

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Den unauffälligsten Verlauf der Seitenbesuche hat die deutsche Domain von Amazon – weder im Verhältnis zur Ausgangswoche noch im Vergleich mit dem Vorjahr ist hier ein eindeutiger Trend zu erkennen. Das liegt aber auch an unterschiedlichen Voraussetzungen: Die Basis in absoluten Seitenbesuchen war bei Amazon Anfang Februar mehr als doppelt so groß wie bei eBay und mehr als 18 Mal so groß wie bei Zalando. Schwankungen machen sich deshalb bei dem Internetriesen prozentual weniger bemerkbar, obwohl sie in absoluten Zahlen sogar teils größer ausfallen als bei der Konkurrenz.

Einen Rückgang der Besuche bekamen jedoch alle drei Plattformen zu Beginn der Pandemie in Deutschland Mitte März zu spüren. Am stärksten traf es dabei Zalando, deren wöchentliche Besuche im Vergleich zu Anfang Februar zeitweise um fast vierzig Prozent einbrachen. Das Unternehmen erklärte den Rückgang später damit, dass durch die generelle Verunsicherung am Beginn der Corona-Maßnahmen die Menschen deutlich weniger kauffreudig gewesen seien. Aber auch Lieferschwierigkeiten und Verzögerungen dürften so manche Käufer zunächst abgeschreckt haben.

Mit einigen Wochen Verzögerung schnellten dann bei eBay die wöchentlichen Seitenbesuche nach oben. Mitte April erreichte die Plattform ein Plus von rund 25 Prozent. Ein konkreter Grund lässt sich aus den Daten nicht ablesen. Möglicherweise wurde eBay dank vieler gebrauchter Artikel und Privatverkäufer besonders dann attraktiv, als anderswo Lieferungen länger dauerten oder Lagerbestände zur Neige gingen. eBay war bis Ende Juli auch der einzige der drei Onlinehändler, der seine Besuchszahlen deutlich über dem Wert von Anfang Februar stabilisieren konnte.