Abgasnorm Euro 7: Die überschaubare Herausforderung

Die Euro 7 wird mit überschaubarem Mehraufwand erreichbar und wohl erst 2027 Pflicht. Als Grenzwert wird ein Gesamtbudget für eine definierte Strecke definiert.

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Es sieht aus, als habe die Autoindustrie einmal mehr vergeblich den Untergang der Welt und sämtlicher angrenzender Erdteile beschworen. Darin hat sie ja spätestens seit Einführung des Katalysators Übung.

(Bild: Volkswagen/Bosch)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
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Der Verbrennungsmotor bleibt. Die Abgasnorm Euro 7 wird, anders als von der deutschen Industrie und Politik suggeriert, nicht zum Aus von Otto- und Dieselantrieben führen. Ein finaler Entwurf der Europäischen Kommission soll im November 2021 beschlossen werden.

Die tatsächliche Vorgabe wird Ende 2022 im Trilog-Verfahren verabschiedet. In Kraft tritt die Abgasnorm Euro 7 frühestens 2025 oder sogar erst Anfang 2027. Der aktuelle Verhandlungsstand liegt heise Autos vor und würde geringe Anpassungen bei der Emissionsnachbehandlung erfordern: "Pkw mit Verbrennungsmotor werden durch Euro 7 nur marginal teurer werden", fasst Felipe Rodriguez vom International Council on Clean Transportation (ICCT) zusammen.

Der Entwurf für Euro 7 wird entscheidend in der Advisory Group on Vehicle Emission Standards (AGVES) besprochen, der auch der ICCT angehört. Diese wiederum wird von einem Gremium aus Wissenschaft, Wirtschaft und Forschung namens CLOVE beraten.

Wie gehabt stehen die gesundheitsschädlichen Stickoxid- und Partikelemissionen im Fokus der Abgasnorm. Über den Kraftstoffverbrauch und folglich die Kohlendioxid-Flottenemissionen wird im Juni verhandelt. Das eine darf nicht mit dem anderen verwechselt werden. Auffällig bei der aktuellen Norm Euro 6 ist, dass die numerischen Grenzwerte seit dem ersten Aufschlag im September 2014 für neu typgeprüfte Pkw so gut wie unverändert sind. Aber die Bedingungen, unter denen diese Limits eingehalten werden müssen, wurden sukzessive verschärft. Das führte stetig zu einer aufwendigeren Abgasnachbehandlung.

Abgasnorm Euro 7 (4 Bilder)

Die Abgasnorm Euro 7 wird für Dieselmotoren eine bessere Reinigung während der Kaltstartphase erfordern. Eine Lösung dafür sind zwei SCR-Katalysatoren: Ein motornaher, der schnell warm wird, und ein weitere für lange und weite Fahrten. Volkswagen setzt diese Technik bereits flächendeckend ein. Weil so die Harnstoffmenge je Kat dosiert wird (werden muss), nennt Volkswagen das "Twindosing".
(Bild: Volkswagen)

Bei der für alle seit 1. Januar 2021 neu zugelassenen Autos gültigen Euro 6d-ISC-FCM muss zum Beispiel ein Grenzwert von 80 mg/km bei den Stickoxidemissionen von Diesel-Pkw eingehalten werden. Das gilt im Labor unter den im Vergleich zum veralteten NEFZ strengeren Bedingungen des Verfahrens WLTP. Und auch auf der Straße bei den Realemissionen (abgekürzt RDE für Real Driving Emissions) ist lediglich eine Abweichung um den Faktor 1,43 erlaubt. Dieser sogenannte Conformity Factor (CF) steht seit seiner Einführung in der Kritik.

Die Kürzel ISC und FCM werden in Zukunft wichtiger. ISC steht für "In Service Conformity", vereinfacht gesagt für die Funktionsfähigkeit der Abgasnachbehandlung über einen langen Zeitraum. FCM ist das "Fuel Consumption Monitoring", also die Überwachung des Kraftstoffverbrauchs sowie dessen Meldung nach Brüssel.

Im Verlauf der Abgasnorm Euro 6 wurde klar, dass für Dieselmotoren hauptsächlich die Stickoxidemissionen problematisch sind. Bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung dagegen haben die Grenzwerte bei den Partikelemissionen – meist Feinstaub genannt – einen Filter gewissermaßen erzwungen. Es steht den Herstellern technisch frei, wie sie die Grenzwerte einhalten – solange sie dies eben tun.

Der aktuelle Verhandlungsstand zur Abgasnorm Euro 7 sieht ein geändertes Verfahren zur Erhebung der Emissionen vor. Statt wie bisher einen Grenzwert pro Kilometer zu haben, wird es ein bestimmtes Budget über eine definierte Strecke geben. Das Messlabor nach WLTP wird lediglich für die CO2-Werte weiter relevant sein. Für Euro 7 aber bekommen die Realwerte nach RDE eine neue Bedeutung. Es gibt keinen Conformity Factor mehr, und allein die Straßenergebnisse zählen.

Derzeit werden zwei Szenarien diskutiert: Auf einer 16 km langen Strecke dürfen in einer strengeren Version 20 mg/km Stickoxide (NOx) ausgestoßen werden – aber eben auf die komplette Distanz gerechnet. Es ergeben sich in Summe 320 mg NOx über den kompletten Rundkurs. In einer etwas lascheren Ausführung sind es 30 mg/km, woraus insgesamt 480 mg resultieren.

Das Problem ist im Regelfall die Ultrakaltstartphase, also die ersten Minuten der Fahrt. Hier entstehen besonders hohe Emissionen, weil die Arbeitstemperatur für die Entstickung noch nicht ausreicht. Die Hersteller könnten nun zum Beispiel entweder zu Beginn höhere Werte in Kauf nehmen, die dann über die Strecke kompensiert werden oder umgekehrt.