Managing Dahoamity: BMW in Garmisch-Partenkirchen

Nach zwei Veranstaltungen in Berlin finden die BMW Motorrad Days wieder in Garmisch statt. Das sind gute Nachrichten weit über die Veranstaltung hinaus.

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BMW R 1300 GS Adventure

Auf den Motorrad Days stellte BMW in diesem Jahr die R 1300 GS Adventure vor

(Bild: BMW)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Im BMW-Konzern wechseln Manager periodisch die Stellungen. Das soll wahrscheinlich dafür sorgen, dass immer mal wieder frischer Wind weht und sich Sparten nicht zu sehr auf einer Management-Schiene festfahren. Die Kehrseite des Systems: Wie eine Sparte gemanaged wird, hängt stark von der jeweils agierenden Person ab. Das zeigt schon meine eigene Erfahrung als berichtender Begleiter des Konzerns. Mein Kollege Maik Schwarz schickte mir vor einiger Zeit ein Bild, auf dem der ehemalige Chef von BMW Motorrad Herbert Diess Birnen erntet, und wir dachten das Gleiche: Dann kann er dort zumindest nur ein paar (hoffentlich eigene) Birnen zermatschen statt einen deutschen Industriezweig.

Auf Diess folgte 2008 Hendrik von Kuenheim, dessen bodenständige Art und gutes Gefühl für die Szene der Motorradsparte sehr guttat. Dann kam 2012 Stephan Schaller, zwar auf die Zahlen schaute, thematisch jedoch von Anfang an auf der Durchreise schien. 2018 übernahm Markus Schramm, der seit 1991 bei der BMW Group arbeitet und obendrein fleißig Motorradtouren fährt. Er stand also solide in beiden Welten, Konzern und Kundenszene und widmete sich intensiv der Modellpolitik. Jeder dieser Männer drückte seinen eigenen Stempel auf BMW Motorrad, auch wenn man den Einfluss des Managements nicht überbewerten sollte. Gute Produkte kommen aus der Entwicklung. Das Management muss sich nur überzeugen lassen, und es gibt in der Fahrzeugindustrie ja zuhauf Beispiele, in denen das erst passierte, nachdem die Entwicklung sie heimlich vor vollendete Tatsachen stellte.

Vor diesem Kontext ist es auch nachvollziehbar, wieso das Management um Markus Schramm die BMW-eigene Großveranstaltung "BMW Motorrad Days" für 2022 nach Berlin holte: In Berlin steht doch das Werk! Die Geschichte! Da sind auch die hippen, urbanen Neubärte, die teure Retromotorräder kaufen könnten. BMW Motorrad sollte näher an diese "urbanen" Menschen mit Geld für ein Motorrad kommen, von denen sich viele Firmen Einnahmen versprechen, obwohl die Zahlen eigentlich eindeutig sind: Städter kaufen genauso gern große Fahrzeuge wie Ländler, es liegt nur am verfügbaren Einkommen. Jedenfalls wurde in Berlin aus einem der trotz oder wegen Herstellerbeteiligung angenehmsten Motorradtreffen der Welt eher eine Marken-Messe mit Abendveranstaltung.

Im "Heritage"-Zelt in GaPa standen die Kunst-Umbauten und dort spielten abends die Indie-Bands. Auch das war aber schon vor Berlin so, nur dass die Heritage-Fläche immer mal ein bisschen anders aussah.

(Bild: Clemens Gleich)

Während den Planern die Idee offenbar okay schien, wussten die Motorradfahrer schon vor der ersten Veranstaltung in Berlin, dass der Hauptstadt mehrere der wichtigsten Aspekte fehlen. Die mit Abstand wichtigste Absenz sind Motorradstrecken. Berlin, ich bemitleide deine Motorradfahrer. Sie treffen sich an der Spinnerbrücke, fahren Wheelies, aber wenn sie Kurvenstrecken fahren wollen, stehen 250 km Anfahrt auf dem Tageskilometerzähler oder es geht auf nächsten Rundkurs, den Spreewaldring. Es fehlte aber auch an netten Nachbarn, die zur Party kommen. Nach Garmisch-Partenkirchen fuhren und fahren die Leute aus aller Herren Länder, und zwar in Mengen. Die Mannstärke des italienischen Kontingents hat in Berlin einfach schmerzhaft gefehlt, genauso wie die Tagesgäste aus Slowenien und Österreich. Berlins Nachbar Polen macht gutes Bier, aber hat halt mit Motorrädern weniger am Hut als Italien.

