Transplantation: Schweineherzen bald für Menschen

Erstmals gelang die Transplantation eines Schweineherzens. Schwer Herzkranke könnten künftig schneller ein gesundes Ersatzorgan bekommen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Das erste Schweineherz, das einem Menschen eingepflanzt wurde, haben die Chirurgen in Maryland unter den gleichen OP-Bedingungen aus dem Schwein extrahiert, unter denen jede Herz-OP stattfindet., University of Maryland

Das erste Schweineherz, das einem Menschen eingepflanzt wurde, haben die Chirurgen in Maryland unter den gleichen OP-Bedingungen aus dem Schwein extrahiert, unter denen jede Herz-OP stattfindet.

(Bild: University of Maryland)

Lesezeit: 16 Min.
Inhaltsverzeichnis

Weshalb gerade David Bennett als Patient weltberühmt werden sollte, kann niemand so genau erklären. Jedenfalls stellte Muhammad Mohiuddin, Direktor des Herztransplantationszentrums am Medical Center der University of Maryland, bei der amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde FDA einen Antrag auf "Anwendung aus Mitgefühl" für Bennett: Er sollte der erste Mensch werden, dem ein Schweineherz transplantiert wird.

Mehr aus der Welt der Medizin

Bennett war ein 57-jähriger Handwerker mit fortgeschrittener Herzschwäche und Rhythmusstörungen. An seinem Zustand war er selbst nicht unbeteiligt – seine Ärzte bemängelten, dass er sich nicht an die verordneten Therapien gehalten habe und nicht mitgeholfen habe, seinen Blutdruck unter Kontrolle zu bekommen. Also verweigerten sie ihm die Transplantation. Spenderorgane seien zu selten und kostbar, als dass sie jemandem gegeben würden, der sich vermutlich anschließend nicht ordentlich darum kümmere, sagte Mohiuddin.

Allein in Deutschland verlängerte sich letztes Jahr die "Warteliste Herz" der Vermittlungsstelle Eurotransplant um 522 Menschen. 329 auf der Liste bekamen eine neue Pumpe, 86 verstarben, während sie warteten. In den USA hofften derweil rund 3500 Menschen auf ein Herz. Einer von ihnen war Bennett.

Am 7. Januar 2022 entfernte der Chirurg Bartley Griffith in Maryland also Bennetts krankes Herz und setzte ihm stattdessen das eines Schweines in den Brustkorb ein. Zwei Monate später, am 8. März, starb Bennett. Dennoch feierte die wissenschaftliche Gemeinschaft diese Operation als großen Schritt auf dem langen, steinigen Weg zur Xenotransplantation – der Übertragung von Organen zwischen zwei Spezies. "Damit hat die Xenotransplantation die Komfortzone der Wissenschaft verlassen und sich in die raue Welt der Klinik gewagt", sagt Bruno Reichart von der LMU München. Der hochdekorierte Herzchirurg ist einer der Treiber der deutschen Xenotransplantationslandschaft und mit seiner Forschung Teil des seit 2012 geförderten Sonderforschungsbereichs "Biologie der xenogenen Zell- und Organtransplantation". "David Bennett war extrem krank. Die Chance, dass er die Operation selbst überlebt, lag sicherlich bei unter 50 Prozent", schätzt er. Deshalb sei es durchaus kein Misserfolg, dass der Patient nach zwei Monaten verstorben sei.

Allerdings war diese Operation nicht automatisch der Startschuss für Schweine als Organspender. "Regulatorisch betrachtet war das ein sogenannter Heilversuch", sagt Ralf Tönjes, Leiter der Forschungsgruppe Xenogene Zelltherapeutika am Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen. "Das war nicht Teil einer klinischen Studie, aber ist definitiv ein erster großer Schritt für die Xenotransplantation von Organen, Geweben und Zellen vom Schwein zum Menschen." Von der FDA wird dieser Heilversuch sogar als so erfolgreich gewertet, dass die Zulassungsbehörde an einer neuen Richtlinie für Xenotransplantationen arbeitet – an deren Formulierung sind auch zwei Forscher des deutschen Sonderforschungsbereichs beteiligt. Und sie zieht in Erwägung, demnächst erste klinische Studien zu Xenotransplantationen zuzulassen. Klinische Studien sieht Tönjes für Deutschland und Europa allerdings in der nächsten kürzeren Zeit noch nicht – und über seinen Schreibtisch würde ein solcher Antrag gehen. Aber man sei am PEI vorbereitet. Xenogene Zelltherapien seien im Arzneimittelgesetz in Paragraf 21 geregelt und genetisch modifizierte Schweinezellen erfasst das Gesetz als Advanced Therapy Medicinal Products, kurz ATMPs.