Ohne App geht nix: Ein rechtlicher Blick auf den Digitalzwang

Seite 2: Bahn verlangt Taschengehirne

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Auch die Deutsche Bahn hat kein Herz für Digitalmuffel – was insbesondere dadurch problematisch erscheint, dass öffentliche Verkehrsmittel für viele die einzige Option darstellen, mobil zu bleiben. Das trifft gerade Menschen, die sich kein Smartphone leisten können oder für die es aus Alters- respektive Krankheitsgründen nicht infrage kommt. Bereits seit Dezember 2023 gibt es die Probeversion der Bahncard nicht mehr als Plastikkarte, sondern nur noch in der Smartphone-App. Ab Mitte 2024 sollen die Bahncards komplett in die App verbannt werden.

Alles so schön digital hier: Wer mit dem "Deutschlandticket" der Bahn unterwegs sein will, muss ein Abonnement per App abschließen.

Nicht viel besser sieht es beim staatlich geförderten "Deutschlandticket" aus. Es steht normalerweise nur im Abonnement über die DB-Navigator-App oder eine App eines Verkehrsverbunds zur Verfügung. Nur bei einzelnen Verkehrsverbünden ist es tatsächlich als Chipkarte zu haben. Pech hat etwa, wer im Allgäu lebt: Die Unternehmen des dortigen Verkehrsverbunds mona bieten die Karte seit September 2023 aus Kostengründen keinen Neukunden mehr an. Auch der GVH, der die Region Hannover abdeckt, gehört zu den Verbünden, die ausschließlich auf die Smartphone-App setzen. Gegen die Beschränkung auf ein Handyticket wenden sich die Verbraucherzentrale (VZ) Sachsen und der Fahrgastverband Pro Bahn Mitteldeutschland: Sie fordern einen barrierefreien Zugang zum Deutschland-Ticket.

Selbst beim Einkaufen im Supermarkt haben Nicht-Smartphonisten vielfach das Nachsehen: Die Ladenketten locken mit Rabatten, die nur für App-Nutzer gelten. Dabei geht es wohlgemerkt nicht etwa um Online-Einkäufe, sondern darum, das Handy samt App an der Supermarktkasse dabei zu haben. Für die Unternehmen lohnt es sich, möglichst vielen Kunden ihre Apps zu verpassen, da die von diesen gelieferten Daten wertvoll sind.

Selbst an der Supermarktkasse haben Kunden mit der passenden App oft die Nase vorn, weil manche Rabatte nur für sie gelten.

(Bild: Prospekt- und Inseratausrisse: Rewe, Netto, Edeka)

Der grassierende App-Zwang ist unter anderem deshalb bedenklich, weil längst nicht alle Menschen ein geeignetes Mobilgerät nutzen. In einer telefonischen Befragung, die Bitkom Research im Auftrag der Initiative "Digital für alle" im April 2021 bei 1004 Personen in Deutschland ab 16 Jahren durchgeführt hat, erklärten 21 Prozent aller Befragten, dass sie kein Smartphone verwenden. Bei den Befragten, die älter als 65 Jahre waren, lag dieser Anteil sogar bei 53 Prozent.

So hat denn auch die bereits erwähnte Bürgerrechtsinitiative Digitalcourage e.V. den Digitalzwang, insbesondere in Gestalt obligatorischer App-Nutzung für alltägliche Aktivitäten und Dienste, zum Thema einer Kampagne gemacht. Der Verein setzt sich dafür ein, "dass wir … immer auch Wahlfreiheit haben, analog zu bleiben", informiert auf seiner Website ausführlich über verschiedene Aspekte des Themas und wünscht sich ein "Grundrecht auf analoges Leben".