Missing Link: QAnon – Verschwörungstheoretiker, Extremisten, Politiker

Seite 6: Der Sturm aufs Kapitol

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All die Verschwörungstheorien und Manipulation von Teilen der Bevölkerung haben das Land der USA und andere Teile der Welt zutiefst gespalten. Seit der Wahlniederlage Donald Trumps 2020 sind Experten zunehmend in Sorge darüber. Was im Internet mit einem undurchsichtigen Post eines Fanatikers begann, endete am 6. Januar 2021 nach dem "Save America March" mit dem gewaltsamen Sturm aufs Kapitol – den Donald Trump mit seiner aufstachelnden Rede anheizte. Der Sturm auf das Kapitol kostete fünf Menschen das Leben.

Auf Telegram, Twitter, Reddit und Parler tauschten sich Trump-Anhänger bereits im Vorfeld über den möglichen Einsatz von Waffen und Gewalt aus. Trump forderte auf Twitter: "Be there, will be wild!" Die Demonstranten drangen in das Kapitol ein, um die Bestätigung des Wahlergebnisses zu verhindern – mindestens aber zu stören.

Jim Watkins war es auch, der auf Twitter die Wahlmaschinen in Frage stellte – Trump retweetete den Post und die Verschwörungstheorie bezüglich der geklauten Wahl fand bei Trump-Anhängern großen Zulauf. Watkins könne (als Pentester) eine Manipulation der Wahlmaschinen herbeiführen, so seine Aussage – immerhin habe er das Handbuch der Wahlmaschinen gelesen. Auch um die falsch ausgezählten Stimmen der Briefwähler ranken sich Verschwörungsmythen. Die Briefwahl wurde bevorzugt von Demokraten 2020 aufgrund der Pandemie genutzt – gegenüber den republikanischen Anhängern doppelt so oft.

Die Liste der Verschwörungen, die Q und QAnon aufgedeckt haben, ist riesig. Neben der zentralen "The Storm"-Theorie, dem Kinderhandel und Kindesmissbrauch, mit dessen Aufdeckung der Sonderermittler Robert Mueller eigentlich betraut sei – Mueller ermittelte zu der möglichen Einflussnahme Russlands auf die Präsidentschaftswahl – und dem Staat im Staate, zählten den Verschwörungstheoretikern zufolge auch Tom Hanks und Steven Spielberg zu Pädophilen und der weltweit tätige Baustoffhersteller Cemex liefere mit seinem Kinderhandel die Kinder für die Promis und Politiker. Nichts von alledem, was QAnon bisher hervorbrachte, stellte sich in irgendeiner Form als wahr heraus – handfeste Beweise wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt weder geliefert noch gefunden.

Ron Watkins, der 8kun aufgab und für den US-Kongress kandidierte, musste während des Wahlkampfs zu den Midterm-Wahlen 2022 feststellen, dass er genau wie viele andere Kandidaten mit Bezug zu QAnon und Verschwörungstheorien nicht automatisch politischen Erfolg erfährt, obwohl er einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Auch wenn es Marjorie Taylor Greene als bekennende QAnon-Anhängerin und Politik-Neuling 2020 in das Repräsentantenhaus geschafft hat. Heute gilt sie als "einsamste Politkerin Amerikas". Bei den Midterm-Wahlen spielte Ron Watkins später keine Rolle mehr.

In Florida gewann Ron DeSantis die Gouverneurswahl. Ihm werden Verbindungen zu und Gemeinsamkeiten mit QAnon nachgesagt. DeSantis gilt als möglicher nächster Präsidentschaftskandidat der Republikaner – das gefällt Trump offensichtlich nicht, der mit der Veröffentlichung "weniger schmeichelhaften" Informationen über DeSantis drohte. DeSantis wird als "Trump mit Hirn" bezeichnet.

Auch wenn es Kari Lake – die von Trump unterstützt und bei Wahlkampfveranstaltungen mit Rechtsextremen und QAnon in Verbindung stand – in Arizona und Laureen Boebert (Waffennärrin und QAnon-Sympathisantin) in Colorado nicht geschafft haben, erklären Experten das Extreme als "neues Normal" in der Republikanischen Partei. Blake Masters, der republikanische Senats-Kandidat, liegt in Arizona aktuell hinter dem Demokraten Mark Kelly zurück (Der Artikel wurde am 10.11. verfasst – Änderungen möglich). Masters ist Jurist, Unternehmer, Autor und "Liebling der extremen Online-Rechten", er ist enger Verbündeter des Trump-Anhängers, PayPal-Gründers und Palantir-Mitbegründers Peter Thiel. Thiel, der Trump in einer Rede als "Retter der Nation" präsentierte, unterstützte Masters Wahlkampf.

In Ohio hat J.D. Vance die Wahl gewonnen, der zumindest andeutungsweise Verschwörungsmythen der QAnon-Sekte legitimiert und sich vom Trump-Oppositionellen zu einem seinem größten "Cheerleader" entwickelt habe – auch er wurde mit zehn Millionen US-Dollar von Thiel unterstützt. In Georgia ist der ehemalige Footballspieler und von Trump unterstütze Herschel Walker noch im Rennen. Walker werden zwar keine direkten Verbindungen zu QAnon angelastet, er glänzt aber mit Skandalen. Als bekennender Abtreibungsgegner beschuldigen ihn zwei Frauen, die er zu einer Abtreibung gedrängt und denen er Geld dafür geboten haben soll. Eine Übersicht der weiteren "Gefährlichsten Republikaner auf dem Stimmzettel" finden Sie hier.

Die republikanischen Abgeordneten Doug Mastriano (Pennsylvania) und JR Majewski (Ohio) bekennen sich ebenfalls zu den Verschwörungstheorien von QAnon. Der Experte für Online-Extremismus, Desinformationen und soziale Medien, Alex Kaplan, geht davon aus, dass 15 republikanische Abgeordnete, die bereits im US-Kongress sitzen, und mindestens 60 weitere aus unterschiedlichen US-Bundesstaaten öffentlich hinter QAnon stehen – weitere 2 befänden sich im Wahlkampf für Gouverneursposten. QAnon-Influencer versuchen auf Twitter das neue Abo-Modell zu nutzen, nachdem Elon Musk den Dienst "Twitter Blue" nach seiner Übernahme eingeführt hat, um in dem sozialen Netzwerk wieder Fuß zu fassen. Trump äußerte sich zuletzt, dass er trotz der Übernahme durch Musk und den neuen Regeln nicht zu Twitter zurückkehren will.

Der erdrutschartige Sieg und die "rote Welle" blieb bei den Midterm-Wahlen 2022 in den USA aus. Mittlerweile drängen die Republikaner Trump, dem sie die Schuld dafür geben, seine große Ankündigung am 15. November zu verschieben. Zuletzt näherte sich Trump den Verschwörungstheoretikern von QAnon wieder an, die auf dem sozialen Netzwerk "Truth Social" des ehemaligen US-Präsidenten in erheblicher Zahl vertreten sein sollen. Erwartet wird, dass Donald Trump am 15. November 2022 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 verkündet.

(bme)