Ende 2023 ging Schramm in den Ruhestand, Markus Flasch übernahm. Eine seiner ersten nach außen sichtbaren großen Amtshandlungen war die Rückkehr nach Bayern für die BMW Motorrad Days. Im Februar 2024 verkündete BMW Motorrad, dass die Veranstaltung nach Bayern heimkehrt. "Es ist schön zu sehen, dass sich die BMW-Motorradfreunde in Garmisch-Partenkirchen vielleicht doch ein bisschen wohler gefühlt haben als in Berlin“, schrieb die Stadt in ihrer Pressemeldung. Motorradfahrer sind heute wohlhabend, angepasst und anspruchsarm – "gute Gäste", wie die Tourismusanbieter wissen. Wenn man die als Kunden gewinnt, sind sie zudem überdurchschnittlich treu.

Die Band baut auf am Hausberg. Der Claim für 2024 schrieb sich von selbst.

(Bild: Clemens Gleich)

Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, sodass das Programm fast wie früher war. Nur das Fahren ohne Führerschein und der Enduro-Testbereich fehlten am Ende. Da war die Vorlaufzeit für die Verantwortlichen in Garmisch und bei BMW anhand des vollen Sommerprogramms dann doch zu kurz. Als ich nach dem Alpentest von Ducati Hypermotard 698 Mono und Royal Enfield 450 (zu beiden später ein Test) am Hausberg einlief, war es dennoch, als hätte es das Zwischenspiel in Berlin nie gegeben.

BMW R 1300 GS Adventure (4 Bilder)

Neuer Kofferträger für das BMW-eigene Koffersystem an der neuen Adventure. Hoffentlich mit Kofferdeckeln, die auch ohne Zurrgurt zubleiben. Zwinker, zwinker.
(Bild: Clemens Gleich​)

Touratech, Wunderlich, Hornig und viele andere präsentierten ihre fein ziselierten und hoch bepreisten Zusatzgewichte, die man vor allem an die GS-Reihen hängen kann. Trend dieses Jahr sind, denke ich, Scheiben vor der Scheinwerferscheibe der X-förmigen GS-Scheinwerfer. Die Weltreise-Fraktion zeigte ihre Dias und Videos im Kinohaus. Periodisches Regenwetter konnte die Camper nicht davon abhalten, ihre Plätze direkt am Geschehen einzunehmen. Im großen Bierzelt spielte eine Partyband auf und der bewährte Caterer Käfer servierte Brathendln. Der Lagerfeuersänger hatte kein Lagerfeuer mehr (ich schiebe es auf amtliche Vorgaben), aber er hatte seine Gitarre und sang, und das Zelt war rot in Erinnerung daran, dass man früher Feuer machen durfte. Man konnte die BMW-Palette probefahren und am Freitagabend stellte BMW die neue 1300 GS Adventure vor, die für reichlich Gesprächsstoff sorgte. Es fehlten natürlich alte Gesichter, die durch neue ersetzt wurden. Aber das ist keine BMW-Besonderheit, das ist das Leben. Es war wie früher. Und das war genau richtig.

Dahoamity (3 Bilder)

Geselligkeit, Bier, Wurst, Hähnchen, Lederhosen und Motorradfahren. Das Rezept für das größte bayrische Motorradtreffen ist wie das bayrische Essen: nicht komplex, aber gut und reichlich.
(Bild: Clemens Gleich​)

Es ist ein erstaunlich weitverbreitetes Missverständnis, dass Motorradfahrer komplexe Kreaturen seien, die ganz fein austarierte Spezialbehandlungen bräuchten. Das Gegenteil ist wahr: Die einfachen Dinge sind es, die uns zu Maschinen und Veranstaltungen ziehen. Ein Motorrad muss sich gut anfühlen und wenn der Nachbar sich auch noch davon beeindrucken lässt: umso besser. Eine GS, das will ich trotz langer Feindschaft sagen, fühlt sich in ihrem Kontext gut an. Der Nachbar wird ihrer German Gemütlichkeit mehr zugetan sein als der drahtigen Ducati Hypermono.

Ähnlich einfach die Anforderungen an Motorradtreffen: Da geht es um berauschte Geselligkeit, Motorradfahren und um simple, gut abgehangene Pentatonik-Werke der Rockmusikgeschichte. Das alles lieferte BMW in Garmisch-Partenkirchen. Ich war schon oft dort, obwohl noch nie mit einer BMW, wie viele Andere auch. Solange die Veranstaltung ihren Basics treu bleibt, werden wir immer wiederkommen. Dass das Management der Relevanz der Einfachheit, der Basics, von Anfang an Beachtung schenkt, lässt auf eine gute Führung in den nächsten Jahren hoffen. Viel Erfolg, Markus!

(cgl)