Windkraftjobs: Der Offshore-Service-Techniker – der Weg ist der Umweg
Seite 2: Fit for Windkraft
Da auch diese Sicherheits-Systeme nicht unendlich belastbar sind, ist für die Beschäftigten an den Windkraftanlagen ein Höchstgewicht von 120 Kilogramm vorgeschrieben. Zudem wird die Fitness der Angestellten regelmäßig geprüft. Denn neben der körperlichen Anstrengung, die die Arbeit und etwa die Aufstiege an den Turbinen überhaupt schon mit sich bringt, kommen auch klimatische Herausforderungen auf die Technikerinnen und Techniker zu.
In den Windkraftanlagen staut sich manchmal Wärme, halten sich die Beschäftigten tagsüber auf den TPs auf, können sie einer hohen Sonneneinstrahlung oder auch großer Kälte ausgesetzt sein.
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Wie der Site Manager erklärt, habe es schon Fälle gegeben, in denen Beschäftigte den gesundheitlichen Anforderungen nicht entsprochen hätten. Diese mussten dann zunächst wieder an ihrer Fitness arbeiten. Erst dann durften sie wieder zurück in den Dienst.
Auf die Frage hin, ob sich – wie auch in anderen Handwerksbetrieben – hieraus ein früheres Rentenalter ergibt, da die Gesundheit nicht immer bis 65 beziehungsweise 67 Jahre mitspielt, wird genickt. Der Einzelfall entscheidet, aber fehlt die erforderliche Fitness, müssen sich auch die Technikerinnen und Techniker spät in ihrer Karriere vielleicht noch einmal umorientieren.
Im Fall von WindMW bedeutet das etwa, dass ein älterer Mitarbeiter nun in der Zentrale in Bremerhaven eine neue Anstellung gefunden hat. Ob das für jeden Menschen, der die Arbeit auf See erlebt hat, noch eine Option ist, ist fraglich. Für erfahrene Elektrikerinnen und Elektriker sollte die Arbeit an Land mit zunehmend mehr Dezentralisierung der Energieerzeugung und auch einer zunehmenden Elektrifizierung von Prozessen allerdings nicht ausgehen.
Nicht alles aus einer Hand
Einige Gewerke werden von Subunternehmern ausgeführt. Etwa die Taucharbeiten, um den Zustand der Turbinen Unterwasser zu prüfen. Auf Helgoland treffen wir auch eine Mannschaft, die nur dafür zuständig ist, Roststellen an den Anlagen zu sichten und zu reparieren. Diese Arbeiter sind dann oft nur für einige Monate "on site", da sie im Winter mit ihrer Arbeit nicht fortfahren können. Dann ist die See zu rau, sind die Stürme zu heftig. Diese Beschäftigten kommen von Firmen an Land und arbeiten in Halbsjahres-Rhythmen on- und offshore.
Die Arbeit muss sich auf See ohnehin an den Gezeiten und auch den Wetterlagen orientieren. Das fĂĽhrt dazu, dass im Sommer oft viel mehr gemacht werden kann als im Winter. Auch heise online wurde geraten, noch im Sommer vorbeizuschauen.
Eines der vielen Forschungsprojekte, das die Windkraftanlagen umgibt, beschäftigt sich unter anderem mit diesem Problem. Manche Einsätze sind so gefährlich und kostspielig, dass man über Sensorik und mithilfe von kommerziell genutzten Drohnen Ausfahrten für Menschen einschränken oder zumindest treffsicherer machen möchte. Dr. Holger Huhn hat uns im Interview aber auch erklärt, dass die Versuche mit den Drohnen eher weniger gute Ergebnisse gebracht haben.
Die Anlagen verfügen zwar schon über einiges an Sensorik – können auch softwareseitig selbstständig auf Windstärken und Windrichtungen reagieren – ist aber etwas kaputt, das bisher noch nicht in die technische Überwachung eingebunden ist, müssen Menschen Fehler und Schäden erkennen und melden.
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Offshore – Verlässlichkeit durch klare Schichtpläne
Während auch die Vermutung nahe liegt, dass Menschen für die Offshore-Windkraft häufiger auf Montage sein müssen, wird das für Onshore zumeist weniger gedacht. Das ist allerdings ein Trugschluss. Sowohl Service-Techniker Tomek als auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma waren zuvor Onshore tätig; Tomek in Deutschland, Volker und andere aus dem Team aber etwa auch im Ausland, unter anderem Kanada, Australien, Japan, um dort über mehrere Wochen hinweg Onshore-Windkraftanlagen zu installieren.
Laut Tomek war gerade die Arbeit Onshore weniger gut planbar als sein momentaner Beruf. Bei WindMW gibt es für die meisten Angestellten glasklare zwei-Wochen-Schichtpläne. Die Menschen arbeiten zwei Wochen durchgehend und haben danach zwei komplette Wochen frei. Für die Service-Techniker bedeutet dies, dass jeweils 15 Stück von ihnen pro zwei Wochen-Schicht auf Helgoland sind. Durch die klare Einteilung stehen die Arbeitspläne bereits bis in den Sommer 2023 fest.
