Wie recyceltes Trinkwasser unser Dürreproblem lösen könnte

Wasser wird in Trockenperioden zusehends knapp. Abwasser nicht. Dass man Wasser recyceln kann, zeigen inzwischen internationale Initiativen – auch in der EU.

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(Bild: Peter Bocklandt / Shutterstock.com)

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Susanne Donner
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Die ISS, Windhuk in Namibia und El Paso in Texas – es gibt viele Orte auf der Welt, an denen Menschen Abwasser trinken, weil es nicht genug frisches Trinkwasser gibt. Der Mangel brachte Ingenieure dazu, das, was in der Kanalisation treibt, wieder in ein möglichst sauberes Getränk zu verwandeln. Auf die Spitze haben sie dieses Prinzip im All getrieben: Raumfahrer würden verdursten, bekämen sie nicht ausschließlich ihren gereinigten Urin zu trinken.

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Wasserrecycling ist seit den drei Dürrejahren 2018 bis 2020 auch in Deutschland ein Thema. Denn der Grundwasserspiegel sinkt, besagen hydrogeologische Studien. Dafür gibt es mehrere Ursachen: Den Boden tief durchdringender Landregen wird immer seltener, Starkregen, dessen Niederschläge oberflächlich abfließen, immer häufiger. Beide Trends sind eine Folge der Erderwärmung. Außerdem nehmen zubetonierte Flächen von Jahr zu Jahr zu, sodass der Niederschlag gar nicht in den Boden sickern kann.


Dieser Artikel stammt aus Ausgabe 2/2022 von MIT Technology Review (im heise shop bestellbar).


Die schleichende Entleerung der Grundwasserspeicher hat spürbare Folgen: In zurückliegenden Hitzeperioden mussten einzelne Wasserwerke hierzulande die Pumpen abschalten. Landwirte und andere Nutzer durften lokal kein Wasser mehr aus dem Boden entnehmen. Atommeiler und Kohlekraftwerke müssen ohne das notwendige Nass von jetzt auf gleich vom Netz genommen werden – ein Zwangsausstieg mit verheerenden Folgen für die Stromversorgung. Auch Dialysezentren benötigen jede Woche tausend Liter pro Patient.

Dabei ist Deutschland noch ein wasserreiches Land, blickt man auf die Bruttowasservorräte: Einer älteren Abschätzung zufolge verfügt die Bundesrepublik über 188 Milliarden Kubikmeter Süßwasser. "Davon nutzen wir lediglich 19 bis 20 Prozent", schildert Matthias Barjenbruch vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft an der Technischen Universität Berlin, der die Daten vor über 15 Jahren errechnet hat. Theoretisch gäbe es also reichlich Luft nach oben.

Aber solche Abschätzungen seien irreführend, gibt der Hydrogeologe Traugott Scheytt von der TU Bergakademie in Freiberg zu bedenken: "Wir können das Wasservorkommen im Untergrund eigentlich nur unzureichend beschreiben." Es sei ein Warnschuss, dass punktuell und lokal zunehmend Süßwasser fehle. Es mangelt in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin, aber auch in Franken, einigen Regionen Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens. Mit dem Klimawandel wird sich die Knappheit verschärfen.

"Abwasser ist dagegen eine klimaresiliente Ressource", sagt Jörg Drewes, einer der wenigen deutschen Experten auf dem Gebiet. "Es fließt immer." Drewes brachte das Thema Abwasser als Ressource aus den USA an die Technische Universität München. Viele Jahre forschte er im wasserarmen Bundesstaat Kalifornien, dann in Australien und Saudi-Arabien – überall war die Wasserwiederverwendung ein Teil der Antwort auf den Trinkwassermangel. El Paso in Texas errichtet derzeit sogar eine Anlage zum Recycling seines Sanitärabwassers. 2025 soll sie in Betrieb gehen.

(Bild: Nasa Earth Observatory / Jesse Allen, Robert Simmon; Landsat Data, U.S. Geological Survey)

"Hierzulande hat Wasserrecycling noch ein Schmuddel-Image", sagt Drewes. "Deshalb ist Überzeugungsarbeit nötig." Einen ersten Wendepunkt markiert eine neue EU-Verordnung. Weil Wasser immer knapper wird, brachte Brüssel ein Regelwerk über Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung auf den Weg, das ab Sommer 2023 gilt. Es ermöglicht Landwirten, rechtssicher aufbereitetes Abwasser auf Äcker zu pumpen. Im dürregeplagten Mittelmeerraum gab es diese Bewässerungspraxis bereits – in Deutschland jedoch kaum. Es war zwar bislang nicht explizit verboten, aber eben auch nicht erlaubt.

Lediglich im Raum Braunschweig und Wolfsburg beregnen Bauern per kommunaler Sonderregelung seit einigen Jahrzehnten ihre Flurstücke mit geklärtem Abwasser – kommunizieren diese Grauzonen-Praxis aber sehr zurückhaltend. Mit der Verordnung bekommt die Praxis EU-weit neuen Schub. Der Deutsche Abwasserverband interessiert sich nun für das Thema, freut sich Drewes.