Schule Digital: Lernplattformen und die zu geringen Bandbreiten der Politik

Seite 3: Was brauchen wir? IT-Bausteine für die Schule: Lernplattformen, Lernmanagementsysteme

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Dem gegenüber sind die sogenannten Lernplattformen oder Lernmanagementsysteme (LMS), beide Begriffe werden weitestgehend synonym verwendet, rein webbasiert und haben mit der in Schulen oder zuhause genutzten Hardware prinzipiell nichts zu schaffen. Für den Zugriff auf ein LMS ist seitens der Lehrenden und Lernenden lediglich ein Browser notwendig.

Anders als die Schulserverlösungen, die die Organisationsabläufe in der Schule managen helfen, dienen LMS-Systeme in erster Linie der Unterstützung kooperativer Lehr- und Lernmethoden und der Gestaltung der Lernprozesse selbst. Sie bringen lernende und lehrende Personen in virtuellen Kursräumen mit Arbeitswerkzeugen und digitalen Lernmedien zusammen, bilden Lehr- und Lernpfade in steuerbaren Webseiten ab und organisieren den zeitlichen Ablauf der Lernprozesse in einer sehr viel feineren Rasterung, als dies eine Schulserverlösung oder eine Groupware vermag. Sie sind gewissermaßen Editoren für die Gestaltung von Lernprozessen und zugleich Medien zu deren Durchführung. Hierzu gehören die Abfassung und Zuweisung von Übungs- und Lernaufgaben, das Management von Rückmeldungen, Fragen und Abgaben. Ihnen galt zu Beginn der Pandemie die größte Aufmerksamkeit, da sie als Cockpits für das Distanzlernen am besten geeignet sind.

Es ist daher völlig unsinnig, etwa IServ mit zum Beispiel Moodle zu vergleichen, da beide Systeme unterschiedliche Leistungsschwerpunkte haben. Im Gegenteil, Moodle gibt es nicht selten als Software-Modul, das an einer Schulserverlösung angedockt werden kann.

Moodle, "Modular Object-Oriented Dynamic Learning Environment", ist mit 245 Millionen Nutzer:innen in 251 Ländern das weltweit beliebteste, bekannteste und am weitesten verbreitete LMS, das neben Schulen auch von vielen Hochschulen, Universitäten und weiteren Einrichtungen der Erwachsenenbildung genutzt wird. Die Software gibt es seit 2002, sie steht unter einer GNU General Public License und ist damit Open Source und kostenlos. Zum Betrieb wird ein Serversystem benötigt, auf dem die Skriptsprache PHP sowie ein Datenbanksystem wie MySQL zur Verfügung stehen, ähnliche Voraussetzungen wie für viele Content Management Systeme (CMS). Moodle sieht unspektakulär aus, seine Beliebtheit erklärt sich durch seine hohe Flexibilität, es sind für viele Aufgaben eine große Anzahl von PlugIns verfügbar, die per Schnittstellen an das System angedockt werden können.

Das in seinen Möglichkeiten vergleichbare Itslearning ist ein erstmals 1999 erschienenes kommerzielles Produkt eines Startups aus Bergen, Norwegen, das mittlerweile zur finnischen Sanoma-Unternehmensgruppe gehört. Das LMS Itslearning – so die Philosophie des Produkts - soll durch seine intuitive Benutzeroberfläche auch weniger erfahrenen Nutzer:innen ermöglichen, mit vertretbarem Zeitaufwand Unterrichtskonzepte und Blended Learning Projekte umzusetzen. Es findet sogar in Hochschulen Anwendung, gilt darüber hinaus aber auch als besonders geeignet für Grundschulen.

Neben Itslearning und Moodle gibt es noch weitere in Deutschland verbreitete Lernmanagementsysteme, so zum Beispiel WebWeaver, [Update, 09.06.2021, 8:15 Uhr] eine privatwirtschaftlich entwickelte, mittlerweile "by Design" skalierbare Software der DigiOnline GmbH. Lizenzen für das Produkt wurden schon früh unter anderem vom Schweizer Bildungsserver, vom Land NRW und vom Projekt Schulen ans Netz erworben. [/Update] Mittlerweile gibt es andersherum Ergänzungsmodule zu LMS, die die Verwaltung von Endgeräten (MDM) ermöglichen.

