Mit Lebensmittelabfällen und Windkraft zu klimaneutralem Kerosin

Klimaneutrale Flugreisen gibt es nicht. Zumindest noch nicht. Aber die Branche strengt sich an, grünen Kraftstoff zu entwickeln.

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(Bild: aapsky/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Elmar Stephan
  • dpa
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Da, wo die Revolution im Luftverkehr startet, landet kein Flieger. Vielmehr riecht es recht deutlich nach Landwirtschaft. Dichtgewachsene Maisfelder umschließen eine Biogasanlage im nördlichen Emsland bei Werlte, rund 60 Kilometer von Oldenburg entfernt. Aber hier sind die Bedingungen ideal, um klimaneutralen Flugzeugtreibstoff herzustellen. Am Montag soll die Anlage offiziell in Betrieb genommen werden. Dabei sind der Kieler Klimaforscher Mojib Latif und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD).

"Ich musste lange suchen, um einen geeigneten Standort zu finden", sagt Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer der Atmosfair gGmbh, einer gemeinnützigen Klimaschutzorganisation aus Berlin. Der ideale Standort ist also hier, in der niedersächsischen Provinz – wo Biogasanlagen und Windkrafträder fast an jeder Kreuzung stehen.

"Von der Biogasanlage brauchen wir nur das Kohlendioxid", sagt Brockhagen. Zu dem Gas kommt Wasserstoff, das mit Windstrom hergestellt wird. Wasserstoff und Kohlendioxid werden in der Anlage, die hinter der Biogasanlage des Partners und regionalen Energieversorgers EWE gebaut wurde, über chemische Prozesse zu Rohkerosin verarbeitet. Zum Flugtreibstoff Jet A1 wird es in der Raffinerie Heide nördlich von Hamburg weiterverarbeitet, die es an den Hamburger Flughafen liefert.

Damit es keinen Konflikt um Tank oder Teller gibt, wollte Brockhagen eine Biogasanlage, die Abfälle verarbeitet, keinen eigens angebauten Mais oder andere Pflanzen. Hier werden Abfälle der Lebensmittelindustrie aus der Region verarbeitet.

Auch der Strom aus der Windkraftanlage nehme niemandem etwas weg, denn die alten Windräder seien längst aus der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) herausgefallen. "Jetzt bekommen die Betreiber das Geld von uns", sagt Brockhagen. Die Herstellung des Wasserstoffs gehe damit nicht auf Kosten der Energiewende.

Außerdem gibt es auf dem Gelände eine Anlage, die Kohlendioxid aus der Luft herauszieht. Das sei das eigentliche Ziel: Das CO2 nicht aus eigens angebauten Pflanzen oder aus der Industrie – etwa aus Zement- oder Stahlwerken – zu beziehen, sondern neutral zu wirtschaften. Nur jenes CO2 soll hinterher in der Atmosphäre landen, was ihr vorher entnommen wurde, erklärt Brockhagen.

Das E-Kerosin soll der Luftfahrtbranche aus der Klemme helfen. Denn Flugzeuge können nicht auf flüssigen Treibstoff verzichten und auf Elektroantriebe umsteigen. Gleichzeitig muss sich aber auch die Luftfahrt auf den Weg zur Klimaneutralität machen. Nach Berechnungen des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums beträgt der Anteil der Luftfahrt am menschengemachten Klimawandel 3,5 Prozent. Also sucht die Branche klimaneutralen Treibstoff.