Wie recyceltes Trinkwasser unser Dürreproblem lösen könnte

Seite 4: Bakterien fressen sich gegenseitig

Inhaltsverzeichnis

Hinter den Kulissen sei die Diskussion allerdings noch im Gange, ob man Spurenstoffe nicht doch mit einem naturnahen Verfahren entfernen könne, berichtet Drewes. Er selbst hat eine solche Methode in den USA entwickelt. "Wir wollten damals eigentlich beweisen, dass die biologische Behandlung bei schwer abbaubaren Schadstoffen nichts bringt. Und dann entdeckten wir, dass das unter bestimmten Bedingungen doch funktioniert", berichtet er. Wenn die meisten organischen Substanzen im Wasser aufgezehrt sind, geraten die Mikroben unter maximalen Selektionsdruck und rüsten ihre Enzyme so um, dass sie die schwer abbaubaren Substanzen futtern, sofern ausreichend Sauerstoff vorhanden ist, erklärt Drewes das Konzept, das er "Smart"-Verfahren nennt. Er hat es auf der Insel Baumwerder erprobt. "Die Technik erzeugt keine Reststoffe wie bei Aktivkohle und braucht auch viel weniger Energie als der Betrieb einer Ozonanlage. Der Prozess läuft kostenlos. Man braucht nur Fläche und einen beständigen Abwasserstrom, weshalb sie für kommunale Klärwerke – weniger für die Industrie – infrage kommt."

Praktisch läuft der biologische Abbau der Spurenstoffe so ab: Das bereits geklärte Abwasser wird über einer Fläche versickert und dann wieder zu Tage gepumpt. Während der ersten Passage zehren Mikroorganismen die leicht verdaulichen organischen Stoffe. Dann nimmt das Abwasser an der Luft Sauerstoff auf und wird anschließend ein zweites Mal versickert. Die Mikroorganismen verdauen notgedrungen die schwerer abbaubaren Substanzen. In weniger als 13 Stunden sei so ein effektiver Abbau, vergleichbar mit einer Aktivkohlefilterung zu erreichen, sagt Drewes. Die Methode entferne auch Keime, da die Bakterien mangels Nahrung erst die Viren und dann sich gegenseitig fressen.

Mittlerweile konnte der Abwasserexperte das Verfahren auch in einen Reaktor überführen. Darin befindet sich ein poröses Granulat, um die Oberfläche zwischen Abwasser und Luft zu vergrößern. Über eine gasdurchlässige Membran strömt Sauerstoff in den Reaktor. Kommunen, die keine Flächen zum Versickern zur Verfügung hätten, könnten das Smart-Verfahren damit auch in Gebäuden verwirklichen, meint Drewes.

Um Abwasser direkt in Trinkwasser zu verwandeln, ist seine neue Methode allein aber nicht ausreichend, räumt er ein. In Aurora im Bundesstaat Colorado kombiniert man sie dafür noch mit einer Desinfektion unter UV-Licht und Wasserstoffperoxid. Danach folgen noch zwei Aktivkohlereinigungsstufen.

Das Smart-Verfahren funktioniert bereits im Pilotmaßstab mit einer Kapazität von 300 Litern pro Stunde. In die Pilotanlage eingebaut sind Sensoren, die den Wasserstand und die erreichte Wasserqualität messen.

(Bild: Jörg E. Drewes, Andreas Heddergott)

Wasserrecycling wird die Wasserversorgung im 21. Jahrhundert wohl zunehmend stützen. So viel ist absehbar. Wenn es dazu beiträgt, dass weniger Frischwasser entnommen und zum anderen weniger belastetes Abwasser in die Flüsse und Seen fließt, sprich: dass Abwasser unter dem Strich besser aufbereitet wird als bisher üblich, wäre das ein doppelter Gewinn für Natur und Mensch. Technisch stehen die Vorzeichen dafür nicht schlecht, denn konzentrierte Abwässer lassen sich effektiver reinigen als stark verdünnte Abwässer in den Klärwerken. Sollte aber Wasserrecycling nur dazu genutzt werden, die Kosten für die Ressource Wasser zu drücken, und die Aufbereitung demzufolge auf das Allernötigste beschränkt bleiben, sind die Folgen unausweichlich. Denn auch Nahrungspflanzen nehmen Arzneirückstände, Mikroplastik und Schwermetalle auf – und mit ihnen der Mensch.

(lca)