Zwar arbeiten die Lageristen momentan noch in ein-Wochen-Schichten, aber auch das wird bald auf zwei-Wochen-Schichten umgestellt, um einerseits die Abstimmung von Teams zu verbessern, aber andererseits auch attraktiver für Angestellte zu werden, die die manchmal zeitaufwendige An- und Abreise nach Helgoland nicht wöchentlich durchleben wollen. Eine Ausnahme bildet im Stellen-Gefüge von WindMW noch die Bürokraft Antje. Sie hat einen eher klassischen 9-to-5- Job von montags bis freitags, lebt auf der Insel. Sie ist somit eine fast durchgängig ansprechbare Kollegin vor Ort.
Um die Arbeitsorganisation im Schichtsystem zu erleichtern, treffen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "on Site" zu einem "Crew-Change-Termin". Dort erfahren sie dann, was in den vergangenen Tagen gemacht wurde und demnächst zu machen ist.
Die Verlässlichkeit, die ihm der Job momentan bietet, gefällt Tomek, erzählt er. Onshore habe er teilweise ganz andere Erfahrungen gemacht. Oft war er eher spontan drei oder vier Wochen am Stück weg, obwohl weniger geplant war. Manchmal gab es einen kurzfristigen Anruf: "Du, da ist etwas noch nicht fertig – kannst du bitte...?", und so wurde seine Freizeit immer unplanbarer.
Wie er erzählt, hat sich das auf sein Privatleben sehr negativ ausgewirkt. Freundinnen und Freunde konnten keinen Überblick mehr über seine freien Tage behalten. Einladungen nahmen ab, blieben irgendwann aus. Ohnehin schmolz sein "frei" hin und wieder einfach unter einigen Überstunden hinweg. Auch aus diesem Grund zeigt er sich äußerst zufrieden mit seinem jetzigen Job.
Die Vier-Sterne-Unterbringung
Die Wohnsituation ist für die Angestellten von WindMW auf Helgoland komfortabel. Ihnen steht ein ganzes Hotel zur Verfügung. Das Hotel Atoll im Zentrum von Unterland, das auch mal einen Design-Wettbewerb gewann und innen an eine Lagune erinnert, wurde in den Anfangsjahren für die Beschäftigten gepachtet. Im Jahr 2019 kaufte WindMW das Vier-Sterne-Hotel auf. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter änderte sich dadurch kaum etwas, aber nicht allen Helgoländern gefiel die Übernahme. Allerdings ist so auch über den eher kargen Winter hinweg immer jemand auf der Insel, der auch konsumieren kann.
Durch die Übernahme können Beschäftigte auch Teile ihres Hab und Guts für die Zeit, in der sie nicht auf der Insel sind, verstauen. Das manchmal betrübliche "aus dem Koffer leben" in unpersönlichen Hotelräumen kann so etwas gemildert werden.
WindMW – Die Service-Techniker auf Helgoland (13 Bilder)
(Bild: heise online/Johannes Börnsen)
Außerdem bietet das ehemalige Hotel Atoll den Angestellten, abseits des extravaganten Designs der Lobby, einige Extras. Es gibt ein eigenes kleines Schwimmbad, eine Sauna, auch einen Trainings-Raum in dem sogar das sonst eigentlich auf Helgoland nur mit Sondergenehmigung erlaubte Fahrradfahren möglich ist.
Um etwas schneller als fußgängig auf Helgoland vorwärtszukommen, muss man entweder eines der kleinen Helgoland-Tuktuks (wir mussten sie so nennen, es lag einfach so nahe) mit erlaubten 10 km/h fahren dürfen, oder auf einen Tretroller zurückgreifen, der wie ein Kindertretroller nach der Gabe von Wachstumshormonen aussieht. Es ist ein ulkiges Design, aber wird manchmal gerne genutzt. Zur Ausleihe stehen diese Roller für WindMW-Mitarbeiter an der Station bereit. Allerdings auch wieder nur in begrenztem Umfang, da auch hierfür eine Genehmigung vorliegen muss.
Auch Offshore ist ein Videotelefonat drin
Da zum Beispiel Tomek mittlerweile auch eine Frau und zwei kleine Kinder auf dem Festland hat, schätzt er noch einen anderen Umstand sehr, der nichts mit festen Arbeitszeiten oder der Unterbringung zu tun hat – es ist die mittlerweile gute Erreichbarkeit trotz der Arbeit in der Ferne. Während "auf Montage sein" früher noch wochenlange Funkstille bedeuten konnte, sind den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tägliche Videoanrufe oder Anrufe möglich. Es ist eine Erleichterung die man einigen Menschen vor Ort sehr anmerkt.
Selbst auf hoher See können Technikerinnen und Techniker mit ihren Familien Kontakt halten. Während also auf einem Transition Piece das vorher selbst zusammengestellte Mittagessen aus der Tasche geholt wird, ist auch ein Video-Schnack mit der Heimat drin. Ins WLAN der Anlagen dürfen sie dabei aus Sicherheitsgründen nicht, um die Anlagen nicht Hackern leichter zugänglich zu machen.
Von der Störung des Satelliten-Netzwerks KA-SAT zu Beginn des Ukraine-Krieges waren die Windkraftanlagen von WindMW auch nicht betroffen – der Fernzugriff auf etwa 5800 Windkraftanlagen in Mitteleuropa war nach einem Cyberangriff Ende Februar nicht mehr möglich, die Anlagen konnten aber weiterhin Strom produzieren und sich durch die eigene Software regulieren. Der Ausfall des Netzwerks wurde im Nachgang Russland zugeordnet.