Solarzellen auf Fahrzeugen: Wie viel Reichweite bringt das?

Photovoltaik-Module auf elektrischen Lastwagen, Bussen oder Autos können die Reichweite verlängern. TR hat einen Experten nach konkreten Angaben gefragt.

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Scania hat einen 18 Meter langen Lkw mit Solarfolie auf Dach und Seiten ausgestattet.

(Bild: Scania)

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Jährlich 5.000 Kilometer Reichweite könne ein Sattelschlepper durch integrierte Solarzellen hinzugewinnen, verspricht der Lastwagenhersteller Scania – und das sogar in einem nördlichen Land wie Schweden. In südlichen Ländern wie Spanien könne es auch das Doppelte sein.

Um das zu belegen, hat Scania das Dach und die Seitenflächen eines 18 Meter langen Sattelaufliegers mit insgesamt 100 Quadratmetern Solarfolie versehen. Sie liefern laut Scania eine Spitzenleistung von gut 13 Kilowatt und einen geschätzten Jahresertrag von 8.000 kWh. Würden hocheffiziente Perowskit-Tandem-Zellen verbaut, ließe sich der Ertrag abermals verdoppeln. Der gewonnene Strom fließt in die Batterie eines Plug-in-Hybrid-Sattelschleppers. Derzeit wird der Sattelzug auf der Straße getestet.

Bei stationären Installationen gibt es eine Faustformel für den Jahresertrag: rund 1.000 kWh pro installiertem Kilowatt. Doch bei mobilen Anwendungen kommen eine Reihe von Störfaktoren hinzu. Es beginnt damit, dass zumindest eine Seite eines Fahrzeugs meist im Schatten liegt. Zudem ist unklar, ob sich ein Wagen eher durch sonnige oder schattige Gegenden bewegt und wo er parkt. "Bei LKWs muss man dafür Abschläge von 10 bis 15 Prozent ansetzen", sagt Martin Heinrich, Head of Group Encapsulation and Integration am Fraunhofer ISE.

5.000 Kilometer jährlich soll der neue Truck nach Angaben von Scania durch die Solarpaneele dazu gewinnen - und das, wenn er lediglich durch die schwedische Landschaft fährt. In südlichen Ländern könne es sogar das Doppelte sein.

(Bild: Scania)

Heinrich hat bereits 2021 mit seinen Kollegen durchgerechnet, wie viel Energie fahrzeugintegrierte Photovoltaik liefern kann, vom Paketlieferwagen bis zum ausgewachsenen Sattelschlepper. Für jedes Fahrzeug bestimmten sie, wie viel Fläche für Module zur Verfügung steht. Als Wirkungsgrad setzten sie 21 Prozent an. Die durchschnittliche Sonneneinstrahlung ermittelten sie mit einer einschlägigen Datenbank für die Standorte Stockholm, Freiburg und Sevilla.

Das Ergebnis: Die größte Reichweitenverlängerung ergab sich für das kleinste Fahrzeug, nämlich den Paketlieferwagen – rund 6.600 bis 11.500 Kilometer, je nach Standort. Für Sattelschlepper errechneten sie Zusatzreichweiten von 5.000 bis 8.000 Kilometer, also kompatibel mit den Angaben von Scania. Die errechneten Amortisationszeiten reichen von drei bis vier Jahren in Freiburg und Sevilla bis zu knapp sieben Jahre in Stockholm (unter der Annahme, dass es eine Serienfertigung solcher Paneele gibt). Eine weitere Erkenntnis der Studie: "Der Eigenverbrauch im Stand-by-Betrieb während des Ladens ist ein kritischer Parameter und muss minimiert werden."

Ein Pionier bei der Photovoltaik-Integration bei Fahrzeugen ist Sono Motors. Die Pläne für ein eigenes Solar-Auto namens Sion sind allerdings dieses Jahr gescheitert. Das Start-up konzentriert sich nun auf die Integration von PV-Modulen auf Nutzfahrzeugen – entweder ab Werk oder als Nachrüstlösung. Bei den zu erwartenden Erträgen gibt sich Sono ziemlich konservativ. Ein ab Werk mit PV-Paneelen auf Dach und Schultern (Teile der Seitenflächen) versehener Bus soll täglich rund 7,7 kWh ernten können (gut 2800 kWh im Jahr). Setzt man einen Verbrauch von 120 kWh/100 km an, würde das eine zusätzliche Reichweite von knapp 2300 Kilometer ermöglichen.

Und wie sieht es bei PKWs aus? "Hier muss man eher 30 bis 40 Prozent Abschläge gegenüber einer stationären Installation ansetzen", meint ISE-Forscher Heinrich – unter anderem wegen gekrümmter Flächen und ästhetischer Kompromisse. Trotzdem: "Jede Fläche, die Ertrag bringt, lohnt sich!", sagte Heinrich. Zwar ernten die Seitenflächen im Verhältnis zur installierter Leistung nur knapp 60 Prozent des Stroms von Dach, Motorhaube oder Heck. "Aber wenn die Module günstig genug sind, oder zusätzliche Erträge einen besonderen Benefit bieten – wenn zum Beispiel Dach und Motorhaube gerade nicht reichen, um die tägliche Fahrtstrecken abzudecken – dann lohnen sich auch die Seitenflächen."

Was das in konkreten Zahlen bedeutet, haben die Fraunhofer-Forscher in einem Paper von 2020 berechnet: Schon ein typisches Dachmodul mit 1,7 bis 2 Quadratmetern Fläche und Herstellungskosten von unter 120 Euro sei für eine jährliche Zusatzreichweite von 1.900 bis 3.400 Kilometer gut. Versieht man jeden freien Quadratzentimeter einer Karosserie mit den effizientesten verfügbaren Zellen, seien theoretisch auch bis zu 15.000 Kilometer drin – in etwa so viel wie die durchschnittliche jährliche Fahrleistung in Deutschland.

Als Zellmaterial favorisiert Heinrich klassisches Silizium: "So können Weiterentwicklungen und Verbesserung direkt genutzt werden." Das Problem dabei: Anders als bei Nutzfahrzeugen sind die Flächen bei PKWs meist gewölbt. Entsprechend schwer lassen sie sich mit den relativ starren Silizium-Zellen bedecken.

Die auf der IAA MOBILITY ausgestellte Motorhaube verfĂĽgt ĂĽber 120 PERC-Schindel-Solarzellen mit einer Gesamtleistung von 115 Watt und ist in der Farbe Grau gehalten

(Bild: Fraunhofer ISE)

Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat das Fraunhofer ISE eine prototypische Lösung dafür entwickelt: eine Motorhaube mit 120 kleinen, aufgeklebten Solar-Schindeln. Sie werden nicht miteinander verlötet, sondern mit leitfähigen Klebstoffen verbunden. Insgesamt liefert die PV-Motorhaube 115 Watt. Die Farbe kann durch eine vom ISE entwickelte Nano-Strukturierung namens MorphoColor relativ verlustarm angepasst werden. Jetzt arbeiten die Forscher daran, die Oberflächenqualität an die "ästhetischen Anforderungen bei PKWs" anzupassen. In einem anderen Forschungsprojekt arbeitet das ISE an einem Laminator für gewölbte PV-Flächen.

(grh)