Lkw der Zukunft: Batterien, Wasserstoff oder Oberleitung?

Die EU-Kommission plant, ab 2040 nur noch Lkw mit geringeren CO2-Emissionen zuzulassen. Was können Antriebs-Alternativen leisten?

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Oberleitung auf der A 5 südlich von Frankfurt. Die volkswirtschaftlichen Kosten für ein Netz auf den wichtigsten Autobahnen wären einer Studie zufolge nicht höher als die für Lkw-Schnellladestationen.  , Scania

Oberleitung auf der A 5 südlich von Frankfurt. Die volkswirtschaftlichen Kosten für ein Netz auf den wichtigsten Autobahnen wären einer Studie zufolge nicht höher als die für Lkw-Schnellladestationen.

(Bild: Scania)

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1000 Kilometer ohne zu tanken – so viel schafft der Sattelschlepper Volvo FH mit Flüssigerdgasantrieb (LNG). Sein Batterie-Pendant bringt es hingegen nur auf knapp 350 Kilometer. Für viele Menschen ist die Debatte um elektrischen Schwerlastverkehr bereits an diesem Punkt beendet: Lange Strecken und Strom passen offenbar einfach nicht zusammen.

Doch die Lkw-Hersteller können es nicht dabei bewenden lassen. Ihre Fahrzeuge verursachen laut Unternehmensberatung PWC rund zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen – mehr als die Pkw mit 7,4 Prozent. Nach den jüngsten Plänen der EU-Kommission sollen ab 2040 in der EU nur noch Lkw und Busse mit geringen Rest-CO₂-Emissionen verkauft werden. Laut Kommissionvertretern in Brüssel müsse der CO₂-Ausstoß bei Neufahrzeugen dann um 90 Prozent niedriger ausfallen als 2019. Mit Dieselmotoren ist das kaum zu machen. Sie sind bereits weitgehend ausgereizt. Praktisch aus dem Rennen ist auch LNG. Es verursacht laut Öko-Institut "ungefähr gleich viel Treibhausgase wie Diesel".

Dieser Text stammt aus: Technology Review 4/2022

(Bild: 

Technology Review 4/2022 im heise shop

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Biogas hat ein anderes Problem: Es steht nur begrenzt zur Verfügung. "Wir brauchen Biogas, um Millionen existierender Gasheizungen schnell zu dekarbonisieren", sagt Julius Jöhrens vom Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU). Es für Lkws zu propagieren, sei "politische Unehrlichkeit gepaart mit Naivität". Auch aus rechtlichen Gründen ist Biogas keine Option: Die EU berücksichtigt bei ihrer Vorgabe nur die Emissionen, die direkt am Fahrzeug entstehen. Damit fallen auch E-Fuels weg, selbst wenn sie in der Gesamtbilanz klimaneutral wären.

Daimler hat Gas-Motoren bereits aus dem Angebot genommen. "Unsere Strategie ist die volle Elektrifizierung", sagt Peter Smodej, Sprecher für Mercedes-Benz Trucks. "Technologieoffenheit ist an sich gut, aber die Gesellschaft muss sich darauf konzentrieren, was auch langfristig eine Zukunft hat." Doch wie genau diese Elektrifizierung vonstattengehen soll, darüber ist die Branche zerstritten.

Tesla-Chef Elon Musk hatte bereits 2018 einen E-Sattelschlepper mit 800 Kilometern Reichweite angekündigt. Das Konzept des "Tesla Semi" ist schnell erklärt: Einfach genug Batterien einbauen. Mindestens 1.000 Kilowattstunden wären für die versprochene Reichweite nötig. Das ist mehr, als mancher Single-Haushalt im ganzen Jahr verbraucht.

Eine solche Batterie würde mehr als zehn Tonnen wiegen und entsprechend wenig Nutzlast übrig lassen – von Kosten und Rohstoffbedarf ganz abgesehen. Mittlerweile hat praktisch jeder Lkw-Hersteller elektrische Modelle im Programm hat, und inzwischen hat auch Tesla – wenngleich mit Verspätung – die ersten Tesla Semi ausgeliefert.

Doch wie viel Reichweite ist in der Praxis eigentlich nötig? Dies hat das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) anhand der Daten von 9.500 realen Fahrten zu Rewe-Filialen im Berliner Umland berechnet. Das Ergebnis: Jede innerstädtische und jede zweite regionale Tour wäre ohne Zwischenladung mit E-Lkws zu schaffen, die bereits auf dem Markt sind. Doch damit sich die Anschaffung eines Elektro-Lastwagens rechnet, muss er möglichst viel unterwegs sein. Im Kurzstreckenbetrieb kommt er aber nur schwer auf die nötige Fahrleistung.

Berücksichtigten die Forschenden nur Strecken, die sowohl technisch als auch wirtschaftlich machbar sind, blieben 21 Prozent der Tonnenkilometer übrig (also die Masse der transportierten Nutzlast mal die zurückgelegte Strecke). Wird die Tourenplanung optimiert, etwa durch Zwischenladungen in den Filialen, wären 36 Prozent möglich. Das Beispiel zeigt: Die Königsdisziplin ist der Langstreckenverkehr. Hier machen sich Investitionen am ehesten bezahlt.

Schlechte Karten für Batterien also? Kommt drauf an. Dazu eine kleine Rechnung: Laut Gesetz dürfen Lkw-Fahrer in Europa maximal 4,5 Stunden am Stück fahren. Danach müssen sie 45 Minuten Pause machen. Bei einem Tempo von 80 km/h kämen sie bis dahin maximal 360 Kilometer weit. Das ist gar nicht mehr so weit von den derzeitigen Reichweiten entfernt. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Transport & Environment sollen schon 2024 die ersten Trucks mit Reichweiten um 500 Kilometer auf den Markt kommen.

Die entscheidende Frage ist also, ob sich Batterien in den Pausen wieder für die nächste Etappe aufladen lassen. Bei einem großzügig kalkulierten Verbrauch von 150 kWh pro 100 Kilometer müssten dazu 540 kWh in einer Dreiviertelstunde nachgeladen werden. Das erfordert eine Ladeleistung von 720 kW.