Wie recyceltes Trinkwasser unser Dürreproblem lösen könnte

Seite 3: Kurzschluss im Wasserkreislauf

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So gut das klingt – Wasserrecycling hat auch Schattenseiten. Das recycelte Abwasser gelangt nicht mehr über die Kläranlagen in Flüsse. Von dort sickert es nicht mehr über Jahrzehnte ins Grundwasser, um dann daraus an anderer Stelle wieder entnommen zu werden. Die Wasserwiederverwendung klemmt die Natur ab oder verkürzt zumindest ihren Part.

Das kann weitreichende Folgen haben. Etwa wenn Flüsse kaum noch Wasser führen, da ihnen der Zulauf aus Kläranlagen fehlt. Dann können schlimmstenfalls Schiffe nicht mehr fahren und Fische nicht mehr schwimmen. "Wir arbeiten deshalb gerade an einer Studie, wie man Wasserrecycling managen kann. Es ist alles andere als trivial", sagt Drewes.

In einer Studie für das Umweltbundesamt wies er 2018 beispielsweise nach, dass bei Niedrigwasser einige Flussabschnitte zu mehr als 30 bis 50 Prozent aus dem Kläranlagenablauf gespeist werden. Dies sei zwischen Mai und September der Normalfall. Besonders ausgeprägt ist die Dominanz des geklärten Abwassers bei Neckar, Main, Havel, Ems, Weser und den rechtsseitigen Zuflüssen des Rheins. In diesen Regionen verwenden die Wasserwerke häufig Uferfiltrat für die Trinkwassergewinnung. Das wird dann ebenfalls zu 30 bis 50 Prozent aus dem Kläranlagenablauf gespeist – nur einfach durch den Ufersand gefiltert.

Das Problem: Dabei können die gesundheitlichen Orientierungswerte für verschiedene Schadstoffe bei Niedrigwasser überschritten werden, warnt Drewes in seiner Analyse. Infolge des Kurzschlusses im Kreislauf wären dann zu viele Schadstoffe im Wasser. Ein anderes Beispiel sei die Vier-Millionen-Metropole Berlin. Das Abwasser der Hauptstadtbewohner fließt geklärt in Spree und Havel und damit teils in den Tegeler See. Direkt unter dem Seegrund befinden sich jedoch die Trinkwasserbrunnen, die Wasser aus dem Grundwasser hinaufpumpen. Abwasser, See, Grundwasser, Trinkwasser – alles auf einem Fleck. "Berlin betreibt eine indirekte Wasserwiederverwendung", sagt Drewes, da das Flusswasser nicht ausreichend mit Quellwasser verdünnt wird.

Die Wasser-Behandlungszonen des Smart-Verfahrens im Querschnitt.

(Bild: Jörg E. Drewes)

Und gereinigtes Abwasser ist qualitativ immer schlechter als Quellwasser. Das liegt daran, dass sämtliche Reinigungstechniken Schadstoffe nur zu einem gewissen Grad entfernen können. Selbst bei einer Filtration mit Aktivkohle schwanken die Eliminationsraten je nach Substanz zwischen Null und über neunzig Prozent. Nicht ohne Folgen: Die Wasserwerke der Hauptstadt messen seit Jahren eine steigende Konzentration von Medikamenten in den Berliner Seen, weil der Arzneimittelverbrauch der Bevölkerung stetig steigt. Spitzenreiter ist der Blutdrucksenker Valsartan mit mehr als drei Mikrogramm je Liter Seewasser. Daneben schwimmt darin ein Cocktail aus Schmerzmitteln, Antibiotika und dem Rostschutzmittel Benzotriazol. Es steckt in Geschirrspülmaschinentabs und enteist im Winter die Straßen. Zwar werden Leit- und Grenzwerte den offiziellen Messdaten zufolge nicht überschritten, aber in Summe sind es viele menschengemachte Schadstoffe, die mittlerweile im kleinräumigen Berliner Wasserkreislauf zirkulieren.

Auf Anordnung der Umweltbehörde müssen die Berliner Wasserwerke nun einschreiten und ihre Kläranlagen für die indirekte Wasserwiederverwendung Schritt für Schritt aufrüsten: Bis 2023 soll das größte Klärwerk Schönerlinde im Norden der Hauptstadt um einen Aktivkohlefilter und eine Ozoneinheit erweitert werden. Verglichen mit unerkannten Kurzschlüssen sei aktives Wasserrecycling an Ort und Stelle mit dem zugehörigen Risikomanagement und dem gezielten Einsatz von Reinigungstechnik allemal besser, argumentiert Drewes.