Transplantation: Schweineherzen bald für Menschen

Seite 4: "Das größte Hindernis sind Investoren."

Inhaltsverzeichnis

Neben Petersen am FLI, der staatlich finanziert für die Gesellschaft forscht, und Revivicor, das sich sein Alpha-Gal-Knock-out unter dem Namen GalSafe hat patentieren lassen, entwickelt noch das Biotech-Unternehmen eGenesis Schweine für Xenotransplantationen. Es wurde von George Church gemeinsam mit Luhan Yang 2018 gegründet, um PERV-freie Schweine durch ein CRISPR/Cas-Knock-out zu erzeugen. "Die haben unheimlich viele Patente für den Einsatz von CRISPR/Cas im Zusammenhang mit Xenotransplantation", sagt Petersen. Weitere Patente hält Makana Therapeutics, und auch Recombinetics, eine Firma, die bisher genetische Modifikation für Tiergesundheit in Nutztiere eingebracht hat, ist inzwischen auf den Xenotransplantationszug aufgesprungen. Was die Vielzahl von Patenten, die bei unterschiedlichen Firmen liegen, letztlich für die Vermarktung von Schweineorganen für die Transplantation bedeuten wird, wird sich erst zeigen, wenn die Zulassungshürde genommen ist.

Unabhängig vom deutschen Forschungskonsortium mischt nun auch Reichart mit einem Spin-off der LMU München in der Xeno-Schweinezucht mit: X-Transplant soll die Xenotransplantation in die Klinik führen. Zum einen ist Reichart der Überzeugung, dass gar nicht so viele Genmodifikationen nötig sind, wie Revivicor einbaut. "Für Xenotransplantationen, bei denen Schweineherzen in Paviane transplantiert werden, reichen drei", weiß Reichart durch zwei Langzeitstudien. "Wir gehen davon aus, dass wir beim Menschen mit fünf auskommen, weil einige der 10-GE-Modifikationen redundant sind. Allein aus regulatorischen Gründen ist es besser, sich auf wenige Genmodifikationen zu beschränken, weil man für jede Modifikation nachweisen muss, wie sie wirkt und dass es keine Nebenwirkungen gibt." Probleme, die nicht durch die Genmodifikationen behoben werden – wie Entzündungen oder Gerinnungsstörungen – möchte Reichart lieber medikamentös lösen. Medikamente könne man absetzen, wenn man sie nicht mehr brauche, Gene nicht.

Auckland-Island-Schweine sind eine besonders kleine Schweinerasse, die in München derzeit genetisch für Xenotransplantationen angepasst wird.

(Bild: Eckhard Wolf)

Ein weiterer wichtiger Grund für seine eigene Zucht sind die Schweinerassen, die in den wichtigsten Xeno-Zuchten derzeit verwendet werden: Landrasse-Schweine. Ein solches Schwein wird um die 300 Kilogramm schwer und hat ein entsprechend großes Herz. Das Wachstum muss also gebremst werden. Bei seinen Pavian-Transplantationen hat Reichart das mit dem Zellwachstumshemmstoff Rapamycin erreicht, "aber für die Klinik brauchen wir Schweinerassen, die nicht so groß sind." Das Revivicor-Schwein, das Bennett sein Herz gespendet hat, war ein sogenanntes Laron-Schwein mit einem Wachstumshormonrezeptor-Knock-out. Aber diese Schweine verfetten sehr stark und sind als Zuchttiere wenig geeignet, weil mit der Verfettung die Fruchtbarkeit schwindet. Reichart setzt deshalb auf neuseeländische Auckland-Island-Schweine. Eine kleine verwilderte Hausschweinrasse, die ehemals lebender Schiffsproviant war und nur 70 bis 90 Kilogramm schwer wird.

Wenn bisher nur von Herzen die Rede war, hat das den einfachen Grund, dass das Herz als besonders einfaches und robustes Organ gilt. "Es ist nur ein Hohlmuskel, der Wasser ansaugt und pumpt. Eine Niere ist dagegen schon wahnsinnig kompliziert. Die filtert, scheidet aus, rückresorbiert, produziert ein Hormon, das Erythropoetin, das beim Schwein auch noch etwas anders aussieht als beim Menschen", sagt Reichart. Die Leber als zentrales Stoffwechselorgan, das Nährstoffe verwertet, Giftstoffe abbaut und Gerinnungsfaktoren für das Blut produziert, ist so hochspezialisiert, dass eine Xeno-Leber weit, weit entfernt ist.

"Das Endziel ist natürlich, genetisch veränderte Schweine zu haben, von denen man das Herz, die Niere, Inselzellen und vielleicht die ganze Bauchspeicheldrüse nehmen kann", sagt Petersen. "Aber wenn man versucht, alle Probleme auszugrenzen, kann es sein, dass wir bei so vielen genetischen Modifikationen landen, dass das nicht mehr mit einer normalen embryonalen Entwicklung oder einem normalen Leben des Schweins vereinbar ist. Wir werden sehen, ob es ein Universal-Spender-Schwein geben kann oder ob wir unterschiedliche Linien für unterschiedliche Organe haben werden."

Wie auch immer das ausgeht – durch die Operation an David Bennett ist ein Damm gebrochen. Es gibt erfolgreiche Langzeitexperimente in Primaten mit Herzen und sogar Nieren. (Auch mit Inselzellen, die an der Bauchspeicheldrüse Insulin produzieren – aber das sind genau genommen Gewebe und keine Organe.) Es gibt diese erste Erfahrung am Menschen. Die Tierzucht kann xenotaugliche Tiere bereitstellen. Stellt sich die Frage: Wie oft müssen diese vorklinischen Schritte noch gegangen werden?

Das PEI sagt im Behördendeutsch dazu, dass die bisherigen in Fachzeitschriften veröffentlichten Daten – zum Beispiel Von-Schwein-auf-Pavian-Transplantationen – zum Zeitpunkt eher nicht eine zeitnah zu erwartende Einreichung auf klinische Prüfungen im Rahmen von Xenotransplantationen nahelegen. Tönjes wird konkreter: "Wir können davon ausgehen, dass dieses und nächstes Jahr keine Anträge auf klinische Prüfungen bei uns eingereicht werden." Denn solange dauert es allein, eine stabile 5-GE-Schweinelinie zu erzeugen, die Reichart plant. Und diese Schweine müssen dann auch wieder in Pavian-Transplantationen ihre Eignung beweisen.

Aber das Konsortium um Reichart ist auf dem Sprung. "Das größte Hindernis sind Investoren", klagt er. "Der bayrische Staat fördert uns gerade mit 400.000 Euro. Um Pilotstudien an vier Patienten zu machen, brauchen wir ein paar Millionen. Allein eine Herztransplantation kostet in Deutschland 200.000 Euro." Dennoch bereitet er schon mal den Antrag für die Studie beim PEI vor. "Es dauert etwa ein Jahr, bis Fragen geklärt sind, wie die OP aussehen muss, was für Gewebeproben genommen werden müssen – das sind Punkte, die wir schon im Vorfeld klären können, dafür brauchen wir keine fertigen Tiere." Knabbern die ersten Ferkel aus einer stabilen 5-GE-Schweinelinie in ihrem Hochsicherheitsstall sterilisiertes Heu, wird Reichart bereit sein.

(jsc)