Der automobile Jahresrückblick 2021: Was uns bewegt hat - Teil 2

2021 war ein bewegendes Jahr: Regierung in überraschender Konstellation, überdenkenswerte IAA, episches Formel-1-Duell - und ein paar bemerkenswerte Testwagen.

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Renault 5 Prototype

Keiner verpackte ein knallhartes Sparvorhaben so hübsch wie Renault. Der R5 Prototype fand reichlich Anklang.

(Bild: Renault)

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Inhaltsverzeichnis

Das Jahr 2021 brachte auf nationalen, politischen Ebene eine Überraschung mit. So hätte vor einem Jahr um diese Zeit wohl kaum jemand auch nur einen Taler darauf gesetzt, wie das Rennen um den Einzug in das Bundeskanzleramt endet. Die Unions-Parteien waren sich noch im Frühjahr ziemlich sicher, einerseits nur einen wirklichen Gegner zu haben. Andererseits ging man im Konrad-Adenauer-Haus davon aus, dass allein die Formulierung des Macht-Anspruchs zu eben dieser führen wird. Aufgewacht sind die beiden Unions-Parteien in der Opposition – nach einem Wahlkampf, in dem sie und ihr mit aller Brutalität ermittelter Kandidat alles dran gesetzt haben, Orientierungslosigkeit und eine erstaunliche Ideenarmut in dem, was man vorhat, offensiv zu demonstrieren.

In der Opposition gelandet ist auch der bisherige Bundesverkehrsminister. Viermal in Folge hatte die CSU dieses Amt inne. Andreas Scheuer, nie um markige Worte der eigenen Eignung verlegen, verließ seinen Posten mit der in ihrer krachledenern Kernigkeit kaum zu überschätzenden Aussage: "Ich gehe hier erhobenen Hauptes raus." Das lässt einen doch einigermaßen erstaunt zurück. Schließlich ist noch nicht sicher, ob die 560-Millionen-Euro-Forderungen aus dem gescheiterten Pleite-Projekt Pkw-Maut gezahlt werden müssen. Es ist nur die dunkelrot leuchtende Spitze von knapp vier Jahren, in denen viele Chancen vertan wurden. Wer es positiv formulieren wollte: Der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wird es nicht schwer haben, in diesem Vergleich inhaltlich zu glänzen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer

Wohlig warm sonnt es sich mitunter im Zeitgeist – zumindest die Hoffnung der Verantwortlichen darauf war es wohl, als sie die Automesse IAA zu einer Mobilitätsmesse adeln wollten, die dann auch noch über die halbe Stadt München verteilt wurde. Sie wollten, so wurde es medienwirksam vorgetragen, mit Auto-Kritikern ins Gespräch kommen. Nach der Veranstaltung reifte im Geheimen wohl die Erkenntnis, dass der Plan eine Pleite mit Ansage war. Mehr Fahrrad- als Autohersteller locken das Stammpublikum nicht an, die Messehallen ließen den Besuchern viel Platz zum Schauen. Die Veranstaltung teilweise in die Innenstadt zu verlagern, verlängert die Wege, ohne einen ersichtlichen Mehrwert zu bieten.

Jahresrückblick 2021 - Teil 1 (9 Bilder)

Die IAA-Mobility in München war kein großer Wurf, aber auch kein desaströser Flop. Die Aussteller, der VDA und die fundamentalen Mobilitätsgegner ziehen  - wen wundert es ernstlich - ein widersprüchliches Fazit. Für eine Nachfolgemesse bleibt noch einiges zu tun, nicht zuletzt, um auch wichtige Autohersteller wieder anzulocken. Die hatten sich mit dem neuen Messekonzept teilweise nicht anfreunden können. Doch ohne die Großen der Branche, zu denen auch Stellantis mit all seinen Marken gehört, wird es für eine Messe wie die IAA schwer. 

Und schließlich ist es ein edles Vorhaben, Fundamental-Kritiker der individuellen Mobilität zum Dialog einzuladen. Wenn diese allerdings zum Teil ausschließlich darauf bedacht sind, schlagzeilenträchtig ihren Protest vorzutragen, kann man wohl davon ausgehen, dass sie an einem Austausch von Argumenten eher uninteressiert sind. Nicht wenige unterstellen allerdings genau das auch der Autoindustrie und ihrem Verband VDA. Hart prallten die unterschiedlichen Vorstellungen aufeinander, und es ist auch nicht davon auszugehen, dass sich die Abschaffung jeglicher Autos auf der einen und ein absatzorientiertes Denken auf der anderen Seite künftig zu einem friedlichen Miteinander einfinden werden.

Bestenfalls staunend, meistens eher desinteressiert beschaute sich der unbeteiligte Betrachter in diese Auseinandersetzung. Das Auto blieb 2021 Transportmittel Nummer 1, und nichts deutet derzeit darauf hin, dass sich das kurzfristig ändern wird. Denn dafür müsste die Transportleistung des Individualverkehrs anderweitig verteilt werden. Wer jedoch anfängt, sich ernsthaft mit der Beantwortung der Frage zu beschäftigen, wie dies in der Praxis tatsächlich vor Ort gelingen könnte, wird rasch feststellen, dass es aus beiden Lagern dazu geradezu ohrenbetäubend still wird. Eine generelle Mobilitätsreduzierung mag lautstarke Befürworter haben, mehrheitsfähig ist sie nicht.

