Rohstoffmangel lässt Diebstähle von Katalysatoren deutlich ansteigen

Seltene Edelmetalle verteuern sich mit der steigenden Nachfrage. Das rückt den Katalysator ins Interesse von Dieben – es kommt vermehrt zu "Teilentwendungen". ​

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Das Bild zeigt einen Katalysator aus der Entwicklung, der künftig mit NOx oder Ammoniak aus dem Abgas die Aufspaltung der Stickoxide bewerkstelligen können soll.

(Bild: Forschungszentrum Jülich / J. Dornseiffer)

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  • dpa
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Fast täglich berichten Polizeidirektionen bundesweit von gestohlenen Abgas-Katalysatoren. Als Grund für den Anstieg werden von Experten die hohen Rohstoffpreise für Platin, Palladium und Rhodium genannt. Diese Metalle ermöglichen Reaktionen im Rohabgas, die aus den giftigen Bestandteilen fast vollständig harmlose Stoffe werden lassen. Pro Fahrzeug können sich je nach Alter des Autos und Größe des Motors zwischen drei und fünf Gramm Palladium, Platin sowie Rhodium im Katalysator befinden.

Der Diebstahl von Katalysatoren von Kraftfahrzeugen wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht gesondert erfasst, wie eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen sagte. Auch dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg werden Katalysatoren-Diebstähle nicht angezeigt, wie ein Sprecher mitteilte.

Dennoch lässt sich eine Zunahme erkennen. So bemerkt etwa der ADAC einen deutlichen Anstieg über die vergangenen Jahre. So wurden die Helfer der ADAC-Straßenwacht in diesem Jahr (Stand 7. Dezember) zu 903 Kat-Diebstählen gerufen. Das waren mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2020, als der ADAC zu 420 Diebstählen dieser Art gerufen wurden. In den Vorjahren waren es noch weniger (2019: 169, 2018: 77, 2017: 38).

Die Zahlen des Auto-Clubs zeigen vor allem den Trend, denn Diebstahlsopfer wenden sich eher an die Polizei als an den ADAC. Dass die Zahl der entwendeten Katalysatoren um ein Vielfaches höher liegen dürfte, lässt sich aus einer im Juni 2021 durchgeführten kriminalstrategischen Auswertung des LKA Nordrhein-Westfalen ablesen, nach der im einwohnerstärksten Bundesland seit dem Jahr 2019 stark ansteigende Fallzahlen zu verzeichnen sind. "Dieser Trend setzt sich aktuell verstärkt fort", sagte die LKA-Sprecherin.

Der Auswertung zufolge lagen die Fallzahlen 2019 noch im zweistelligen Bereich, 2020 war es landesweit bereits ein niedriger vierstelliger Wert. Für 2021 zeige sich ein weiterer Anstieg, heißt es. Auch in Niedersachsen wurden dieses Jahr nach Angaben des dortigen LKA bereits mehr als 1000 Mal Katalysatoren aus Autos ausgebaut. Die Fallzahlen seien in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen. Das Bundeskriminalamt schreibt in seinem Bundeslagebild Kfz-Kriminalität 2020, die Entwendung hochwertiger Kraftfahrzeug-Komponenten sei "weiterhin ein lukratives Betätigungsfeld international agierender Tätergruppierungen. (…) Ein Modus Operandi, der im Jahr 2020 in Deutschland vermehrt festgestellt wurde, war die gezielte Entwendung von Katalysatoren meist älterer Kfz, überwiegend im öffentlichen Verkehrsraum."

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat keine Zahlen zum Katalysator-Diebstahl. "Wir erfassen das unter "Teilentwendungen", darunter fallen auch Navis, Radios, Airbags, Entertainmentsysteme, Lenkräder, Bordcomputer und so weiter", sagte ein Sprecher. Im Jahr 2020 gab es demnach rund [Korrektur 29.12.2021: 50.000 statt 5000 wie ursprünglich vermeldet] Fälle solcher Diebstähle, für die die Kfz-Versicherer insgesamt 91 Millionen Euro gezahlt haben.

Die Täter bevorzugen nach Angaben des LKA Nordrhein-Westfalen Kraftfahrzeuge mit Benzinmotoren, denn bei Dieselmotoren wird fast ausschließlich Platin verwendet. Dieses Edelmetall hat derzeit einen geringeren Wert als die Edelmetalle Rhodium und Palladium. Am 21. Dezember wurde Palladium mit rund 52 Euro gehandelt, Platin mit etwa 27 Euro und Rhodium sogar mit knapp 400 Euro. Im Sommer lagen die Preise zwischenzeitlich noch höher.

Vor allem ältere Fahrzeugmodelle, bei denen der Katalysator gut erreichbar in der Mitte des Wagenbodens liegt, seien begehrt, teilte der ADAC mit. Offenbar erweisen sich demnach die Voraussetzungen bei älteren Opel Astra, Toyota Prius und VW Polo als besonders günstig. Bei jüngeren Fahrzeugen ist der Kat hingegen näher am Motor verbaut und damit wesentlich schwerer zu erreichen. Außerdem enthalten Katalysatoren neuerer Modelle weniger Edelmetalle.

Für den Klau bocken die Täter die Fahrzeuge auf, durchtrennen das Abgasrohr vor sowie hinter dem Katalysator, so die Erfahrung des ADAC: "Das Ganze dauert nicht länger als wenige Minuten." Je nach Standort des Fahrzeugs verwendeten die Diebe dabei unterschiedliche Werkzeuge: an lauten Straßen gerne Flex oder Elektrosäge, in ruhigen Wohngegenden die viel leiseren Ketten-Rohrtrenner.

Versichert sind Diebstähle fest eingebauter oder fest mit dem Auto verbundener Teile nach Angaben des GDV über die Teilkaskoversicherung. Nach einem Diebstahl sollten sich Versicherte unverzüglich an ihren Versicherer wenden und den Diebstahl anzeigen.

Jeden Tag unter den Wagen braucht jetzt niemand zu schauen, um einen eventuellen Verlust rechtzeitig zu bemerken: Der Diebstahl ist sofort nach dem Anlassen des Motors unüberhörbar. Weil dann neben der Schalldämpfung auch die Abgasreinigung nicht mehr funktioniert, erlischt bis zum Einbau eines Ersatzteils auch die Straßenzulassung. Ohnehin sollte man mit durchtrenntem Auspuff nicht mehr fahren, um Schäden an den oder durch die Reste der Abgasanlage zu vermeiden.

(fpi)