Missing Link: Schulplattform Logineo NRW – vom Rohbau zur Kernsanierung?
Seite 5: Kernsanierung?
Nextcloud ist seit 2017 kompromisslos skalierbar zu relativ kommoden Kosten, auch eine Anbindung als Cloudspeicher an Moodle-Instanzen ist bereits erfolgreich realisiert worden. 2021 gibt die Nextcloud GmbH bekannt, dass die Software als Plattform für das EU-Projekt zur digitalen Souveränität Gaia-X ausgewählt wurde. Die IT der Bundesministerien setzt ebenfalls auf Nextcloud.
Darüber hinaus ist sämtliche Software von Nextcloud, anders als die Enterprise Edition Alfresco One als CMS von edu-sharing, frei verfügbar und unterliegt nur der AGPL. Die Community der Software hat ein wesentlich größeres Wachstumspotential als die Community von edu-sharing. Die Telekom AG setzt bei ihrer MagentaCloud auf Nextcloud; sie migrierte inzwischen geräuschlos Millionen von Anwendern.
Eine Umorganisation des Kernsystems von Logineo NRW auf einen anderen Cloudspeicher kommt einer Kernsanierung gleich. Nextcloud bietet aber den Vorteil einer ganzen Reihe von existierenden und wohldokumentierten Schnittstellen, die unmittelbar genutzt werden könnten.
Ein weiterer Vorteil wäre die hohe Akzeptanz in Kreisen der Nutzer. Aus der Dokumentation der Anregungen und Erfahrungen aus den Workshops des Zukunftschecks geht hervor, dass Nextcloud an mehreren Stellen vorgeschlagen und diskutiert wurde. Es besteht also die reale Chance, auf die im Zukunftscheck von Fraunhofer FOKUS schriftlich festgehaltenen Vorschläge der Teilnehmer der Workshops zu hören und diese ggf. umzusetzen.
Eine entsprechende Entscheidung des Ministeriums würde die Bereitschaft unterstreichen, sich auch auf externe Vorschläge und Expertisen einlassen zu können. Die Akzeptanz der Logineo-Familie bei den Anwendern dürfte entsprechend steigen. Allerdings käme eine solche Entscheidung auch dem Eingeständnis gleich, jahrelang auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Das könnte aber damit gerechtfertigt werden, dass technische Entwicklungen auf dem freien IT-Markt – sowohl im kommerziellen Bereich als auch in den Open-Source-Communitys – mit einem ganz anderen Tempo ablaufen und nicht selten Planungen überholen oder gar obsolet machen. Sie haben ein gewisses disruptives Potenzial. Deren Ergebnisse sind von vornherein nicht immer abschätzbar.
Kritik und offene Fragen
Es muss klar gesagt werden, dass die mit diesem Projekt über die Jahre befassten Minister an den Entwicklungen keine direkte Schuld trifft, gleichwohl – das bringt das Ministeramt mit sich – tragen sie die politische Verantwortung. Seit Jahren geistert der Spruch durchs Land, dass man mit Bildungspolitik keine Wahl gewinnen, gleichwohl aber Wahlen verlieren kann. Sind die Strukturen der Ministerien, die in nahezu allen Belangen der klassischen hierarchischen Aufbauorganisation folgen, für ein erfolgreiches Management des schulischen Bildungssystems noch zeitgemäß?
Der ministeriale Plan dafür, wie eine Lernplattform zum Zeitpunkt ihres Einsatzes – zehn Jahre später – auszusehen und strukturiert zu sein hat, zeigt zumindest, welche Lasten ein Verwaltungsapparat sich selbst auferlegt. Er berücksichtigt nicht die parallelen Entwicklungen in der Welt.
Meine Auffassung ist: Politik kann und soll ganzheitlich Entwicklungen aus der Welt aufnehmen und reflektieren und daraus Richtungen für Entwicklungen vorgeben, dafür ist sie da. Die konkrete Lösungsaufgabe sollte dann vernünftig delegiert werden. Ein erster Schritt, dieses Festbeißen an bestimmten Nicht-Lösungen zu vermeiden, könnte darin bestehen, die im Kontext Schule beteiligten Fachpersonen ihre Erfahrungen und Beobachtungen zusammentragen zu lassen, diese in gemeinsamen Runden zu diskutieren und daraus Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
Bislang hat das Schulministerium vieles – quasi von oben herab – bestimmt. Die Vorgehensweise im Zukunftscheck von Fraunhofer FOKUS zeigt demgegenüber einen neuen Weg auf: Expertisen von Außen könnten (und sollten) zugelassen werden.
(kbe)