Nebenkostenprivileg: "Die Cash-Cow der Kabelnetzbetreiber schlachten"

Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes hängt im Kabinett. Ein Streitpunkt unter vielen: Das Nebenkostenprivileg für Kabelanschlüsse.

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Nebenkostenprivileg: "Die Cash-Cow der Kabelnetzbetreiber schlachten"

(Bild: alanisko/Shutterstock.com)

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Die geplante Novelle des Telekommunikatonsgesetzes (TKG) ist weiterhin umstritten – und das auch innerhalb der Bundesregierung. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) haben ihre Pläne zwar schon der Presse vorgestellt, abgestimmt ist der Entwurf innerhalb des Kabinetts aber noch nicht. Nach Informationen von heise online melden das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundesministerium für Justiz (BMJ) noch Klärungsbedarf an. Ein Streitpunkt ist das sogenannte "Nebenkostenprivileg" für Kabelanschlüsse.

Laut den bisher bekannten Plänen will die Bundesregierung die Möglichkeit abschaffen, dass ein Vermieter die Kosten eines Kabelanschlusses mit den Nebenkosten der Wohnung abrechnet. Die Regelung wurde in den 1980er Jahren eingeführt, um den Ausbau von Kabelfernsehen zu beschleunigen. Hausbesitzer und Wohnungsbaugesellschaften rechnen den Kabelanschluss auf Grundlage sogenannter Gestattungsverträge mit den Kabelnetzbetreibern ab, die lange Laufzeiten von 10 Jahren oder mehr haben, und legen die Kosten mit der Betriebskostenabrechnung auf die Mieter um. 12,5 Millionen der rund 17,5 Millionen Kabelhaushalte rechnen laut Branchenangaben die Anschlusskosten so ab.

Mieter bekommen Kabel-TV im sogenannten "Sammelinkasso"" einerseits günstiger als direkt beim Anbieter, müssen aber andererseits einen Anschluss bezahlen – ob sie ihn nun nutzen oder nicht. Verbraucherschützer kritisieren schon länger, dass dadurch die Wahlmöglichkeit von Mietern eingeschränkt wird, sich frei für eine Empfangsvariante und eine Anschlusstechnologie zu entscheiden. Zudem sei die Abrechnung der Anschlusskosten mit den Nebenkosten ein Langzeitvertrag über Telekommunikationsdienste, den es laut geltendem Recht eigentlich nicht geben darf.

Das "Nebenkostenprivileg" – der Begriff wurde maßgeblich von den Marktkräften geprägt, die es loswerden wollen – ist ein politisches Erbe aus analoger Vorzeit. Als die Deutsche Bundespost in den 1980er Jahren mit dem Ausbau des Kabelnetzes begann, ging es vor allem um besseren Fernsehempfang und mehr Sender. Anfang der 1980er Jahre gab es in Deutschland drei Fernsehprogramme, die über Antenne empfangen wurden. Damit auch Hausbesitzer mitziehen und die Verkabelung im Haus ausbauen, sollten die Kosten dafür auf die Miete umgelegt werden können.

Der Kabelanschluss steht bei der Fernsehverbreitung heutzutage im Wettbewerb mit IPTV, Satelliten-TV und terrestrischem Fernsehen (DVB-T), das in Deutschland von einer Tochter der Freenet AG ausgestrahlt wird. Die Monopolkommission als Berater der Bundesregierung in Wettbewerbsfragen sieht in der Abrechnung des Kabelanschlusses mit der Miete deshalb eine "Wettbewerbsbeschränkung", die den "Markteintritt für Anbieter alternativer Übertragungsmöglichkeiten, wie etwa IPTV-Anbieter, erschwert" habe – und spricht sich klar "für eine Abschaffung des Nebenkostenprivilegs" aus.

Für den Gründer der IPTV-Plattform Waipu.tv ist das Nebenkostenprivileg ein gutes Beispiel für die Versäumnisse Deutschlands bei der Digitalisierung. "Es ist ein Relikt der analogen 80er Jahre, das im Jahre 2020 zwar immer noch für immense Gewinne der Kabelunternehmen sorgt, aber gleichzeitig den Wettbewerb mit digitalen IPTV-Plattformen unterbindet", kritisiert Christoph Bellmer. Die Abschaffung würde "nicht nur die TV-Versorgung für Millionen Haushalte immens verbessern, sondern auch die Kosten für die Mieter deutlich reduzieren". Bellmer verweist auf eine Umfrage unter Waipu.tv-Nutzern, derzufolge 35 Prozent parallel noch einen Kabelanschluss bezahlen – und das zumeist, weil er nicht gekündigt werden kann.