Mit Zauberbeeren in den Ruin: Kostenfalle "Free to Play"

Seite 2: Geld zurück!

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Komplizierter wird es, wenn das Geld für den virtuellen Kauf bereits abgebucht wurde und der Nachwuchs ein paar tausend Euro für "Coins" oder "Diamanten" ausgegeben hat. Ob die Betroffenen eine Chance haben, ihr Geld wiederzuerhalten, hängt entscheidend davon ab, ob rechtlich ein Rückzahlungsanspruch besteht.

Grundsätzlich gilt, dass Kinder im Alter zwischen 7 und 17 Jahren beschränkt geschäftsfähig sind. Das bedeutet, dass der Nachwuchs Rechtsgeschäfte bis auf wenige Ausnahmen nur mit der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter – dies sind in der Regel die Eltern – tätigen kann.

Ohne deren Zustimmung können Kinder ab sieben Jahren allerdings nach dem sogenannten Taschengeldparagrafen, § 110 BGB, auch virtuelle Güter rechtswirksam erwerben. Vereinfacht dargestellt ist Voraussetzung hierfür, dass das Kind das Taschengeld bereits erhalten hat und das Geld ihm zur freien Verfügung überlassen wurde, auch für den Erwerb von digitalen Inhalten. Das Amtsgericht Düsseldorf hat in diesem Kontext bereits im Jahr 2006 entschieden, dass das Prepaid-Guthaben auf einer dem Nachwuchs überlassenen Mobilfunkkarte regelmäßig nicht unter den Taschengeldparagrafen fällt (Az.: 52 C 17756/05).

Vor dem Spiel muss der Teilnehmer den Datenschutzrichtlinien des Anbieters und weiteren rechtlichen Vereinbarungen zustimmen. Das klappt auch, wenn man die Daten von Kindern angibt.

Auch ein In-Game-Kauf stellt ein solches Rechtsgeschäft dar. Wird ein Kauf ohne Zustimmung der Eltern getätigt, so gilt dieser juristisch gesehen als "schwebend unwirksam". Das bedeutet, dass die Wirksamkeit des Kaufs von der nachträglichen Genehmigung der Eltern abhängt. Wird die Genehmigung verweigert, so führt dies zur Unwirksamkeit des Kaufs. Da in diesem Fall kein Kaufvertrag zustande gekommen ist, kann der Käufer sein Geld zurückverlangen. Noch weiter geht der Schutz von Kindern unter sieben Jahren. Diese sind geschäftsunfähig und können daher selbst überhaupt keine rechtsgültigen Käufe tätigen.

Leider ist es aber allein mit einer Verweigerung der Genehmigung für ungewollte Käufe des Nachwuchses nicht getan. Unter Umständen kann eine rechtliche Prüfung ergeben, dass die Eltern selbst wirksam Vertragspartner des jeweiligen Spieleanbieters geworden sind, obwohl das Kind die Käufe ohne deren Wissen und Zustimmung getätigt hat.

Dahinter steckt die im deutschen Rechtssystem anerkannte Rechtsfigur der sogenannten Anscheinsvollmacht. Wird bei einem Vertragspartner der Anschein erweckt, man handele für eine andere Person, kann unter gewissen Voraussetzungen ein Vertrag mit dieser anderen Person zustande kommen. Entscheidend ist, ob die andere Person von dem Rechtsgeschäft Kenntnis hätte haben müssen und diese bei pflichtgemäßer Kenntnis hätte unterbinden können.

Übertragen auf ungewollte In-Game-Käufe durch Kinder bedeutet dies Folgendes: Überlassen Eltern ihrem Kind beispielsweise leichtfertig ein Handy oder Tablet zur Nutzung, auf welchem Zahlungsdaten für digitale Käufe hinterlegt sind, so können sie an den Kaufvertrag gebunden sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn zur Tätigung von Käufen keine Passworteingabe erforderlich ist oder die Zugangsdaten auf dem Endgerät gespeichert sind. Ebenso können Eltern zum Vertragspartner des Spieleherstellers werden, wenn sie ihrem Kind ein Zahlungsmittel wie die Kreditkarte oder ein PayPal-Konto überlassen haben.

Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein Kind die ordnungsgemäß aufbewahrte Kreditkarte der Eltern heimlich entwendet oder das angemessen geschützte Zugangspasswort zu einem Zahlungsmittel stiehlt oder auskundschaftet.

Für Eltern vorteilhaft ist in diesem Zusammenhang, dass den Spieleanbietern im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung regelmäßig die Beweislast obliegt, dass die Voraussetzungen einer solchen Anscheinsvollmacht vorliegen, was nicht ganz leicht nachzuweisen ist.

Darüber hinaus kann sich auch ergeben, dass die Eltern für die durch das Kind getätigten Käufe aufgrund einer Verletzung ihrer Aufsichtspflicht haften müssen. Ob die Aufsichtspflicht tatsächlich verletzt wurde, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Dabei gilt, dass die Anforderungen an die Aufsichtspflichten umso höher sind, je jünger das Kind ist. Wird beispielsweise einer Siebenjährigen das Handy samt hinterlegtem Zahlungsmittel über längere Zeit zur freien Verfügung überlassen, so sprechen gute Argumente für eine Aufsichtspflichtverletzung.

Buchstäblich gut beraten ist in jedem Fall, wer eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, da die Kosten für derartige Streitigkeiten meist vom Versicherer übernommen werden.

