Schulen ganz anders: Die MINTmacher

fabUNITY, Open Roberta, MAKEitREAL heißen außerschulische Initiativen für MINT-Fächer. Was machen sie anders als Schulen?

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Bei „Coaching4Future“ schlüpfen Jugendliche in die Rolle von Start-up-Gründern.

(Bild: Baden-Württemberg Stiftung gGmbH)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Boris Hänßler
Inhaltsverzeichnis

Lehrer und Lehrerinnen haben verschiedene Möglichkeiten, Schülern den Mikrocontroller "Calliope mini" vorzustellen. Sie können ihn auf den Tisch legen und erklären, welches Bauteil welche Funktion hat. Oder sie können auf eine Topfpflanze am Fenster zeigen und fragen: "Wie könnte man erfahren, ob diese Pflanze genug Licht abkriegt?"

Ob in Theorie oder Praxis erklärt – es braucht dafür gut ausgebildete Lehrkräfte, und die sind rar. Eine Studie von Bildungsforscher Klaus Klemm und der Deutschen Telekom Stiftung ergab Anfang 2021, dass nur ein Drittel der benötigten Lehrkräfte für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) ausgebildet werden. Zahlreiche Initiativen von Vereinen und Unternehmen wollen diese Lücke schließen. Sofern die Wirtschaft dahintersteht, darf man annehmen, dass diese Nachhilfekurse wirtschaftlichen Interessen dienen. Trotzdem haben sie ihre Berechtigung, da Schulen die Vielfalt der Berufsfelder nicht vermitteln können und oft zu weit vom Alltag der Kinder entfernt sind.


Dieser Artikel stammt aus Ausgabe 04/2021 MIT Technology Review (als pdf bestellen). Das Heft beschäftigt sich als Sonderheft mit der Zukunft der Arbeit.


Coaching4Future ist eine Initiative der gemeinnützigen BadenWürttemberg Stiftung, des Arbeitgeberverbands Südwestmetall und der Bundesagentur für Arbeit. Das Programm richtet sich an alle weiterführenden Schulen im Bundesland. Es will die Vielfalt von MINT-Berufen zeigen und dabei Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten vorstellen. Dazu kommen beispielsweise zwei junge Coaches mit einem Multimedia-Vortrag, Exponaten und kleinen Experimenten in die Klassenzimmer.

Zudem gibt es zwei Lern-Trucks, die für drei Tage vor einer Schule stehen. Einer behandelt den Einfluss der Digitalisierung auf die Berufswelt, der andere den Wandel der Ingenieurberufe und die Bedeutung von IT. Die Jugendlichen übernehmen dann die Rolle von Start-up-Gründern, die ein neues Produkt herstellen wollen. Dafür stehen ihnen fünf Arbeitsstationen zur Verfügung. An der Station "Entwurf und Design" scannen sie Objekte ein, um sie mit einer CAD-Anwendung zu bearbeiten. An weiteren Stationen gibt es unter anderem einen Industrieroboter und eine smarte Abfüllanlage. Dabei sollen sich die Schülerinnen und Schüler auch überlegen, welche Berufe sie für die einzelnen Prozessschritte benötigen.

Das "ScienceLab" bringt etwa 40 bis 50 ehrenamtliche "Kursleiter" (Stand: Mai 2021) deutschlandweit an Schulen, um mit Kindern im Kindergarten-, Grund- und Mittelschulalter zu experimentieren. Es geht um alltägliche Fragen wie: Was sprudelt im Wasser? Warum ist der Regenbogen bunt? Und wie kommen Geräusche zu uns?

Um letzteres herauszufinden, bekommt ein Kind die Augen verbunden. Trotzdem kann es noch in die Richtung zeigen, in der ein anderes Kind sitzt und in die Hände klatscht. Lassen sich Geräusche vielleicht auch spüren? Die Kinder halten einen Luftballon vor den Mund und sprechen ein langgezogenes "Ah" aus. Dabei spüren sie mit ihren Händen die Vibrationen der Ballons – was zu zeigen war.

Artikelserie "Schule digital"
Artikelserie "Schule digital II"

Wie sollte die Digitalisierung in unseren Schulen umgesetzt werden? Wie beeinflusst die Coronavirus-Pandemie das Geschehen? Was wurde im Schuljahr 2020/2021 erreicht - wie ging es 2021/2022 weiter? Das möchte unsere Artikelserie beleuchten.

Ein Unterschied zum klassischen Unterricht: Die Kursleiter binden die Kinder stärker ein. Sie erklären nicht einfach, warum etwas geschieht, sondern regen zu Fragen und zum Ausprobieren an. Es gehe nicht so sehr um die Erkenntnisse selbst, sondern darum, sich diese Erkenntnisse selbst zu erarbeiten und kritisches Denken zu lernen, sagt Gründerin und Vereinsvorstand Heike Schettler. Auf diese Weise lernen die Kinder alle Schritte der klassischen wissenschaftlichen Vorgehensweisen kennen – von der Hypothese über das Experiment bis zur Erkenntnis und zur Anwendung.

Die Lehrinnen und Lehrer sollen von den Kursen ebenfalls profitieren. "Es gibt Fortbildungen, die den Lehrkräften Impulse für den Unterricht geben, aber es ist für viele schwierig, das im Alltag auch umzusetzen", so Schettler. "Wenn wir mit den Kindern und den Lehrkräften gemeinsam arbeiten, sehen diese, wie das in der Klasse funktioniert."

ScienceLab gibt es seit 2002. Die Fortbildungen der Kursleiter werden über die Mitgliedsgebühren des Vereins finanziert, die Tätigkeit an den Schulen über Projektmittel, welche die Kursleiter einwerben. Schettler sagt: "Wir haben eine gute Situation, da Stiftungen und Unternehmen immer mehr bereit sind, in eine unabhängige MINT-Bildung zu investieren."