Vom Fahren zum Gefahrenwerden. Automatisierte Shuttles – der europäische Weg?
Robotaxi-Testläufe finden sich in Europa keine, dafür immer mehr automatische Shuttles, die als Teil des öffentlichen Verkehrs zaghafte Fahrversuche unternehmen
Die deutsche Automobilindustrie verabschiedet sich gerade vom Anwendungsszenario autonomer automatisierter Flotten auf Level 4 – mit dem Wechsel des Antriebes hat man schon alle Hände voll zu tun. Die Autoindustrie scheidet derzeit als Akteur im Bereich fahrerlosen Passagiertransports also weitgehend aus.
Robotaxis? Nein Danke!
Währenddessen werden anderenorts trotz oder sogar wegen der Corona-Pandemie bedeutende Fortschritte erzielt im Hinblick auf eine kommerzielle Umsetzung entsprechender Betriebsmodelle, namentlich in den USA und in China. Aktivitäten von europäischen Digitalkonzernen, die mit denen in den USA und China vergleichbar wären, sind ebenfalls nicht in Sicht.
Autonomes Fahren, die Auswirkungen auf den Personentransport mit Robotaxis, people movern, autonomen Bussen und die notwendigen Techniken und Regularien beschäftigen uns in einer zehnteiligen Serie, deren einzelne Artikel bis zum 14. Mai werktags erscheinen.
- Teil 1: Fahrerloser Passagiertransport – es geht los!
Im Verkehrsausschuss des Bundestages geht es am Montag, den 3. Mai, um autonome Flotten, woanders gehören Robo-Taxis fast schon zum Alltag. Der Start der Serie zum Thema.
- Teil 2: 2008: Das Projekt "Chauffeur" geht an den Start
Seit nunmehr 14 versucht Google aus der Selbstfahrtechnologie ein funktionierendes Geschäftsmodell zu machen, wir zeichnen die Entwicklung nach.
- Teil 3: Pandemie-Effekt: Robotaxis nehmen an Fahrt auf
Technisch scheint ihr Betrieb annähernd gelöst zu sein, aber wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit einer fahrerlosen Flotte aus? Ein Überblick.
- Teil 4: USA – Eldorado für Testbetriebe mit Robotaxis
In einigen Bundesstaaten laufen Testbetriebe, Kalifornien hat gar den kommerziellen Betrieb reguliert. Von Joe Biden erhofft sich die Branche den Durchbruch.
- Teil 5: Robo-Taxis – wer macht das Rennen in den USA?
Zwei Dutzend Unternehmen testen autonome Flotten, in Kalifornien wird das Rennen vermutlich entschieden. Wir geben einen Überblick über das Bewerberfeld.
- Teil 6: Wie Kalifornien, nur größer: Robotaxis in China
Der potenziell größte Markt für autonome Flotten kann sich in punkto Technologie, Testbetriebe und Kapitalausstattung der beteiligten Firmen sehen lassen.
- Teil 7: China: Autonomes Fahren durch Planwirtschaft
Experimentierfreudige Startups, staatliche Infrastrukturförderung und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung machen autonome Flotten in China zum Erfolgsrezept.
- Teil 8: Automatische Shuttles – der europäische Weg?
Robotaxi-Testläufe finden sich in Europa keine, dafür immer mehr autonome Shuttles, die als Teil des öffentlichen Verkehrs zaghafte Fahrversuche unternehmen…
- Teil 9: Grüne Welle für Robotaxis auch in Deutschland?
Dieser Tage debattiert der Bundestag einen Gesetzesvorschlag aus dem Verkehrsministerium, der Robotaxis auch bei uns den Weg ebnen könnte.
- Teil 10: Fahrerloser Transport als Teil der Verkehrswende
Robo-Taxis, people mover und autonome Shuttles – können autonome Flotten einen Beitrag zur Verkehrswende leisten?
Die EU ist zwar ein hochinteressanter Markt, aber seine Verkehrswirtschaft bleibt in Pfadabhängigkeiten gefangen. Weder Betreiber digitaler Plattformen noch die Automobilhersteller sind alleine in der Lage, die Entwicklung dieser Technologie im Sinne einer Verkehrswende voranzutreiben.
VW hat sich noch nicht aufgegeben
Volkswagen scheint jedoch – anders als die anderen deutschen Hersteller – das Rennen nun doch nicht aufgegeben zu haben. Nach zahlreichen Personalrochaden taucht der als IT-Experte gefeierte Christian Senger, der die Leitung der Car.Software.Org-Abteilung vergangenes Jahr wegen Problemen beim ID3 gleich wieder verlassen musste, jetzt als Leiter der Abteilung für Autonomes Fahren wieder auf. Sein LinkedIn-Profil verrät: "We bring robot shuttles on the road" – gemeint ist sicher "to the road".
Durch den Einstieg bei Argo AI ist VW bei den avancierten Mitbewerbern dabei. Das Projekt zur Einführung autonomer Systeme auf Stufe 4 ist jetzt allerdings bei Volkswagen Nutzfahrzeuge angesiedelt. Diese Sparte geht jetzt die Entwicklung vollständig autonomer Systeme und deren gewerbliche Nutzung in städtischen Gebieten an, "Special Purpose Vehicles (SPV) wie Robotaxis und Vans" sollen entwickelt und gebaut werden.
Automatische Shuttles – der europäische Weg?
Angesichts dieser Situation verwundert es nicht, dass sich in der EU eine gänzlich andere Experimentierlandschaft beim autonomen Passagiertransport auf der Straße entwickelt hat: Von der Wissenschaft begleitet haben sich zahlreiche Projekte und Startups, die oft eng mit öffentlichen Verkehrsträgern kooperieren, herausgebildet, die vor allem automatische Shuttles im Linienverkehr ausprobieren.
Im Vergleich zu den Testläufen in den USA und China besteht insbesondere technologisch ein großer Unterschied: Solche Shuttles haben zwar ebenfalls Sensoren an Bord, die Hindernisse erkennen, aber verfügen über keine Datenverarbeitung, die ein tatsächliches Interpretieren der Verkehrssituation ermöglicht. Sie sind daher in sehr niedrigen Geschwindigkeiten und auf festgelegten Routen unterwegs.
Situationen, in denen ein Eingreifen des Operators nötig ist, sind daher nicht selten. Im Hinblick auf die Anzahl der Fahrzeuge, deren Geschwindigkeit, die Größe der Testgelände und die Fahreigenschaften liegen noch Unterschiede zwischen den Bemühungen, fahrerlose Taxi-Flotten technisch und ökonomisch zu etablieren, und den Shuttles in der europäischen Experimentierlandschaft.