Ammoniak: Neuer grüner Treibstoff für Lastwagen und Schiffe?

Wie ein Start-up-Unternehmen Traktoren, Lastwagen und sogar Schiffe mit einem Düngerbestandteil betanken will, den es fast überall gibt.

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Amogy

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Casey Crownhart
Inhaltsverzeichnis

Letzten Freitag kletterte ich auf eine Leiter und ließ mich auf den Sitz eines leuchtend grünen John-Deere-Traktors plumpsen. Es war aber kein Maishalm und kein Sojabohnenspross in Sicht - durch die Windschutzscheibe sah ich einen ziemlich typischen Parkplatz in Brooklyn.

Ich hatte darum gebeten, auf den Traktor klettern zu dürfen, um einen Blick in das Innere eines der wenigen Fahrzeuge der Welt zu werfen, der mit einem überraschenden Kraftstoff betrieben werden kann: Ammoniak. Die Chemikalie wird normalerweise für Düngemittel verwendet, aber ein in New York ansässiges Startup-Unternehmen namens Amogy entwickelt eine Technologie, mit der sie elektrische Traktoren, Lastwagen und sogar Schiffe antreiben kann. Ich habe den Hauptsitz von Amogy besucht, um herauszufinden, warum so viele Unternehmen im Verkehrssektor nach solchen neuen Kraftstoffen suchen und wie Ammoniak dabei eingesetzt werden kann.

Mit einem Anteil von über 15 Prozent an den weltweiten Treibhausgasemissionen ist der Verkehrssektor ein wichtiger Teil des Klimapuzzles. Und während wir dank Elektrofahrzeugen, Zügen und anderen nachhaltigen Verkehrsmitteln stetige Fortschritte machen, gibt es Teile des Puzzles, die schwieriger zu lösen sind, wie Fahrzeuge, die lange Strecken zurücklegen oder über lange Zeiträume fahren müssen, ohne zum Aufladen anhalten zu können.

Amogy glaubt nun, dass der Schlüssel zur Lösung dieses Problems im Ammoniak liegt. Ammoniak ist heute eine der weltweit am häufigsten transportierten Chemikalien, da es zur Herstellung von Düngemitteln verwendet wird. Außerdem ist es relativ praktisch, da es auf kleinem Raum viel Energie liefert, ohne zu viel Gewicht mit sich zu führen. "Was auf dem Markt noch fehlt, ist die Art der Nutzung von Ammoniak", sagt Young Suk Jo, Chief Technology Officer von Amogy. "Das ist es, was wir entwickeln."

Das grundlegende Ziel hinter der Technologie des Unternehmens ist es, Ammoniak in seine Bestandteile zu zerlegen: Wasserstoff und Stickstoff. Der Wasserstoff kann dann in einer Brennstoffzelle zur Stromerzeugung verwendet werden, während das Stickstoffgas als Nebenprodukt gefahrlos in die Atmosphäre gelassen wird (die ohnehin größtenteils aus Stickstoff besteht).

Eine der wichtigsten Erfindungen des Unternehmens ist ein chemischer Katalysator, der dazu beiträgt, dass diese Reaktion bei einer niedrigeren Temperatur als der heute üblichen effizient ablaufen kann. Amogy kombiniert diesen Cracker mit einem speziellen Kontrollsystem, einer Technologie zur Reinigung von Ammoniakresten aus der Reaktion und einer Brennstoffzelle. Zusammen können all diese Komponenten Ammoniak in Strom umwandeln.

Amogy begann 2021 mit der Demonstration seines Systems in einer Drohne. Diese erste Anlage erzeugte im Durchschnitt etwa fünf Kilowatt elektrische Leistung. Als Nächstes war der Traktor an der Reihe, den das Unternehmen mit einem Ammoniak-Energieumwandlungssystem nachrüstete, das etwa 20 Mal leistungsfähiger ist als das alte Demonstrationssystem. (Die zusätzliche Ausrüstung ist am Traktor ziemlich gut sichtbar, so dass ich von meinem Platz in der Kabine aus einen ziemlich großen toten Winkel auf der rechten Seite hatte.) Schließlich setzte das Unternehmen im Januar dieses Jahres einen Sattelschlepper mit einem 300-kW-System ein.

All diese Demonstrationsfahrzeuge haben dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit von Investoren auf sich zu ziehen: Das Unternehmen hat Anfang des Jahres eine Finanzierungsrunde in Höhe von 150 Millionen US-Dollar abgeschlossen. Aber Amogy hat noch größere Maschinen im Visier: Schiffe.

Unternehmen, die versuchen, die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf das Klima in der Schifffahrt zu verringern, setzen bereits auf alternative Kraftstoffe, darunter Methanol und eben Ammoniak. Das System von Amogy könnte jedoch eine bessere Option als Verbrennungsmotoren sein, da es die Emissionen begrenzt, die Wärme in der Atmosphäre speichern und der menschlichen Gesundheit und der Umwelt schaden können.

Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass Ammoniak selbst nicht sehr angenehm zu handhaben ist, es kann giftig sein. Die Befürworter argumentieren, dass die Sicherheitsprotokolle für den Umgang mit Ammoniak in der Industrie ausreichend gut etabliert sind und dass Fachleute in der Lage seien, die Chemikalie sicher zu transportieren und zu nutzen.

Die Systeme von Amogy sind aktuell noch nicht groß genug für Schiffe. Das Unternehmen arbeitet daher an einem weiteren Demonstrator, der die Technik einem kommerziellen System näher bringen soll: einem Schlepper, den die Firma noch in diesem Jahr im Bundesstaat New York in Betrieb nehmen will.

Schließlich plant das Unternehmen die Herstellung von Modulen, die zusammengefügt werden können, so dass die Systeme groß genug sind, um Schiffe anzutreiben. Das erste kommerzielle maritime System von Amogy wird bei Southern Devall zum Einsatz kommen, das heute schon in den USA Ammoniak auf Lastkähnen transportiert.

Die weltweite Ammoniakproduktion überstieg im Jahr 2022 rund 200 Millionen Tonnen, die größtenteils als Düngemittel verwendet werden. Das Problem ist, dass der größte Teil davon bislang mit fossilen Brennstoffen hergestellt wurde.

Damit die Systeme von Amogy die Emissionen deutlich senken können, müssen sie also mit Ammoniak betrieben werden, das ohne große Treibhausgasemissionen hergestellt wird. Hier geht es um Strom aus erneuerbaren Quellen oder zumindest Anlagen, bei denen CO₂ abgeschieden wird.

Nach Schätzungen von Amogy könnte das Angebot für diese kohlenstoffarmen Ammoniakquellen bis 2030 etwa 70 Millionen Tonnen erreichen. Allerdings müssen diese Projekte das Planungsstadium erst hinter sich lassen und tatsächlich mit der Produktion von Ammoniak beginnen, bevor es gleichzeitig in Düngemitteln, Traktoren oder Schleppern eingesetzt werden kann.

(bsc)