Darüber hinaus kommt neben reinen, speziell für didaktische Zwecke entworfenen Lernplattformen in weiterführenden Schulen und Berufskollegs nicht selten und gewissermaßen als Ersatz für LMS Groupware zum Einsatz. Hierbei wird online und browserbasiert die gesamte Palette der Funktionen eines Office-Paketes angeboten, Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationssoftware, also Lesen/Schreiben, Rechnen und Präsentieren. Recht weit verbreitet ist Microsoft 365, bzw. Office 365 sowie Microsoft Teams, das neben einem Messenger auch Videokonferenzen bietet. Die Firma regioIT aus Aachen bietet eine modular aufgebaute Lernplattform ucloud4schools, in die eine Online-Version des Open Source Officepaketes Libre Office integriert ist. Die G-Suite von Google wird ebenfalls genutzt.

Bis hierhin hängt die Ausstattung der Schulen wesentlich vom politischen Willen der Lehrerkollegien, Schulträger und Kommunen sowie der finanziellen Leistungsfähigkeit der Schulträger, der Kommunen und der schulischen, meist elternbetriebenen Fördervereine ab.

Es erklärt sich somit von selbst, warum auf der einen Seite Schulen in privater Trägerschaft oder in finanziell besser gestellten Kommunen hier bezogen auf das Digitale besser aufgestellt sind als staatliche Schulen in Kommunen, die sich aufgrund schlechter Finanzlagen in einem Haushaltssicherungskonzept befinden. Aufgrund der verfassungsmäßig garantierten Chancengerechtigkeit ist es Aufgabe des Staates, hier gegenzusteuern und ein Chancengefälle auszugleichen.

Hier kommen die Länder und auch der Bund ins Spiel. Es gehört zu den gesetzlich festgelegten Aufgaben der Kultusministerien, einerseits Vorschläge und Vorgaben zur Schulausstattung zu machen und andererseits pädagogische Richtlinien festzulegen. Insofern galt das Interesse der Landespolitiken schon früh den Systemen zur Organisation von Schule und Lernen, dem IT-gestützten Schulmanagement und den Lernplattformen. Seit es Lernmanagementsysteme gibt, existieren unterschiedliche Bestrebungen der Landesregierungen, derartige Systeme den Schulen im jeweiligen Land bereitzustellen. Meist waren dort die "großen Lösungen" als landesweite Bildungsplattformen politisch gewünscht und wurden entsprechend vollmundig angekündigt, mit einem Lernmanagementsystem als zentralem Dienst, um das sich weitere Dienste gruppieren wie zum Beispiel eine Plattform zur Bereitstellung von digitalen Bildungsmedien, ein Office-Paket, etc.

Hierbei kam es schon im Entwicklungsstadium zu gravierenden Fehlern, ungeklärte Fragen des Datenschutzes und Anhäufungen von technischen oder Management-Problemen führten zu erheblichen Verzögerungen, so dass man durch die Pandemie kalt erwischt wurde. Dies galt insbesondere für Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Beim Regierungswechsel von Rot-Grün nach Schwarz-Gelb nach der Landtagswahl 2017 in NRW übernahm die neue Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) das unvollendete Projekt LOGINEO von ihrer Vorgängerin Sylvia Löhrmann (Bündnis90/ Die Grünen). Aufgrund "gravierender Sicherheits- und Datenschutzmängel" und nachdem schon in der Vorgängerregierung mehrere Ankündigungsrunden dazu führten, das man in vielen Kommunen wiederholt entschied, auf das System LOGINEO zu warten, anstatt eigene Lösungen in Angriff zu nehmen, musste im Herbst 2017 der Start erneut verschoben werden. Der landesweite Rollout von LOGINEO erfolgte schließlich im November 2019, also kurz vor Beginn der Pandemie und zunächst nur als Schulorganisations- und Verwaltungsplattform ohne Lernmanagementsystem.

Vergleichbares geschah in Baden-Württemberg. Bereits 2017 vereinbarten das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, die Landesoberbehörde IT-Baden-Württemberg BITBW und die Kommunale Informationsverarbeitung Baden-Franken KIVBF, die digitale Bildungsplattform Ella innerhalb von vier Monaten zu erstellen. Bestandteile des Systems sollten eine E-Mail-Lösung, eine Speichersoftware, ein Office-Paket, ein Konferenzsystem und ein Lernmanagementsystem sein, mit einer für 2019 in der letzten Ausbaustufe anvisierten Kapazität für 1,5 Millionen Nutzer:innen. Ein Gutachten des Landesrechnungshofes Baden-Württemberg kommt im August 2019 zu einem vernichtenden Urteil zur Steuerung und finanztechnischen Abwicklung des Projekts. Man hatte bis dato faktisch nur mit Steuergeldern bezahlte Rechnungen und einen Haufen gekaufte Hardware vorzuweisen.