Rückblick: Erneuerbare Energie - Wind, Photovoltaik, Verbrauch

Wer am Ende des Jahres noch ein paar gute Nachrichten braucht: Die Erneuerbaren haben neue Höchststände erreicht, der Stromverbrauch neue Tiefststände.

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Windräder in der Hemelinger Marsch.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Anteil der Erneuerbarer Energien an der Netto-Stromerzeugung ist gegenüber dem Vorjahr um fast zehn Prozentpunkte auf 60 Prozent gestiegen. Das korrespondiert auf den ersten Blick mit einer anderen Rekordmeldung: Über 13 Gigawatt Photovoltaik-Leistung wurde in diesem Jahr zugebaut – fast doppelt so viel wie im bisherigen Rekordjahr 2011 (7,9 GW). Besonders stark war der Zuwachs bei Gebäudeanlagen bis 20 kWp. Der Zubau an Windkraft war hingegen kaum der Rede wert.

(Bild: energy-charts.info)

Wenn man sich aber anschaut, wer welchen Anteil an der tatsächlichen Stromerzeugung hatte, ändert sich das Bild: Onshore-Windkraft konnte um gut 16 Prozent zu legen, Photovoltaik nur um knapp 2 Prozent. Ist ja auch logisch: Ein Großteil der neuen PV-Leistung wurde erst im Laufe des Jahres installiert, konnte also im laufenden Jahr noch nicht so viel Strom liefern.

öffentl. Nettostromerzeugung (TWh) 2022* 2023** Veränderung
gesamt 474,6 421,6 -11,2 %
davon Onshore-Wind 92,0 107,2 16,5 %
davon Offshore-Wind 23,5 22,3 -5,2 %

*Stand: 19. Dezember 2022 **Stand: 21. Dezember 2023; Quelle: energy-charts.info

Der eigentliche Grund für den hohen Anteil der Erneuerbaren war allerdings der insgesamt gesunkene Verbrauch. Betrug er im Vorjahr noch 482 Terawattstunden, lag er bis zum 21. Dezember rund 40 TWh darunter. Es werden bis Jahresende zwar noch ein paar Terawattstunden hinzukommen, aber der Vorjahreswert dürfte sicherlich unterboten werden.

Parallel dazu kippte 2023 die Handelsbilanz für Strom ins Negative. Lieferte Deutschland 2022 unter dem Strich noch knapp 23 Terawattstunden an überschüssigem Strom ins Ausland, importierte es 2023 erstmals seit Jahren mehr Strom, als es ausführte.

Export 2019 2020 2021 2022 2023*
netto, TWh 35,2 18,5 17,8 26,8 -13,8

* Stand: 21. Dezember

Die Handelsbilanz mit Frankreich, das in den Vorjahren regelmäßig sehr viel Strom aus Deutschland bezog, ist nun leicht negativ. Die wichtigsten Importländer für Deutschland waren Dänemark und Norwegen.

(Bild: energy-charts.info)

Eine spannende Frage beim Ausbau der Erneuerbaren ist immer die nach der Residuallast – also dem Anteil der Last, der durch nicht-fluktuierende Erzeuger gedeckt werden muss, wenn Wind und Sonne schwächeln. Dies ist sozusagen die Achillesferse der Energiewende: Egal, wieviel Wind- und Solarleistung installiert ist – bei kompletter Dunkelheit und Windstille nutzt sie nichts. Tatsächlich sank die maximale Residuallast 2023 erstmals seit Jahren auf unter 70 Gigawatt, vermutlich wegen der insgesamt geringeren Last.

Erneuerbare und Last 2019 2020 2021 2022 2023*
max. Residuallast (GW) 74,9 72,2 70,7 71,4 66,9
Anteil EE Erzeugung (%) 44,8 49,5 45,1 49,3 58,9
Anteil EE Last (%) 50,1 50,1 44,8 50,2 55,8

* Stand: 21. Dezember; Quelle: energy-charts.info

Ein Blick auf die Einspeisung von Wind und Sonne offenbart Überraschendes. Sowohl auf der Nordsee als auch auf der Ostsee fiel die Offshore-Windkraft zeitweise komplett aus – beispielsweise am 25. Juni um 6:45 Uhr. Auch in den Vorjahren war dieses Phänomen zu beobachten. An Land lieferten die Windräder hingegen auch in den schwächsten Phasen nie weniger als rund 120 Megawatt. Dabei gilt die Windkraft zur See eigentlich als relativ zuverlässige Energiequelle. Was die durchschnittliche Zahl der Volllaststunden betrifft, stimmt das erfahrungsgemäß auch. Aber als Absicherung gegen Dunkelflauten sollte man offenbar nicht zu sehr auf die Offshore-Windkraft setzen. Hier schlägt die breitere geographische Verteilung von Windrädern an Land derzeit noch den tendenziell gleichmäßigeren Wind auf See.

Nach einem chaotischen Jahr 2022 haben sich die wüsten Ausschläge der Strombörse wieder einigermaßen eingefangen. Der Durchschnittspreis sank um knapp 60 Prozent auf knapp 95 Euro/MWh (Day Ahead Auction, volumengewichtet). Keine erkennbare Auswirkung darauf hatte übrigens die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke.

(Bild: energy-charts.info)

Wer nun meint, zumindest die Sonnenenergie sei nun ein Selbstläufer, muss zum Schluss doch noch ein paar schlechte Nachrichten schlucken – höhere Zinsen und erratische Förderpolitik bremsten die PV-Nachfrage wieder. Firmen wie bei Energieversum und Solarwatt mussten Stellen kürzen, der Anlagenbauer Eigensonne Insolvenz anmelden. „Das fulminant gestartete Jahr 2023 endet damit für die Solarbranche in einem Scherbenhaufen“, kommentiert das Onlineportal energie-experten.org.

(grh)