Schule Digital: Lernplattformen und die zu geringen Bandbreiten der Politik

Seite 6: Skalierbarkeit und Dezentralität, zwei Schlüssel zur Zukunft einer kritischen Infrastruktur

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Das Statistische Bundesamt vermeldet im Schuljahr 2019/2020 in Deutschland 8.326.884 Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen und 2.417.004 Schülerinnen und Schüler an Berufskollegs und berufsbildenden Schulen. Wer über die digitale Bildungsinfrastruktur in Deutschland nachdenkt, dem muss klar sein, dass die Gesamtarchitektur von vornherein für die Größenordnung 11 Millionen passen muss. Es bringt auch gar nichts, immer neidisch nach Estland zu blicken unter dem Verweis, wie weit die da doch mit der Digitalisierung sind. Estland hat weniger Einwohner als München. Da reichen eine Handvoll Moodle- und Itslearning-Instanzen.

Die Frage muss also lauten, was brauche ich für 11 Millionen Nutzerkonten? Wie muss ich die Services organisieren? Welche Lernplattformen sollen zum Einsatz kommen und wie strukturiere und verwalte ich das so, das nicht gleich die Welt untergeht, wenn mal ein größeres Rechenzentrum abbrennt? Oder wie fahre ich die zur Verfügung gestellten Dienste bedarfsangepasst herauf, wie skaliere ich nach oben, wenn aufgrund einer Pandemie Schulen schließen müssen und plötzlich Distanzlernen gefragt ist? Neben den LMS-Systemen betrifft dies ganz besonders Videokonferenzlösungen. Eine weitere Voraussetzung ist: Die Software muss dazu geeignet sein!

Bei der Skalierbarkeit von Videokonferenzlösungen haben amerikanische Systeme die Nase vorn. Zu denen gibt es aber erhebliche Vorbehalte zum Datenschutz. Ein Test der Berliner Datenschutzbeauftragten Mitte 2020 ergab, dass einige der Anbieter, die technisch ausgereifte Lösungen bereitstellen, die datenschutzrechtlichen Anforderungen bisher nicht erfüllen, darunter MS Teams, Skype, Zoom, Google Meet, GoToMeeting und Cisco WebEx. BigBlueButton (BBB), und Jitsi sind – auf den ersten Blick – echte Open Source-Alternativen. BBB bietet mehr Funktionen, benötigt aber mehr Ressourcen und lässt sich nur blockweise skalieren, Jitsi ist besser skalierbar und schlanker, aber im Grunde auch nicht für eine Skalierung entworfen.

Selbstverständlich kann man nach Bedarf pro BBB oder Jitsi-Instanz oder für weitere Moodle-Schulen neue sogenannte virtuelle Maschinen, VMs, in der Cloud "daneben" stellen. Das ist aber keine echte Skalierung, sondern eine besondere Form von Ressourcenverschwendung. Wirklich zu skalieren, das bedeutet, eine Software gewissermaßen in ihre Funktionsbestandteile zu zerlegen, und nur für diejenigen Funktionen, die gerade von besonders vielen Nutzer:innen benötigt werden, die bereitzustellende Rechnerleistung dynamisch heraufzufahren. Nehmen wir an, zwischen 15 und 17 Uhr ist Hausaufgabenzeit mit Abgaben. Die Lernplattform, das LMS muss in diesem Zeitfenster besonders viele Schreibvorgänge in Datenbanken hinein abarbeiten. Am Vormittag desselben Tages waren die Videokonferenzen und die Chatkanäle dran, etc.

Itslearning kann das. Moodle von Hause aus nicht, die Software muss dazu „angefasst“ werden. Fachmenschen, die so etwas können, die sich zum Beispiel mit der Orchestrierung von verschiedenen Software-Services mit dem Open Source-System Kubernetes auskennen, mit Docker-Containern und Microservices, sind sehr gefragt und erhalten dementsprechend hohe Tagessätze.

Die gesamte Bildungsinfrastruktur kann dann als eine verteilte Struktur aufgesetzt werden, an der große und kleine Cloud-Anbieter und Betreiber von Rechenzentren der öffentlichen Hände gleichermaßen und entsprechend ihrer jeweiligen Kapazitäten beteiligt werden können. Das europäische Projekt zur Datensouveränität, GAIA-X sowie auch die Open Telekom Cloud der deutschen Telekom weisen in die richtige Richtung, und dies nicht nur technisch, sondern auch unter Gesichtspunkten des Datenschutzes und dem Schutz des Gemeinwohls in Europa, wie die Fragen nach der US-Gesetzgebung und den Praktiken der großen IT-Multis zeigen.

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