Unabhängig davon, ob Kind oder Eltern Vertragspartner des Spieleanbieters werden, könnte man auf die Idee kommen, dass bei Käufen über das Internet ein 14-tägiges Widerrufsrecht für Verbraucher besteht. Das stimmt zwar grundsätzlich, allerdings liegt der Teufel im Detail.

Denn das Gesetz eröffnet den Spieleanbietern die Möglichkeit, das Widerrufsrecht zu umschiffen. Gemäß Paragraf 312f des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann der Anbieter vom Käufer digitaler Inhalte verlangen, dass dieser den Verzicht auf sein Widerrufsrecht erklären muss. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass Kunden die digitalen Inhalte 14 Tage lang nutzen, dann ihr Widerrufsrecht ausüben und somit die Leistung für den Zeitraum quasi umsonst erhalten.

Hierfür stellt der Gesetzgeber zwei Voraussetzungen auf: Erstens muss der Käufer ausdrücklich zugestimmt haben, dass der Anbieter vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist mit der Erbringung der Leistung beginnt, ganz praktisch also die Nutzung des Spiels ermöglicht. Zweitens muss der Käufer ausdrücklich bestätigen, dass ihm bewusst ist, dass er durch seine Zustimmung zur sofortigen Leistungserbringung sein Widerrufsrecht verliert.

Die formellen Anforderungen an einen wirksamen Verzicht auf das Widerrufsrecht sind allerdings hoch. Da die Zustimmung "ausdrücklich" erfolgen muss, reicht zum Beispiel ein versteckter Hinweis oder eine vorangekreuzte Checkbox regelmäßig nicht aus. Das Landgericht Karlsruhe hat außerdem im Jahr 2016 entschieden, dass ein Hinweis vor dem Kauf, der besagt, dass mit dem Klick auf "Jetzt kaufen" der sofortigen Vertragsausführung zugestimmt wird und das Widerrufsrecht des Käufers erlischt, nicht ausreicht (Az. 18 O 7/16).

Hat der Käufer vor dem Kauf keinen wirksamen Widerrufsverzicht erklärt, kann er innerhalb von 14 Tagen das Widerrufsrecht ausüben und das bezahlte Geld zurückverlangen. Oftmals entdecken Eltern jedoch den Kaufrausch der Kinder erst viel später, wenn zum Beispiel die monatliche Kreditkartenabrechnung von der Bank übersandt wird.

Ist das virtuelle Kind erst einmal in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen und das Geld bereits in Richtung Spielehersteller geflossen, gibt es noch eine Möglichkeit, das Geld zurückzuerhalten. Hierzu sollte man sich zunächst an den betreffenden App-Store-Anbieter, also an Google oder Apple wenden und sich darauf berufen, dass die Käufe von einem Minderjährigen ohne die Erlaubnis seiner Eltern getätigt worden sind.

Der Unterschied zwischen den beiden Anbietern besteht darin, dass Apple in der Regel ausschließlich selbst über Rückerstattungen entscheidet. Bei Google kann auch der Spieleanbieter selbst Erstattungen veranlassen. Hat Ihr Kind also über ein Google-Konto Käufe vorgenommen, kann es sich lohnen, den Spieleanbieter direkt zu kontaktieren.

Auch wenn nach den bereits erläuterten Kriterien eine Haftung der Eltern infrage kommt, sollte man trotzdem versuchen, eine Rückerstattung zu erreichen. In der Praxis zeigen sich App-Store- und Spieleanbieter häufig kulant, gerade bei jüngeren Kindern. Insbesondere der Spielehersteller "Supercell" mit Sitz in Helsinki, der das beliebte Mobile Game "Brawl Stars" entwickelt hat, kommt Eltern oftmals entgegen. Die Rückerstattung geht jedoch in der Regel mit einer permanenten Sperrung des betreffenden Spiel-Accounts einher.

Wird die Rückerstattung abgelehnt, sollte man dennoch nicht gleich aufgeben. Es kann sich, gerade bei größeren Summen, durchaus lohnen, sich in solchen Fällen an einen spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden. Das Schreiben einer Kanzlei, in dem die rechtlichen Argumente ausführlich vorgetragen werden und gegebenenfalls eine Klage angedroht wird, bewegt Spielehersteller und App-Store-Anbieter in der Praxis nicht selten dazu, doch noch einer Rückerstattung zuzustimmen.

Lässt sich das Gegenüber auch mit noch so guten Argumenten nicht zu einer Rückbuchung bewegen, so bleibt letztlich nur der Gang zum Gericht. Man sollte sich allerdings bewusst sein, dass die Rechtsdurchsetzung vor Gericht schwierig werden kann, insbesondere wenn der Anspruchsgegner seinen Sitz nicht in Deutschland hat.

In-App-Käufe haben sich zu einem Riesengeschäft für die Gaming-Industrie entwickelt. Leider werden dabei auch häufig Kinder und Jugendliche ausgenommen. So entstehen ungewollt Rechnungen in vier- oder fünfstelliger Höhe. Hiergegen helfen vor allem technische Maßnahmen in den Einstellungen der Smartphone-Betriebssysteme. Kommt es doch einmal zu einer ungewollten Abbuchung, so lohnt es sich in den meisten Fällen dagegen vorzugehen. In hartnäckigen Fällen und bei besonders hohen Rechnungen empfiehlt es sich, einen spezialisierten Rechtsanwalt einzuschalten.

Dieser Beitrag stammt aus c’t 19/2021

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(uma)