Edit Policy: Missbrauchsgefahr durch Uploadfilter

Seite 2: Beverly Hills Cop steht auf Sublime

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In Beverly Hills veröffentlichte der Aktivist Sennett Devermont kürzlich auf Instagram eine Video-Interaktion mit einem Polizisten. In beiden Fällen beginnt der Polizist Musik auf seinem Handy abzuspielen, als sich der Aktivist ihm mit laufender Kamera nähert. Devermont vermutet, dass es sich dabei um einen gezielten Versuch handelt, den Uploadfilter von Instagram auszulösen und damit eine automatische Unterbrechung des Livestreams auszulösen.

Funktioniert hat das offenbar nicht, andernfalls hätten wir das Video vermutlich nie zu Gesicht bekommen. Das sollte uns aber nicht in Sicherheit wiegen, dass die Filtersysteme, die mit der Urheberrechtsreform in Europa für zahlreiche kommerzielle Online-Plattformen verpflichtend werden sollen, grundsätzlich gegen solche Missbrauchsversuche immun wären.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass das Video deshalb problemlos hochgeladen werden konnte, weil der Uploadfilter in der Lage wäre, Missbrauchsversuche zu erkennen und somit fälschliche Sperrungen legaler Videos zu verhindern. Dafür gibt es viel zu viele Beispiele fälschlicher Sperrungen legaler Inhalte. Selbst die EU-Kommission gibt inzwischen zu, dass die Technik nicht in der Lage ist, zwischen Urheberrechtsverletzungen und legalen Nutzungen wie etwa Zitat, Parodie oder "unwesentlichem Beiwerk" (so nennt man im juristischen Fachjargon das unbeabsichtigte Auftauchen von Hintergrundmusik) zu unterscheiden.

Viel wahrscheinlicher ist, dass die Rechteinhaber schlichtweg keine automatische Sperrung dieses Songs verlangt haben, dass Instagram eine Lizenz für die Musik besitzt, oder dass der Filter dazu programmiert ist, relativ kurze Ausschnitte aus Musikstücken zu ignorieren. Diese Freiheit haben Plattformen, weil der Einsatz von Uploadfiltern bislang freiwillig ist. Das droht sich nun durch die Urheberrechtsreform zu ändern.

An den technischen Möglichkeiten für die Erkennung solcher Musikschnipsel wird die Sperrung eher nicht gescheitert sein. Wer das Instagram-Video abspielt und dabei die Musikerkennungs-App Shazam laufen lässt, wird trotz Hintergrundgeräuschen schnell erfahren, dass es sich um den Song Santeria der Punk-Band Sublime handelt. Das bedeutet, grundsätzlich ist eine gezielte Unterbrechung unliebsamer Livestreams auf diese Art möglich, sofern man nur das richtige Lied wählt. Bei den Straßenprotesten gegen Uploadfilter vor zwei Jahren ist das einem Influencer sogar passiert, der live von einer der Demonstrationen berichtet hat – auch wenn es sich dabei eher um einen Zufall als eine gezielte Sabotage gehandelt haben wird.

Das Problem wird sich verstärken, wenn künftig durch die Urheberrechtsreform Plattformen verpflichtet werden, Uploadfilter einzusetzen und scharfzustellen. Gerade Livestreams sind besonders gefährdet, weil die Ersteller:innen nur begrenzte Kontrolle darüber haben, ob urheberrechtlich geschütztes Material zu sehen oder zu hören sein könnte. Außerdem ist die Unterbrechung eines Livestreams ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Meinungsfreiheit.

Selbst wenn im Nachhinein sichergestellt werden kann, dass das Video keine Urheberrechtsverletzung enthält, hat das Video seinen Nachrichtenwert dann oft bereits verloren. Das zeigt etwa das Beispiel gefälschter Takedown Notices, die auf der Streamingplattform Twitch eine Liveberichterstattung über eine TV-Debatte der US-Demokraten unterbunden haben. Im Nachhinein konnte Twitch den Missbrauch feststellen, doch der Schaden war zu diesem Zeitpunkt bereits angerichtet. In manchen Fällen kann ein Livestream, beispielsweise von Passant:innen gefilmte Polizeigewalt, nachträglich gar nicht wiederhergestellt werden, etwa weil die Streaming-App keine lokale Kopie des Videos gespeichert hat oder weil die Polizei das Handy beschlagnahmt hat.