Transplantation: Schweineherzen bald für Menschen

Seite 3: High-Tech-Schweine

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Als die Viren ins Spiel kamen, bedeutete das einen herben Rückschlag für die Xenotransplantation. "Es sind viele Firmen abgesprungen", erinnert sich Björn Petersen. Er entwickelt am Institut für Nutztiergenetik des Friedrich-Löffler-Instituts in Mariensee Schweine für Xenotransplantationen. "Novartis beispielsweise hatte ein großes Xenotransplantationsprogramm in Cambridge. Die haben alles eingestellt, da ihnen die Virenproblematik zu heiß war."

Und nun ist die Xenotransplantation wieder da. Die hyperakute Abstoßungsreaktion haben die Forschenden im Griff; die Viren ebenso. Der wichtigste Knackpunkt, der derzeit noch Anträge zu klinischen Studien verhindert, sind die Schweine selbst. Nicht weil sich das Spender-Schwein für Bennetts Herz als ungeeignet herausgestellt hätte, sondern aus einem anderen Grund: "Wenn Sie ein Arzneimittel beantragen, um es für die Anwendung am Menschen in Verkehr zu bringen, dann müssen sämtliche Untersuchungen und Prüfungen einheitlich gewesen sein. Das bedeutet in diesem Falle, man kann nicht für den einen Patienten dieses Schwein nehmen und für den anderen Patienten ein anderes Schwein", sagt Tönjes. Natürlich seien zwei Schweine für zwei Patienten nötig – nur müssten diese Schweine identische genetische Modifikationen haben. Es würde sozusagen eine genetisch stabile und homogene Schweinelinie als Arzneimittel zugelassen.

Um bei Bennett in Maryland zu bleiben: Er bekam das Herz eines 10-GE-Schweins von der Firma Revivicor aus Blacksburg in Virginia, einer Tochter des Biotech-Unternehmens United Therapeutics Corporation. 10-GE heißt nichts weiter als "genetically engineered" mit zehn veränderten Genen. Davon sind vier Knock-outs – also ausgeschaltete Gene – und sechs Transgene – neu hineingeschriebene genetische Informationen. "Revivicor ist einer der ältesten Mitspieler auf dem Feld. Sie sind aus der Firma PPL Therapeutics entstanden, die damals Dolly und später die ersten Schweine geklont haben", sagt Petersen. Viele der genetischen Veränderungen, die das Herz für Bennett trug, hat das deutsche Konsortium als erste getestet. Und auch für Xenotransplantationen an Pavianen hat Reichart Revivicor-Schweinezellen aus den USA importiert und die Schweine hier geklont.

Aber auch wenn man 10-GE-Schweine bei Revivicor kaufen kann, gibt es keine 10-GE-Schweinelinie. Das Kriterium dafür ist, dass die zehn genetischen Modifikationen sich rein über Zucht erhalten lassen. Noch gelingt das nicht, noch müssen genetische Veränderungen immer wieder frisch eingebaut und die Schweine dann über Klonen reproduziert werden. Petersen hat in seinem Schweinestall um die 100 Tiere, die nur für die Entwicklung der Xenotransplantation gezogen sind. Darunter sind welche mit Sechs-, Sieben- und Achtfach-Modifikationen. Das Problem ist: Wenn Petersen ein Gen ausknockt, also einfach nur deaktiviert, ist die Veränderung klar lokalisiert – das Gen ist kaputt, fertig.

"Wenn Sie aber fünf verschiedene Transgene einzeln in das Genom einbauen wollen, dann integriert sich das eine hier im Genom, das andere dort. Die neuen Gene können andere Gene beeinflussen, die wichtig sind. Die können an Genorten integrieren, die vielleicht stillgelegt sind und nicht abgelesen werden", beschreibt Petersen die Problematik. Auch werden längst nicht alle Veränderungen an die Nachkommen weitergegeben. Also koppelt er die Gene aneinander. "Dann schneidet man mit CRISPR/Cas bevorzugt in einem Gen, was man ohnehin ausschalten möchte, und versucht diese Gen-Kassette dort zu integrieren." Bis das alles geschafft ist und die ersten Nachkommen dieser Schweine das Licht der Welt erblicken, vergeht etwa ein Jahr. Werden neu eingeführte Gene in der Zucht unfreiwillig wieder ausgeschaltet, müssen sie wieder neu eingebaut werden. Dann kann es sein, dass sie sich an anderer Stelle integrieren, und schon hat man ein anderes Schwein mit einem anderen Genom. Und immer noch keine zulassungsfähige Schweinelinie.