Doch nicht alles auf der IAA Mobility in München lief schief. Die Stände der Autohersteller in der Innenstadt waren temporär durchaus gut besucht, und das Interesse gerade an Antrieben jenseits des Verbrennungsmotors dürfte ihnen Mut gemacht haben, den praktisch überall eingeschlagenen Weg in Richtung E-Mobilität weiter voran zu marschieren. Denn auch das ist eine Erkenntnis des zurückliegenden Jahres: Der batterieelektrische Antrieb ist nicht mehr aufzuhalten. Er ist nicht die alleinige Lösung aller Fragen der Individualmobilität, die sich in den kommenden Jahren verändern wird. Letzteres dämmert zumindest insgeheim wohl auch jenen, die nach außen unerschütterlich gegen die Elektrifizierung wettern. Da die Dekarbonisierung zu langsam voranschreitet, müsste eigentlich der Primärenergiebedarf sinken, und der Verkehrssektor wird dazu seinen Teil beitragen müssen.

Die Formel 1 hat eine sagenhafte Saison hinter sich und es ist gerade deshalb ein Jammer, dass sie aus dem werbefinanzierten Fernsehen in Deutschland fast verschwunden ist. Die Fahrerweltmeisterschaft wurde erst auf den letzten Kilometern entschieden. Der neue Weltmeister Max Verstappen ist fraglos außergewöhnlich talentiert, was sich schon daran ablesen lässt, dass er einer von erst vier Fahrern in der Geschichte der Königsklasse ist, die einen Formel-1-WM-Titel noch vor ihren 25. Geburtstag errungen haben. Er hat es allerdings nicht nur seinem unbestrittenen Können und etwas Glück zu verdanken, die sich in diesem Jahr besonders eifrig die Hand gaben, sondern auch eigenwilligen Entscheidungen der Rennleitungen in Saudi-Arabien und in Abu Dhabi.

Red Bull darf sich glücklich schätzen, dass Verstappen für sein klares Foulspiel in Dschidda nur eine folgenlose Strafe bekam. Plötzlich auf die Bremse zu latschen, um wie angeordnet einen Gegner überholen zu lassen, während dieser dicht hinter einem ist, war das Gegenteil von Fairplay und hätte böse enden können. Mit einem durchaus denkbaren, anderen Urteil der Kommissare vor Ort wäre die WM für ihn gelaufen gewesen. Nach dem Finale eine Woche später musste Mercedes für seinen Protest heftige Kritik einstecken. Dieser Einspruch war in der Sache durchaus berechtigt, zumal es hier nicht nur um die Ehre geht. Nur ließ er das Mercedes-Team um Toto Wolff wie einen schlechten Verlierer aussehen.

Die Art und Weise, wie künftig um eine Fahrerweltmeisterschaft in der Formel 1 gekämpft wird, wird dieser Titel nachhaltig verändern. Zwar war und ist auch Lewis Hamilton durchaus in der Lage, knallhart zu fahren und seinen Platz mit allen Mitteln zu verteidigen. Doch über die Jahre hat er gelernt, dies geschickt zu kaschieren. Er war es, der in vielen Rennen dieser Saison gegen Max Verstappen nachgegeben hat. Den Titel geholt hat aber Verstappen, auch dank glücklicher Umstände kurz vor Ende des letzten Rennens, und das mit einer Fahrweise, die stets darauf setzt, dass der jeweils andere nachgibt.

Jahresrückblick 2021 - Teil 2 (6 Bilder)

Freie Fahrt für den talentierten Rüpel Max Verstappen gegen den Seriengewinner der vergangenen Jahre Lewis Hamilton. 2021 wird als eine der spannendsten Formel-1-Saisons der jüngeren Geschichte in die Motorsportannalen eingehen. Am Ende lag Max Verstappen vorn, was er nicht nur seinem Talent, sondern auch glücklichen Umständen zu verdanken hat. Doch das gehörte schon in der Vergangenheit oftmals eben auch zum Erfolg. 

Viele Zuschauer fanden das unterhaltsam, sportlich fair war es nicht immer. Hinzu kommt: Wenn diesem Beispiel alle folgen, sind ernsthafte Unfälle unausweichlich. In Silverstone und Monza gab Hamilton nicht nach, und in beiden Situationen darf man froh sein, dass die Kollisionen vergleichsweise glimpflich ausgingen. Max Verstappen ist nun der Gejagte und kann sich auf eine beinharte Gegenwehr seiner Kontrahenten einstellen. Die hat gelernt, dass sich eine skrupellose, zuweilen rücksichtslose Fahrweise auszahlen kann.

Für eine gewisse Unterhaltung wurden in diesem Jahr ein paar Klassiker reanimiert. Der umgebaute Opel Manta GSe wird in dieser Form schon deshalb ein Einzelstück bleiben, weil er ein umgebautes Original ist, und kein Retro-Kitsch. Ihn bewegen zu dürfen, war eines der redaktionellen Highlights in diesem Jahr. Die Resonanz nicht nur bei unserer Ausfahrt war derart herzerwärmend, dass Opel die Idee nicht einfach wieder verschwinden lassen konnte. Deshalb denkt die Opel-Chefetage intensiv über einen neuen Manta nach. Nur Mut, möchte man ihnen zurufen.