Vom Fahren zum Gefahrenwerden. Automatisierte Shuttles – der europäische Weg?

Seite 3: Shuttle im Linienbetrieb

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In Monheim erschließt die Linie A01 im 15-Minuten-Takt die Strecke zwischen dem Monheimer Busbahnhof und der Altstadt, deren mitunter enge Gassen für normale Busse nicht befahrbar sind. Die beiden Fahrzeuge des Herstellers EasyMile sind auf einer Strecke von ca. zwei Kilometern unterwegs. Von 7 Uhr morgens bis Mitternacht sind jeweils zwei Fahrzeuge im Einsatz, zwei weitere werden derweil geladen. Die batterieelektrischen Shuttles werden zu 100 Prozent mit Ökostrom des lokalen Anbieters Monheimer Elektrizitäts- und Gasversorgung GmbH (MEGA) betrieben. Die Fahrt ist auch im regulären Betrieb kostenlos, weil seit dem 1. April 2020 der Nahverkehr in Monheim generell kostenfrei ist.

Selbstfahrende Fahrzeuge - eine Klassifikation

Die Technik steht, sagen die Entwickler autonomer Autos. Also nur noch eine Frage der Zeit, bis die Selbstfahrer unsere Straßen bevölkern? Da sind noch einige Hürden vor, dazu zählt die Klassifizierung. Eine Begriffsklärung.

Die Shuttles fahren mit maximal 15 km/h durch die engen Altstadtgässchen. Für die Strecke benötigt das Fahrzeug eine knappe halbe Stunde – zu viel um schnell zur Arbeit zu fahren: "Shuttles schleichen durch Monheim" titelt denn auch n-tv. Kinderwagen und Rollstuhl sind kein Problem, der Zustieg ins Fahrzeug kann bei Bedarf bequem per Rampe erfolgen. Im Zuge der Corona-Maßnahmen wurde die maximale Fahrgastanzahl auf drei beschränkt.

Eine Vielzahl an Studien beschäftigt sich mit der Akzeptanz des fahrerlosen Transports. Eine Meta-Studie von Nordhoff et. al. aus dem WZB, die 7.755 Befragte aus 116 Ländern umfasst, kommt zu folgenden Schlüssen: Die Mehrzahl der Befragten hält fahrerlose Straßentransporter wie Shuttles oder Robotaxis für einfach zu bedienen und bequem, das Fahren mit ihnen mache Spaß. Sie werden mehrheitlich dem Kontext öffentlicher Verkehr zugeordnet. Das Vorhandensein einer Notfallbedienung innerhalb der Fahrzeuge wird von einer großen Mehrheit bevorzugt. Die Autorinnen und Autoren betonen dabei den Kontrollaspekt: "Unsere Befragten gaben die höchste Bewertung, um die Kontrolle über ein fahrerloses Fahrzeug durch einen Knopf im Fahrzeug übernehmen zu können, um es anzuhalten, was darauf hinweist, dass die Teilnehmer ein gewisses Maß an Kontrolle behalten möchten."

Easymile-Shuttle in Bad Birnbach

(Bild: Eva Stranzinge)

Ein weiteres signifikantes Ergebnis der Studie ist, dass in Ländern mit niedrigerem Einkommen die Akzeptanz von fahrerlosen Fahrzeugen höher ist als in solchen mit höherem Einkommen. Niedrigere Einkommen sind in der Regel mit einer niedrigeren Autobesitz- und Führerscheinquote verbunden, der öffentliche, chauffierte Verkehr eher der Standard. Die Interpretation liegt also nahe, dass dieser Standard auch auf den Shuttle-Betrieb übertragen wird. Wer sich sowieso schon im Bus oder Bahn chauffieren lässt, kann sich möglicherweise eher an den Gedanken gewöhnen, dass ein automatisiertes System dieses Chauffieren übernimmt, als das bei denjenigen der Fall ist, deren Alltagserfahrung das Selber-Fahren ist.

