50 Jahre Notruf: So ortet die Leitstelle Ihr Mobiltelefon

Seite 4: Wie AML in Deutschland funktioniert

Inhaltsverzeichnis

In Deutschland wurde AML im Oktober 2019 eingeführt. Bundesweit funktioniert AML inzwischen sowohl mit neueren Android- und Apple-Mobilgeräten für Anrufe bei der Notfall-Rufnummer 112. AML wird nur bei Anrufen an die 112 aktiviert. Eine selbst geschriebene SMS, die man manuell an die 112 sendet, führt in Deutschland nicht zur Aktivierung von AML. Die AML-Daten des Anrufers werden über das Internet (LTE, UMTS, EDGE oder WLAN) oder per (Daten-)SMS an zwei zentrale Endpunkte in Deutschland übertragen: konkret landen sie auf Servern bei der integrierten Leitstelle Freiburg und redundant bei der Berliner Feuerwehr. Von dort können die Rettungsleitstellen als PSAPs (Public Safety Answering Point) die Daten zu ihrem akuten Einsatz über einen für sie vergebenen Zugang zum System (per API über eine gesicherte Datenverbindung) abrufen.

223 von 234 Leitstellen haben in Deutschland AML in ihr System implementiert. Jede Rettungsleitstelle kann nur die AML-Daten für den Anruf anfordern, der aktuell bei ihr über den Notruf 112 eingegangen ist. Dafür muss die Rettungsleitstelle die Rufnummer des Anrufenden kennen. Nach der Übermittlung vom Endpunkt werden die Standortdaten dann im GIS (Geo-Informations-System) der Rettungsleitstelle dargestellt.

Weder die Mobilfunkbetreiber noch die Hersteller der Betriebssysteme haben Zugriff auf die Inhalte der gesendeten AML-Daten. Diese Daten sind nur für einen begrenzten Zeitraum beim festgelegten Endpunkt des Landes für die Rettungsleitstelle abrufbar. In Deutschland liegen die Daten für 60 Minuten zum Abruf durch die Rettungsleitstelle bei den zwei Endpunkten vor. Die Rufnummer ist als Hash gespeichert. Die Rufnummer wird erst mit einer Zufallsfolge verkettet und anschließend gehashed. Ein Rückschluss vom so gespeicherten Hash auf die Rufnummer soll zu keinem Zeitpunkt möglich sein, sodass auch die Administratoren der Endpunkte keinen Einblick in personenbezogene Daten erhalten.

Nach Ablauf der 60 Minuten werden die Daten des Anrufs aus der Datenbank der Endpunkte größtenteils gelöscht. Für Evaluationszwecke (siehe AML Report Card der EENA) werden zunächst noch Zeitstempel, Netzbetreiber und Genauigkeit der Positionsdaten gespeichert.

Datenschutzrechtlich wurde das AML-Konzept von verschiedenen Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern über die Jahre separat geprüft. Unter anderem hat sich auch der Arbeitskreis Medien, bei dem es sich um eine Arbeitsgruppe der Datenschutzkonferenz (ein Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder) mit dem AML-Konzept beschäftigt. Der Ausbau und die Wirksamkeit von AML wird regelmäßig in Berichten der EENA evaluiert. Dazu gibt es den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Wirksamkeit der Einführung der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112.

AML in Europa

(Bild: EENA)

Wie bereits erwähnt sind Android-Geräte ab Version 4.0 AML-fähig, iOS-Geräte ab Version 13.3. Einen Sonderfall stellt allerdings der SOS-Notruf über Satelliten dar. Wenn keine Mobilfunk- oder WLAN-Verbindung vorhanden ist, können das iPhone 14 mit iOS 16.1 und neuer auch einen Notruf SOS via Satellit absetzendazu hatte es Ende des Jahres einen ersten Fall gegeben. Inzwischen gibt es drei Systeme, über die Smartphones direkt mit Satelliten verbunden werden können.

Google setzt auf eine eigene Implementation von AML im Android OS mit der Bezeichnung ELS (Emergency Location Service). Google will mit ELS der Rettungsleitstelle schnellstmöglich den genauen Standort des blauen Punkts – also den Standort des anrufenden Hilfesuchenden – auf der Karte zeigen und wenn möglich noch hilfreiche Zusatzinfos für die Rettung des Anrufers geben.

Google nennt vier Punkte für eine gute geobasierte Standortbestimmung:

  • Accurat: die Genauigkeit der Positionsbestimmung
  • Smooth: der wahrscheinlichste Verlauf der Position, wenn das Mobilgerät in Bewegung ist, ohne Ausreißer und ohne Sprünge auf der Karte
  • Ubiquitous: die Positionsbestimmung soll überall verfügbar sind - unabhängig der Umgebung, in der sich das Mobilgerät befindet, ob auf dem Land oder in der Stadt, ob draußen oder drinnen, zu Fuß oder auf Rollen und auch unabhängig von der Trageweise des Mobilgeräts (in der Hand, in der Hosentasche, in der Handtasche, in einer Halterung
  • Instant: die Positionsbestimmung soll sofort oder ohne relevante Verzögerung verfügbar sein

Der blaue Punkt ist eine Schätzung des Standorts. Android definiert die horizontale Genauigkeit als den Radius, der mit 68-prozentiger Sicherheit dafür sorgt, dass sich das Gerät innerhalb dieses Radius befindet. Anders ausgedrückt: Wenn ein Kreis mit einem Radius gleich dieser Genauigkeit um den gemeldeten Standort gezogen wird, besteht eine Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent, dass der tatsächliche Standort in diesen Kreis fällt. Diese Genauigkeit gilt nur für die horizontale Positionierung und nicht für die vertikale Positionierung.