Transplantation: Schweineherzen bald für Menschen

Seite 2: Ähnlich reicht nicht

Inhaltsverzeichnis

Schweine als Organspender sind schon seit Jahrzehnten im Gespräch. Sie sind uns physiologisch und genetisch recht ähnlich. Sie lassen sich gut züchten und halten. Allerdings ist bereits eine Allotransplantation, also eine Organübertragung von Mensch zu Mensch, eine diffizile Angelegenheit, denn unser Immunsystem ist Fremdem gegenüber wenig aufgeschlossen: Näht ein Chirurg ein fremdes Herz, eine Niere oder auch nur ein paar Inselzellen der Bauchspeicheldrüse in seinen Patienten ein, stößt das Immunsystem das fremde Gewebe energisch und sehr schnell ab. Transplantationspatienten nehmen in der Regel ihr Leben lang Medikamente ein, die das Immunsystem dämpfen – selbst wenn Blutgruppe und Gewebefaktoren von Spender und Empfänger ausgezeichnet zueinander passen.

Auch wenn Schweine uns ähneln, sind ihre Zellen und Gewebe anders strukturiert als unsere. Sie tragen andere Moleküle auf ihren Oberflächen und produzieren andere Stoffwechselprodukte. Das macht die Übertragung von Schweineorganen oder Geweben auf Menschen noch ein Stück komplizierter.

In den 90er-Jahren stand es schon einmal recht gut um die Xenotransplantation. Forschenden war es gelungen, durch genetisch veränderte Schweine die Gewebeabstoßungen zu verringern. Auf deren Zellen fehlten für viele Säugetiere – auch für Schweine – typische Zuckermoleküle: Galaktose-alpha-1,3-Galaktose, kurz Alpha-Gal. Ein Trigger für das Immunsystem. Er sorgt dafür, dass Immunzellen das Schweinegewebe innerhalb kürzester Zeit durch eine hyperakute Abstoßungsreaktion vernichten. Die Community war voller Hoffnung, dass Schweine damit demnächst nicht nur Speck und Steaks für unsere Teller, sondern auch Herzen, Nieren, Lungen, Lebern und Inselzellen für unsere Chirurgen liefern würden. Und dann kamen die PERV.

Ein porcines endogenes Retrovirus – kurz PERV – infiziert gerade eine menschliche Wirtszelle. Das haben Forschende bisher jedoch nur in speziellen Laborzelllinien beobachtet, noch nie im Menschen.

(Bild: Ralf Reinhard Tönjes / American Society for Microbiology)

PERV ist die Abkürzung für porcine endogene Retroviren. Retroviren sind Viren, die sich in das Genom ihrer Wirtszellen hineinschreiben, und endogen bedeutet, dass sie über die Keimbahn weitervererbt werden. Humane endogene Retroviren, HERVs, machen etwa fünf bis acht Prozent des gesamten menschlichen Genoms aus. Sie sind Teil unserer Evolutionsgeschichte und einige von ihnen stehen in Verdacht, mit Krebserkrankungen zusammenzuhängen. Als die PERV in Schweinen entdeckt wurden, sorgten sich die Forschenden, dass die Schweine-Viren die Organempfänger infizieren. Organe, die ihren Empfänger mit Viren infizieren, wären das Aus für jede Transplantation.

"Schweine sind niemals frei von PERV", sagt Tönjes. "In der Regel tragen auch die meisten Schweine replikationskompetente PERV, und wir wissen seit 20 Jahren, dass diese PERV im besten Fall in der Kulturschale menschliche Zelllinien infizieren können." Von PERV gehen – da ist sich die Xenoforschungsgemeinschaft inzwischen einig – wohl keine Gefahren für die Patienten aus. "Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der je mit PERV infiziert wurde", sagt Reichart. "Schlachter baden in Schweineblut und wir haben eine Antikörperstudie unter Schlachtern durchgeführt. Keiner hat Antikörper gegen PERV. Aber es ist natürlich eine Möglichkeit und man muss das im Blick behalten."

Und es gibt nicht nur PERV. Schweine haben ihren eigenen bakteriellen und viralen Mikrokosmos. Sie tragen auf Schweine angepasste Viren in sich, die – wenn sie mit dem Organ in den Körper gepflanzt werden – unkalkulierbare Auswirkungen haben könnten. Auch in Bennett wurde ein solches Virus gefunden und wird als Todesursache gehandelt: Die Schweinevariante des Cytomegalie-Virus (pCMV), das auch als menschliche Variante bei Allotransplantationen für viele Rückschläge sorgt. Das Perfide: Das Schwein war auf pCMV getestet. Negativ selbstverständlich. "Die Tests des US-amerikanischen Untersuchungslabors waren offensichtlich nicht geeignet, um latente pCMV zu detektieren", sagt Tönjes und fügt selbstbewusst hinzu: "Wir hätten es gefunden, denn wir haben im Konsortium Methoden, um solche pCMV nachzuweisen. Das wäre also vermeidbar gewesen."