Streckenverlauf des autonomen Shuttles in Monheim

(Bild: Stadt Monheim)

Eine Untersuchung der Fraunhofer-Gesellschaft zieht mit Blick auf die Akzeptanz eine ähnliche Bilanz: "Übergreifend prognostizieren die Ergebnisse eine hohe Akzeptanz für das Fahrzeugkonzept der »Komfort-Shuttles". Einer repräsentativen Befragung des Digitalverbands Bitkom zufolge kann sich die Mehrheit der Bundesbürger vorstellen, solche Busse zu nutzen. Von 1.005 Personen ab 16 Jahren in Deutschland würden 62 Prozent % der Befragten demnach in sogenannte People Mover einsteigen. Zwei Drittel sehen in automatischen Mini-Bussen eine gute Ergänzung zu bestehenden ÖPNV-Angeboten. Die Begeisterung ist jedoch deutlich altersabhängig, die unter 29-Jährigen sind mehrheitlich für eine rasche Einführung solcher People Mover auf öffentlichen Straßen, während eine knappe Mehrheit der Älteren gar für ein Verbot plädiert.

Als Forschungsprojekte entwickeln automatische Shuttles durchaus eine Bedeutung, die jedoch über prototypische Anwendungen bislang nicht hinausgehen. Eine Skalierung in den Echtbetrieb ist noch nicht in Sicht. Insgesamt sind in Europa wohl mehrere Hundert solcher Shuttles unterwegs, die als Teil des öffentlichen Verkehrs konzipiert sind und die meistens auch von öffentlichen Verkehrsträgern betrieben werden. Hier tut sich ein "europäischer dritter Weg" auf, der Chancen hat, Teil eines modernisierten, attraktiven und ökologischen öffentlichen Nahverkehrs zu werden.

Gelingt die Integration von Shuttles in den öffentlichen Verkehr, besteht die begründete Hoffnung, durch den Lückenschluss der "Letzten Meile" mehr Menschen dazu zu bringen, auf Busse und Bahnen umzusteigen und dabei den (gewohnten) Komfort von privaten Fahrzeugen mit der Effizienz des öffentlichen Nahverkehrs zu verbinden. Nicht nur für ältere Menschen, die nicht (mehr) gut zu Fuß sind, sind solche Angebote attraktiv bzw. stellen oft die einzige Perspektive dar, überhaupt am motorisierten Verkehr teilzuhaben. Insbesondere in Gegenden außerhalb der Großstädte, in denen private Autos derzeit nur schwer verzichtbar sind, besteht ein erhebliches Potenzial für den Einsatz von solchen Shuttles im "Hub and Spoke"-Format: Klassische Schienenverkehrssysteme zwischen den Verkehrsknoten (Hub) und automatisierte Shuttles für die Feinverteilung (Spoke).

Im nächsten Teil unserer Serie "Vom Fahren zum Gefahrenwerden", der am Donnerstag, 13. Mai, erscheint, schauen wir noch genauer auf die Situation für Robotertaxis in Deutschland: Bekommen sie doch noch einen Schub, ausgelöst durch das Gesetzesvorhaben über autonome Autos?

Literatur
  • Weert Canzler, Andreas Knie, Lisa Ruhrort: Autonome Flotten. Mehr Mobilität mit weniger Fahrzeugen. München 2019
  • Sina Nordhoff et al.: Acceptance of Driverless Vehicles: Results from a Large Cross-National Questionnaire Study. In: Advanced Journal of Transportation. 2018, Art. 538219
  • Inga Luchmann et al.: Voraussetzungen & Einsatzmöglichkeiten von automatisiert und elektrisch fahrenden (Klein-) Bussen im ÖPNV. Ergebnisse aus dem Forschungsvorhaben LEA (Klein-) Bus. Berlin/Karlsruhe/Hamburg, August 2019

(jk)