Schule digital: Die Not schleift den Datenschutz
Darf's noch ein bisschen Teams oder Zoom für die Schule sein? Eigentlich vertreten die Datenschutzbeauftragten hier eine klare Linie, aber es wird abgewichen.
Laut einer repräsentativen Umfrage, die der IT-Verband Bitkom im Januar durchführen ließ, fordern neun von zehn Deutschen (88 Prozent), dass die strengen Datenschutzstandards hierzulande und in Europa während der Corona-Pandemie "zumindest vorübergehend angepasst werden". Dies sei nötig, um digitalen Unterricht zu ermöglichen beziehungsweise zu erleichtern.
Der Datenschutz sei in Phasen des ständigen oder teilweisen Distanzunterrichts im vergangenen Jahr vollends zum "Aufregerthema" avanciert, bestätigt Jürgen Böhm. Auf die Palme brachte den Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR) im vorigen Juni vor allem, dass der Thüringer Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse Lehrkräften Klagen angedroht habe, sollten sie Lösungen einsetzen, die nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar sind. Dessen Behörde prüfte im Sommer mögliche Datenschutzverstöße von Lehrern im Zuge von Homeschooling. Auch Bußgelder seien nicht ausgeschlossen, hieß es damals. Die Höhe der Strafen bewege sich in der Regel zwischen 100 und 1000 Euro.
Das Kultusministerium habe zwar eingegriffen, sodass es zu keinen Verurteilungen gekommen sei, weiß Böhm. Trotzdem habe Hasse mit seinem Ansinnen das erforderliche Augenmaß vermissen lassen. Zumindest im laufenden Schuljahr könnten Plattformen, die an Schulen derzeit in Betrieb seien, "nicht eingestampft werden". Der andauernde Streit um den Datenschutz zeige, "dass es rechtssichere Kommunikationslösungen geben muss".
Temporäre Duldungen von Teams
Stein des Anstoßes ist vor allem Microsoft Office 365 beziehungsweise die zugehörige Videokonferenzsoftware Teams. Die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern (DSK) entschied im Herbst 2020 mit einigen abweichenden Stimmen, dass der Einsatz von Microsoft Office 365 inklusive Teams nicht den Vorgaben der DSGVO genügt. Microsoft erfülle die Ansprüche an Auftragsverarbeiter nicht, urteilte das Gremium. Vieles sei zu vage, ein US-Zugriff auf verarbeitete Daten nicht ausgeschlossen. Dies sei vor allem im Lichte des "Schrems-II-Urteils" des Europäischen Gerichtshofs und dem damit verknüpften Aus für den transatlantischen Privacy Shield nicht tragbar.
Landesdatenschützer etwa in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sprachen voriges Jahr während der ersten Corona-Welle aber temporäre Duldungen für Teams aus, um kurzfristigen Homeschooling-Plänen nicht in die Quere zu kommen. Der neue hessische Datenschutzbeauftragte Alexander Roßnagel erinnerte jüngst daran, dass diese Nachsicht gegenüber Videokonferenzsystemen (VKS) US-amerikanischer Anbieter unweigerlich auslaufe. Die Ausnahme sei im August nur deswegen einmalig verlängert worden, weil das Hessische Kultusministerium (HKM) den Schulen bis zum Beginn des laufenden Schuljahres kein landeseinheitliches, datenschutzkonformes VKS zur Verfügung haben stellen können.
Kein Auge mehr zudrücken
Eine weitere Verlängerung stehe auch beim HKM nicht auf der Agenda, berichtete Roßnagel. Es sei davon auszugehen, dass bis zum Sommer nun eine neue Anwendung zur Verfügung stehe, "die sowohl den technischen als auch den datenschutzrechtlichen Anforderungen entspricht". Um welche es sich handle, stehe noch nicht fest. Er gehe aber davon aus, dass das HKM die Schulen zu gegebener Zeit über die entsprechenden Modalitäten informieren werde.
Im Süden Deutschlands zeichnen sich hingegen noch andere Kämpfe um datenschutzfreundliche Lösungen ab.