Edit Policy: Missbrauchsgefahr durch Uploadfilter

Angeblich bedauert die CDU, dass nun doch Uploadfilter drohen. Gleichzeitig setzt sich der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss sogar noch für Verschärfungen ein.

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Edit Policy: Bandbreite in der Pandemie – Hält das Internet?

(Bild: asharkyu/Shutterstock.com/Diana Levine)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Felix Reda
Inhaltsverzeichnis

Pünktlich zur Verabschiedung der Urheberrechtsreform durch das Bundeskabinett rufen aktuelle Beispiele für die Missbrauchsmöglichkeiten von Uploadfiltern uns ins Gedächtnis, warum dieses Gesetzesvorhaben so brisant ist. Öffentlich tut die CDU so, als hätte sie versucht, den Regierungsentwurf von Uploadfiltern freizuhalten ("Unser Anliegen, Uploadfilter komplett unnötig zu machen, konnten wir nicht vollständig umsetzen."). Das ist wenig glaubwürdig, wenn man bedenkt, dass der Vorschlag bereits deutlich verschärft wurde, seit das SPD-geführte Justizministerium im vergangenen Sommer seinen ersten Entwurf vorgelegt hatte.

Endgültig zur Farce verkommen die Ausflüchte der CDU angesichts der fortlaufenden Aktivitäten des CDU-Europaabgeordneten und Chef-Verhandlers der EU-Urheberrechtsrichtlinie Axel Voss. Dieser versucht derzeit in Brüssel, hinter verschlossenen Türen die Umsetzung der Uploadfilter sogar noch weiter zu verschärfen.

Gemeinsam mit anderen Abgeordneten, vornehmlich aus Spanien und Frankreich, [Update, 16.02.2020, 6:50 Uhr] kritisiert Voss in einem Schreiben an die EU-Kommission deren Entwurf für die Leitlinien zur Umsetzung von Artikel 17, wonach nur höchstwahrscheinlich rechtswidrige Nutzungen urheberrechtlich geschützter Inhalte automatisch gesperrt werden dürfen, während mutmaßlich erlaubte Nutzungen bis zu einer menschlichen Prüfung online bleiben müssen. Dieser Ansatz der Leitlinien würde "die erreichte Einigung über Artikel 17 nicht angemessen widerspiegeln", schreiben die Abgeordneten. [/Update] Genau diese Ausnahmen für potentiell legale Uploads sind jedoch ein Kernstück des Gesetzesvorschlags der Bundesregierung. Weitere Angriffe der CDU auf die Rechte der Nutzer:innen sind im Gesetzgebungsverfahren also zu befürchten. Umso wichtiger ist es, die Gefahren zu illustrieren, die von Uploadfiltern für die Meinungsfreiheit ausgehen.

Der türkischsprachige YouTube-Kanal Bold Medya erreicht gut 200.000 Abonnent:innen. Die teilweise in Deutschland lebenden Betreiber:innen setzen sich regelmäßig kritisch mit der Politik des türkischen Präsidenten Erdoğan auseinander. Dass die Videos von Bold Medya wiederholt wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen gesperrt wurden, sei kein Zufall, sondern ein gezielter Versuch des Staatssenders TRT, durch falsche Copyright Claims über YouTubes Filtersystem ContentID unabhängige Berichterstattung zu unterdrücken, sagt die International Journalists Association, ein deutscher Verein, der sich für die Belange türkischer Exiljournalist:innen einsetzt.

Kolumne: Edit Policy

(Bild: 

Volker Conradus, CC BY 4.0

)

In der Kolumne Edit Policy kommentiert der ehemalige Europaabgeordnete Felix Reda Entwicklungen in der europäischen und globalen Digitalpolitik. Dabei möchte er aufzeigen, dass europäische und globale netzpolitische Entwicklungen veränderbar sind, und zum politischen Engagement anregen.

Zwar waren die Beschwerden von Bold Medya bei YouTube erfolgreich und die Videos wurden schließlich wieder freigeschaltet, durch die Urheberrechtsreform könnten sich solche Missbrauchsfälle jedoch zukünftig häufen. Bisher gibt YouTube nur wenigen Rechteinhaber:innen, in der Regel großen Medienhäusern wie TRT, Zugriff auf seine Uploadfilter.

Durch Artikel 17 wären Plattformen zukünftig verpflichtet, grundsätzlich allen Rechteinhaber:innen die Möglichkeit zu geben, Uploads ihrer Werke vorsorglich sperren zu lassen. Da das Urheberrecht anders als Patente oder Markenrechte nicht registrierungspflichtig ist, ist es aber gar nicht so leicht nachvollziehbar, wer ein echter Rechteinhaber ist.

Immerhin sieht der deutsche Entwurf zur Umsetzung von Artikel 17 vor, dass wiederholte falsche Copyright Claims zum Ausschluss vom Filtersystem führen sollen und Plattformen sowie Nutzer:innen in solchen Fällen Schadensersatzansprüche geltend machen können.

Wer jedoch Uploadfilter gezielt nutzen will, um eine bestimmte Botschaft zu einem kritischen Zeitpunkt aus dem Netz zu tilgen, wird sich davon nicht unbedingt abschrecken lassen. Um die Vorgabe der EU-Richtlinie zu erfüllen, dass legale Inhalte gar nicht erst gesperrt werden dürfen, muss der deutsche Gesetzgeber also mehr tun, als im Nachhinein gegen Missbrauch von Uploadfiltern vorzugehen.