Ökosystem Meer: Wie das Meer Nahrungsmittelquelle und CO₂-Senke bleiben kann

Seite 3: Fisch aus Käfighaltung

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Wenn wir in Zukunft weniger Fisch aus dem Meer bekommen, könnte Aquakultur diese Lücke schließen? Betrachtet man die Zahlen der FAO, sieht es beinahe so aus: Seit den 1970er-Jahren geht die Produktion von Fisch, Meeresfrüchten und Algen aus Aquakultur an Land und im Meer steil nach oben. Mittlerweile hat die Produktion aus Aquakultur mit der Fischerei gleichgezogen. Allerdings ist die Produktion von Fischen aus Aquakultur für Froese nur eine scheinbare Lösung: "Aquakultur bedeutet überwiegend die Produktion von Raubfischen", sagt er. "Die müssen mit Fleisch gefüttert werden. Aber eigentlich sind diese Futterfische wichtig für die Ernährung in den Entwicklungsländern."

"Das ist falsch gerechnet", widerspricht Harry Palm von der Universität Rostock. "Aquakultur ist die nachhaltigste Form der hochwertigen Proteinproduktion. Für ein Kilogramm Fisch brauchen Sie im Schnitt 1,2 Kilogramm Futtermittel. Bei Rindfleisch ist diese Food Conversion Rate bei 5. Außerdem haben Sie einen viel höheren Flächenverbrauch", sagt Palm. "Wenn wir hier in Deutschland 200 Rinder auf einem Hof mit zehn Hektar halten, bedeutet das, Soja aus Brasilien zuzufüttern – und dafür hacken wir den Regenwald in Brasilien ab." "Vom Standpunkt der Nachhaltigkeit", sagt er, "müssten wir die traditionelle Landwirtschaft herunterfahren und Aquakultur massiv fördern."

Umweltschützer kritisieren allerdings das Aquafarming – vor allem das im Meer. Denn um die Kosten niedrig und den Ertrag hochzuhalten, muss man möglichst viele Fische pro Käfig züchten. Die hohen Besatzdichten begünstigten die Verbreitung von Parasiten, zudem überdüngen die Ausscheidungen der Fische die Küstengewässer. In Chile, wo sich aufgrund von laxen Umweltbestimmungen sehr viele Aquafarming-Betriebe angesiedelt haben, verenden immer wieder große Mengen an Lachsen an den Folgen eines unkontrollierten Algenwachstums – zuletzt 2021. Außerdem brechen die Lachse auch aus den Farmen aus. Die auf der Südhalbkugel eigentlich nicht heimischen Tiere haben sich mittlerweile in Chile ausgebreitet.

Um von den in der Regel bereits stark genutzten Küstengewässern wegzukommen, arbeiten einige Unternehmen daher an Konzepten für das Offshore-Aquafarming. Technisch ist das allerdings erheblich aufwendiger – und damit auch teurer. Mit seiner Ocean Farm 1 hat das norwegische Unternehmen SalMar Ocean AS dennoch 2017 fünf Kilometer vor der norwegischen Küste eine auf die Offshore-Bedingungen angepasste Pilotanlage für 1,3 Millionen Lachse in Betrieb genommen. Die im Meer schwimmende, 68 Meter hohe Stahlkonstruktion hat einen Durchmesser von 110 Metern. Die Fische werden durch Röhren unter Wasser gefüttert, damit sie zum Fressen nicht an die Oberfläche schwimmen.

Die Ocean Farm 1 kann bis zu 1,3 Millionen Lachse beherbergen. Sie hat einen Durchmesser von 110 Metern und liegt fünf Kilometer vor der norwegischen Küste.

(Bild: SalMar, www.salmar.no)

Im Wesentlichen gelang der Testlauf, offenbarte allerdings auch technische Schwächen und Pannen: So ließen Mitarbeiter im September 2018 versehentlich eine Inspektionsluke offenstehen, und die Konstruktion kippte zu tief ins Wasser – was rund 16.000 Lachsen den Weg in die Freiheit ebnete. Bei Inspektionen der norwegischen Fischereiaufsicht wurden zudem zweimal Risse im Netz des Käfigs gefunden, durch die "kleinere Mengen" an Fischen entkommen sind. Das Unternehmen wertete den Versuch trotzdem als Erfolg – immerhin konnte SalMar in zwei Produktionszyklen insgesamt rund 10.000 Tonnen Lachs einfahren – und lässt zurzeit eine Offshore-Farm für drei Millionen Lachse bauen.

Extrem ambitioniert ist auch ein zweites Projekt aus Norwegen: "The Egg" von Hauge Aqua. Der eiförmige, geschlossene Tank soll fast vollständig im Wasser liegen. Zwei Pumpen saugen Wasser aus bis zu 38 Metern Tiefe in das Ei. Das Wasser wird durch die gebogenen Wände in eine kreisförmige Bewegung versetzt, was das Ausfiltern der Fäkalien erleichtern soll. In drei bis sechs Metern unter der Oberfläche wird das gefilterte Wasser dann wieder aus dem Tank gepumpt. Eine Million Fische sollen so, geschützt vor Räubern und Parasiten, in norwegischen Fjorden wachsen. An dem Plan hat das Unternehmen mehr als zehn Jahre gearbeitet – erst kürzlich präsentierte es eine kleine Demo-Anlage, die für 10.000 Fische geeignet sein soll. Wann der erste echte Versuch im Wasser startet, ist allerdings noch völlig unklar.

Das US-Unternehmen Ocean Era geht noch einen Schritt weiter: Es hat einen kugelförmigen Netzkäfig entwickelt, der frei in den Meereswirbeln bei Hawaii treibt. In den "Floating Pods" genannten Käfigen zieht Ocean Farm den Raubfisch Kona kampachi auf. Ganz ohne Nebenwirkungen ist auch das aber nicht: Aus Unterlagen für einen analogen Feldversuch vor der Küste von Florida, die Ocean Era bei der US-Umweltagentur EPA eingereicht hat, geht hervor, dass 20.000 Fische in einem solchen Pod pro Tag 140 Kilogramm Kot ins Wasser lassen – das entspricht 16 Kilogramm Stickstoffverbindungen. Das klingt nicht viel, aber für einen kompletten Produktionszyklus summiert sich das auf rund 2.700 Kilogramm Stickstoff.