Nebenkostenprivileg: "Die Cash-Cow der Kabelnetzbetreiber schlachten"

Seite 3: Wäre eine Abschaffung "in hohem Maße unsozial"?

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Aber auch die Wohnungswirtschaft spricht sich gegen die Abschaffung des "bewährten" Umlagesystems aus, das für alle Beteiligten Vorteile habe. Mieter können modernes Fernsehen zu "Großhandelspreisen" beziehen, die derzeit deutlich unter 10 Euro liegen. Vermieter müssen darüber nicht monatlich mit ihren Mietern abrechnen. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) betont auch, dass die Umlagefähigkeit wichtige Impulse für die Digitalisierung setze, weil sie Immobilienbesitzern eine solide Grundlage für teils dringend benötigte Investitionen in die Hausverkabelung böte.

Nicht zuletzt warnt der GdW, dass die Abschaffung zu deutliche höheren Kosten für Mieter führen dürfte. Das sei vor allem für die rund 3 Millionen Haushalte, die von Transferleistungen leben, ein Problem. Denn "das Amt" könne die Kosten für einen Kabelanschluss nur übernehmen, wenn er Teil der Mietkosten ist. Auch die Kabelnetzbetreiber entdecken in der Debatte plötzlich ihre soziale Verantwortung und argumentieren gerne mit den Folgen, die eine Abschaffung des Nebenkostenprivilegs für sozial schwache Haushalte hätte.

"Neben der Behinderung des Breitbandausbaus wäre eine Abschaffung der Umlagefähigkeit auch in hohem Maße unsozial", erklärt Thomas Braun, Präsident des Kabelverbands ANGA. "Bei der gebündelten TV-Versorgung über den Vermieter werden die damit verbundenen Betriebskosten als Teil der Wohnkosten von der Bundesagentur für Arbeit oder dem Sozialhilfeträger zusätzlich zum Regelsatz erstattet. Die jetzt vorgeschlagene Änderung hätte zur Folge, dass die Empfänger von Arbeitslosengeld II oder von Grundsicherung die Kosten künftig aus dem Regelsatz zahlen müssten. Das kann für sie zu Mehrbelastungen von über 200 Euro pro Jahr führen."

Ganz von der Hand zu weisen ist das Argument nicht. Vodafone zum Beispiel berechnet für den nackten TV-Anschluss rund 19 Euro im Monat. Ohne die Umlagefähigkeit müssten die betroffenen 3 Millionen Haushalte den Anschluss selbst beauftragen und die Kosten aus dem Regelsatz tragen. Das entlastet dann zwar die Kommunen, die für die Mietkosten aufkommen, müsste möglicherweise beim Regelsatz berücksichtigt werden, der aus Steuermitteln vom Bund finanziert wird.

Auch die Sozialverbände kennen das Problem. Andererseits sehen sie auch die Chance auf eine Entlastung der vielen sozial schwachen Mieter, wenn der Zwang zum Anschluss fällt. Es dürfte diesem Dilemma geschuldet sein, dass sich die Sozialverbände in der Debatte bisher eher bedeckt halten. Aus dieser Ecke können Telekommunikationsriesen und Immobilienwirtschaft offenbar keine Solidarität erwarten.

Der Streit über das Nebenkostenprivileg ist ein Grund, warum die TKG-Novelle noch im Kabinett hängt. Eigentlich sollte die sogenannte "Ressortabstimmung" schon in der ersten Augustwoche fertig sein und den Verbänden zur Konsultation zugegangen sein, dann hieß es Ende August. Passiert ist aber bisher nichts. Das hat BMWi und BMVI aber nicht davon abgehalten, ihre Pläne schon mal der Presse vorzustellen, was in Verbandskreisen für einigen Unmut sorgte.

Die Ministerien wollen wie üblich nicht sagen, worüber sie noch streiten. Dem Vernehmen passt dem Innenministerium nicht, dass die TKG-Novelle mit der geplanten Abschaffung ins Mietrecht eingreift. Deswegen würde das BMI aber keinen Kompromiss platzen lassen, meint ein Brancheninsider. Und dem BMJV gehen die Vorgaben für Vertragslaufzeiten im aktuellen TKG-Entwurf offenbar nicht weit genug. Bisher ist eine Erstlaufzeit von zwei Jahren für Kundenverträge vorgesehen, das Verbraucherschutzressort meint, das 12 Monate reichen.

Es wird interessant, wie das Kabinett die internen Konflikte auflöst. Doch wird das nicht das Ende der Debatte sein. Wenn sich die Ministerien geeinigt haben, soll der Entwurf dann im Eiltempo durch die Konsultation mit den betroffenen Verbänden und Organisationen. Das TKG betrifft viele Interessengruppen, nicht nur beim Kabelanschluss – auch das Sicherheitspaket für 5G-Netze hängt an der TKG-Novelle. Das Gezerre wird also weitergehen.

(vbr)