Schule digital: Die Not schleift den Datenschutz
Seite 2: Beispiel München – viel Uneinigkeit
Auch der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri will nicht viel länger ein Auge zudrücken. Die Crux im Freistaat ist, dass das Schulportal des bayerischen Kultusministeriums Mebis keine Videokonferenzen ermöglicht. In vielen bayerischen Schulen kam daher eine reduzierte Teams-Variante zum Einsatz, mit der etwa das Aufzeichnen von Videos nicht möglich war. Dennoch gibt es nach wie vor datenschutzrechtliche Bedenken gegen das Programm von Microsoft.
Zumindest in München erteilte die Stadtwerke-Tochter LHM-Services den Zuschlag zu ihrer Ausschreibung für eine Kommunikations- und Kollaborationsplattform im Herbst an T-Systems. Die Tochter der Deutschen Telekom soll demnach die Schulen mit Webex von Cisco ausstatten. Das Programm ist in anderen Verwaltungsbereichen bereits im Einsatz.
Dagegen gibt es Protest aus verschiedenen Ecken. "In der jetzigen Situation ist Teams das einzig Richtige", erklärte Julia Schönfeld-Knor, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, der Süddeutschen Zeitung. Der Vorsitzende des Münchner Lehrerverbands, Martin Schmid, gab zu bedenken, dass jedes Dax-Unternehmen Teams nutze. Für ihn bleibt so unverständlich: "Die Eltern arbeiten damit, aber die Kinder dürfen es nicht." LHM-Services-Chef Martin Janke ließ durchblicken, man wolle Teams behalten, so lange es datenschutzrechtlich gehe.
Open Source noch nicht "verinnerlicht"
Die grün-rote Koalition im Stadtrat beantragte dagegen im September, von 2022 an ein Open Source-Produkt als stadtweites VKS auszuwählen. Gegenüber der Interimslösung Webex bestünden "massive datenschutzrechtliche Bedenken", da Cisco Nutzer- und Metainformationen in die USA weiterleite und keine nachvollziehbare Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erfolge. Dass nun trotzdem Webex auch an Schulen verwendet werden soll, sei nicht im Sinne der Grünen, moniert deren IT-Koordinatorin Judith Greif.
Videos by heise
Bislang habe die LHM-Services im Wesentlichen allein entscheiden können, erläutert Greif deren Beschluss. Seit Anfang März sei aber das IT-Referat für die "technische Steuerung" des Dienstleisters zuständig. Die Stadträtin hofft daher über diese neue Verantwortlichkeit künftig mehr Einfluss auf die Beschaffung dort nehmen und – im Sinne der aktuellen Stadtratslinie – vor allem auch den Einsatz von Open Source verankern zu können. Da das IT-Referat bislang den Gedanken freier Software aber nicht "nennenswert verinnerlicht hat", bleibe bis dahin noch ein weiter Weg.
Spiel auf Zeit?
Langsam mahlen die Mühlen auch in Bezug auf ein Gutachten des Nürnberger Rechtsanwalts Oliver Rosbach, wonach MS 365 "in erheblichem Umfang Daten an Microsoft" übermittelt und so eine breite Überwachung des Anwenders ermöglicht. Trotzdem hatten Schulen in der Frankenmetropole den Einsatz des Office-Pakets ausgeweitet und eine Zustimmungserklärung der Eltern verlangt.
Rosbach schickte die Analyse in Form einer Beschwerde auch an den Landesdatenschützer. Dieser versuche jedoch "durch überspezifische Nachfragen eine Bearbeitung hinauszuzögern", moniert der Anwalt. Er hat deswegen bereits Klage am zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht. Die Antworten Petris stammten bisher "sichtlich zum größten Teil aus einem Serienbrief", der sich mit der Nutzung von Teams in Bayern befasse, nicht mit MS 365 in Nürnberg.
Das Spielen auf Zeit privilegiere Microsoft, glaubt Rosbach. Es werde im Hintergrund offensichtlich viel "verhandelt und verändert". Zumindest eine angeschriebene Schule habe wegen einiger Hinweise und fehlender Zustimmung jetzt aber auf die Open-Source-Videolösung BigBlueButton (BBB) umgestellt.
[Update 16.4.2021 17 Uhr] Bayerns Kultusministerium hat eine neue (und bisher unbekannte) Videokonferenzlösung für alle Schulen angekündigt. Visavid soll Ende des Monats starten. Teams läuft in einer Übergangsfrist noch bis zum Sommer.