Schule digital: Die Not schleift den Datenschutz

Seite 3: Das Ländle und Frau Eisenmanns Hinwendung zu MS 365

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In Baden-Württemberg gestaltet sich der Schlagabtausch über Microsoft an Schulen nach wie vor am heftigsten. Das Ländle will in diesem Jahr einen Ersatz für die 2018 als gescheitert erklärte Bildungsplattform Ella zum Laufen bringen. Kultusministerin Susanne Eisenmann, die nach ihrer Niederlage als CDU-Spitzenfrau bei der Landtagswahl keinen Kabinettposten mehr anstrebt und das Amt nur noch übergangsweise ausübt, drängte dabei auf den Einbezug von MS 365.

Nach vielerlei Einwänden nicht nur von Eltern und Lehrern, die um die Privatsphäre vor allem der Schüler besorgt waren, einigten sich der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink und Eisenmann auf ein mehrwöchigen Probebetrieb an 29 Berufsschulen. Dabei sollte geklärt werden, ob die Bürosuite von Microsoft im Bildungsbereich datenschutzkonform verwendet werden kann. Brink witterte dabei nach wie vor "erhebliche Unwägbarkeiten", sah aber auch Lern- und Anpassungsbereitschaft bei Microsoft, bei der Datensparsamkeit und den Nutzerrechten nachzubessern.

Zahlreiche Verbände und Vereine liefen Im Januar trotzdem erneut Sturm gegen den Einsatz von Microsoft-Produkten auf der Bildungsplattform. Dieser Plan des Kultusministeriums sei wegen mangelhaften Datenschutzes abzulehnen, teilten unter anderem der Landesschülerbeirat, der Landeselternbeirat, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Philologenverband und Arbeitsgemeinschaften Gymnasialer Elternbeiräte mit. Auch die Gesellschaft für Informatik, der Chaos Computer Club (CCC) Stuttgart, Digitalcourage und die Verbraucherzentrale unterstützen das Anlegen.

Aus Sicht der 19 Organisationen sind Open-Source Lösungen wie Moodle, Nextcloud und BBB für den digitalen Unterricht vorteilhafter. Das Land müsse die digitale Souveränität behalten. Schüler früh auf Microsoft-Software zu eichen, laufe ferner der angestrebten Medien- und Verbraucherbildung junger Menschen zuwider. Es droht ein Lock-In-Effekt.

"Das Pilotprojekt ist am 30. November 2020 gestartet und verlief planmäßig", erläuterte eine Sprecherin Eisenmanns nun. Die vorgenommenen Voreinstellungen der eingesetzten Version von MS 365 "resultierten aus den Anforderungen des Datenschutzes und der Informationssicherheit". Derzeit laufe die Auswertung, die mit dem Landesdatenschutzbeauftragten abgestimmt werde. Schon aus zeitlichen Gründen sei eine Entscheidung über das weitere Vorgehen in der nun ablaufenden Legislatur nicht realistisch. Die neue Landesregierung wolle rasch ihre Arbeit aufnehmen.

Brink gab an, die Ergebnisse des Tests in den kommenden Wochen vorlegen zu wollen. Er unterstrich, dass generell in Baden-Württemberg Schulen die Open-Source-Plattform Moodle mit BBB empfohlen werde. Diese kostenlos verfügbare Kombi "lässt sich datenschutzkonform betreiben". Bei Video- und Tonübertragungen aus dem häuslichen Umfeld müsse neben den erforderlichen Rechtsgrundlagen zusätzlich berücksichtigt werden, "dass dieser Bereich besonders geschützt ist". Ein VKS sei möglichst datensparsam zu konfigurieren. Mikrofon und die Kamera müssten durch den einzelnen Benutzer gesteuert ein- und ausschaltbar sein.

Bei der Aufsichtsbehörde im Ländle gingen allein im vergangen Jahr rund 200 schriftliche Eingaben zum Datenschutz an Schulen ein, dazu "unzählige telefonische Anfragen". Darunter seien 33 Beschwerden im Sinne der DSGVO gewesen. Die daraufhin eingeleiteten Prüfungen hätten "teilweise ein differenziertes Bild ergeben", wobei eventuell nicht datenschutzkonformes Handeln "abgeholfen" worden sei. Bei Eingaben gegen Produkte hätten sich diese auf Zoom, IServ und Microsoft Office sowie Teams gerichtet.

Grundsätzlich hält Brink einheitliche Lösungen für sinnvoll, wie sie das Kultusministerium anstrebe. Dies könne Schulen mehr Rechtssicherheit bieten, da die technisch-organisatorischen Maßnahmen zentral geprüft und verwaltet werden könnten. Verantwortlich blieben aber immer die Bildungseinrichtungen selbst. Auch bei zentralen Lösungen müsse darauf geachtet werden, dass nur die einzelne Schule Zugriff auf die Schülerdaten haben dürfe und zentrale Stellen wie das Land nur im Rahmen einer Auftragsdatenverarbeitung die Technik datenschutzkonform zur Verfügung stellten.

In anderen Bundesländern werden die Kontroversen nicht weniger erhitzt ausgefochten.