Volkswagen setzt in China auf Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort
Bislang wurden Autos von VW für China in Wolfsburg konzipiert. Das soll sich ändern. Der Konzern will mit Partner vor Ort schneller und günstiger entwickeln.
- Martin Franz
- mit Material der dpa
Über Jahrzehnte waren die Verhältnisse in China recht eindeutig. Volkswagen war Marktführer, was beispielsweise auf dem US-Automarkt nie gelang. Doch mit der Vormachtstellung von Volkswagen ist es in China inzwischen vorbei. Die Chinesen kaufen aus dem mittlerweile breiten Sortiment einheimischer Hersteller, die den Geschmack der Kundschaft offenkundig besser treffen. Kampflos aufgeben will Volkswagen natürlich nicht. Getreu der alten chinesischen Erkenntnis, dass man eine Hand, die man nicht abhacken kann, eben schütteln muss, will der Konzern verstärkt mit Zulieferern vor Ort zusammenarbeiten. Das soll vor internationalen Krisen schützen.
Politische Sanktionen seien eine Herausforderung für internationale Hersteller in China, und man beobachte Krisen wie in der Ukraine oder im Nahen Osten, die die Wirtschaft beeinflussten, sagte der Volkswagen-Konzernvorstand für China, Ralf Brandstätter, in der ostchinesischen Stadt Hefei. Volkswagen wollen ihm zufolge deshalb "in China, für China" produzieren. "Wir streben nach einer autonomen, kontrollierbaren Wertschöpfungskette", erklärte er. Volkswagen wolle dafür auf lokale Zulieferer in China zurückgreifen, um nicht mehr zu abhängig vom Import oder Export zu sein.
Verbrenner weniger gefragt
Dahinter stecken aber nicht nur politische Unwägbarkeiten. Im Geschäft mit Verbrennungsmotoren ist Volkswagen in China noch immer solide verankert, doch das ist nichts, auf das man auch mittelfristig setzen könnte. Denn die Zahl der Neuwagen mit Benziner oder Dieselmotor wird absehbar auch im Reich der Mitte sinken. Gefragt sind batterieelektrische Autos, und da ziehen die chinesischen Kunden andere Marken vor. Build your Dreams (BYD) verkauft in China mehr E-Autos als Volkswagen.
Der Volkswagen-Konzern hat nicht zuletzt deshalb entschieden, den Standort in Hefei auszubauen. Die Provinzhauptstadt lebten 2020 rund fünf Millionen Einwohnern, im direkten Umfeld mehr als neun Millionen. Sie liegt knapp 500 km westlich von Shanghai. In nicht einmal drei Jahren stampfte Volkswagen dort neue Produktions- und Entwicklungshallen dort aus dem Boden, wo zuvor nur ein karger Parkplatz stand. "In einem dynamischen Marktumfeld ist ein hohes Entwicklungstempo entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit", sagte Brandstätter. E-Auto-Käufer in China haben andere Ansprüche als in Deutschland, auch weil sie laut VW mit durchschnittlich 34 Jahren deutlich jünger und die Fahrgewohnheiten anders sind. In chinesischen Großstädten stehen Autofahrer oft im Stau. Entertainment ist daher wichtiger als eine hohe Motorleistung.
Wer bleibt auf dem Markt?
Brandstätter erwartet "ein sehr aggressives Preislevel". Auf Chinas E-Automarkt tummeln sich neben den großen Herstellern viele kleine Marken, die in Deutschland weitgehend unbekannt sind. Xpeng ist eine davon. VW ging mit den Südchinesen eine Kooperation ein, um sich neue Kunden zu sichern. Branchenbeobachter rechnen damit, dass besonders kleinere Mitstreiter dem Preiskampf nicht standhalten und viele Marken rasch wieder verschwinden werden.
Der Konzern muss schneller darin werden, Modelle zu entwickeln und sich an die Kundenwünsche anzupassen. Bis 2030 wollen die Wolfsburger 30 neue E-Automodelle in China auf den Markt bringen. Ein Schlüssel dazu ist die Volkswagen China Technology Company (VCTC) in Hefei, mit der die Entwicklung von Modellen für den chinesischen Markt von Wolfsburg nach China verlagert und damit die Zeit bis zur Marktreife von Fahrzeugen und Komponenten um 30 Prozent verkürzt werden soll. Etwa eine Milliarde Euro investierte der Konzern. Bis Ende 2024 sollen dort rund 3000 Menschen arbeiten und Modelle für die drei Joint-Ventures - die Partnerschaften zwischen VW und chinesischen Unternehmen – entwickeln.
Vom Fokus auf chinesische Zulieferer erwartet sich Volkswagen China eine deutliche Kostenreduzierung. "Wir haben gelernt, dass man das nicht aus 8000 km Entfernung machen kann mit nur sechs Stunden Zeitüberlappung", sagte der verantwortliche VW-Manager für Forschung und Entwicklung, Marcus Hafkemeyer, in Hefei. Bisher sei jede Plattform, quasi der Fahrzeugunterbau, in Deutschland für China entwickelt und dann übertragen worden. Jetzt soll das in Hefei geschehen, um Kosten und Zeit für die Entwicklung zu sparen. Hinzu komme, dass aus Volkswagen-Sicht erst in den vergangenen drei bis vier Jahren chinesische Lieferanten groß geworden seien und die Qualität hätten liefern können, die VW benötige, hieß es.
Gefahr am Horizont
Ob Volkswagen mit dieser Strategie, von der Kritiker sagen, sie komme viel zu spät, auf dem richtigen Weg ist, muss sich zeigen. Denn in China zeichnet sich eine Eintrübung der Konjunktur ab. In einer anderen Region Chinas könnte der Jahresausklang für Volkswagen schlechte Nachrichten mit sich bringen. Denn noch in diesem Jahr sollen die Ergebnisse eines Audits vorgestellt werden, in dem es um Zwangsarbeit im Volkswagen-Werk in Xinjiang geht. Kommen die unabhängigen Prüfer zum Ergebnis, dass das dort der Fall ist, könnte Volkswagen unter anderem aus Fonds mit einem Nachhaltigkeit-Siegel fallen. Wie groß dieser Schaden werden könnte, lässt sich aktuell noch nicht absehen.
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(mfz)