"Was nicht da ist, kann auch nicht kaputtgehen"

Zwei Trends kennzeichnen die heutige Automobilindustrie: Der Trend zu umweltfreundlicheren Autos und der zu besonders billigen. Bei Renault Nissan setzt man derzeit auf den Preis. Interview mit dem für den Dacia zuständigen Produktmanager Florian Hüttl.

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Zwei Trends kennzeichnen die heutige Automobilindustrie: den zu umweltfreundlicheren Fahrzeugen und den zu besonders billigen. Beim Konzern Renault Nissan setzt man derzeit offensichtlich vor allem auf letzteren Ansatz: Seine Tochter Dacia hat nun den billigsten Kombi aller Zeiten vorgestellt. Das geht nur durch einen enorm strikten Produktionsprozess, wie der bei Renault Deutschland für Dacia zuständige Produktmanager Florian Hüttl im Interview mit Technology Review sagt.

Technology Review: Herr Hüttl, mit dem Dacia Logan MCV verkauft Renault seit diesem Monat einen Kombi für 8400 Euro aufwärts – billiger ging das noch nie. Aber ist das wirklich ein Fahrzeug, das Sie Ihrem Sohn mit gutem Gewissen zum Achtzehnten schenken würden?

Florian Hüttl: Na klar, dann hätte er ein preiswertes, unkompliziertes und absolut zuverlässiges Fahrzeug. Und aufgrund der niedrigen laufenden Kosten bliebe ihm darüber hinaus noch genug vom Taschengeld übrig, um mit der Freundin in Urlaub zu fahren.

TR: Bislang halten sich die Logan-Zulassungen beim ersten Modell mit Stufenheck in Deutschland eher in Grenzen – offensichtlich gibt es mit dem Fahrzeug aus Rumänien gewisse Berührungsängste. Sie haben gut 6000 Stück des Billig-Autos abgesetzt. Wird das beim Kombi besser?

Hüttl: Nachdem wir im vergangenen Jahr nur 4000 Logan-Limousinen in Deutschland verkaufen wollten, waren wir mit über 6000 tatsächlich zugelassenen Fahrzeugen mehr als zufrieden. Dass der MCV im Kombi-Land Deutschland noch besser laufen würde, war uns klar. Allerdings konnten wir nicht ahnen, dass wir bereits eine gute Woche nach dem Verkaufsstart mit Lieferzeiten und Wartelisten würden arbeiten müssen. Der Logan MCV wird unseren Händlern aus den Händen gerissen, wer heute bestellt, muss mehrere Monate auf seinen Raumtransporter warten.

TR: Der erste Logan wirkte ein bisschen wie ein Fahrzeug aus den Achtzigern. Ist der Kombi jetzt ein "richtiges" Auto, das mit heutigen Modellen tatsächlich konkurrieren kann?

Hüttl: Limousine wie Kombi sind moderne Autos mit absolut zeitgemäßer Technik. Der Verzicht auf technische Gimmicks und Luxus aus der Aufpreisliste kommt unseren Kunden absolut entgegen. Sie wissen doch, dass das Schönste am Fahrzeug das ist, was es nicht hat. Es kostet nichts und kann nicht kaputtgehen.

TR: UrsprĂĽnglich hat man den Dacia als "5000-Euro-Auto" in Osteuropa vermarktet, inzwischen ist das Fahrzeug auch nach Deutschland gekommen. Dennoch scheinen Sie hierzulande eher geringere StĂĽckzahlen zu erwarten, das Gros geht weiterhin nach Osteuropa.

Hüttl: Das war auch nie anders geplant. Für uns ist der Dacia Logan eine erfreuliche Ergänzung der Renault-Modellpalette. Wir sind eine Firma mit vielen schönen und attraktiven Töchtern, die Konzentration auf Dacia liegt tatsächlich in den Ländern, für die die Logan-Baureihe ursprünglich konzipiert worden ist.

TR: Wo wird der Dacia-Kombi produziert?

Hüttl: Zurzeit ausschließlich im Dacia-Stammwerk in Pitesti, Rumänien.

TR: Sind Billig-Autos nur durch Branchengrößen baubar, die auf vorhandenes Know-how aufbauen können?

Hüttl: Es ist es natürlich von Vorteil, auf bestehende ausgereifte Komponenten zurückgreifen zu können. Wobei unsere Wettbewerber erst noch den Beweis antreten müssen, ob ihr zweifellos vorhandenes Know-how ausreicht, Produkte auf Dacia-Niveau zum Dacia-Preis anbieten zu können.

TR: Was sagen Sie zu den Plänen von Toyota, ebenfalls ein Billig-Fahrzeug zu bauen?

Hüttl: Nach dem Erfolg des Logan wundert es nicht, dass auch andere Hersteller beabsichtigen, ihren Kunden wirklich preiswerte Fahrzeuge anbieten zu wollen. Wir freuen uns über jeden Konkurrenten, der das Geschäft belebt. Wobei das Original immer der Dacia Logan bleiben wird.

TR: Können Sie kurz aufzählen, woher die einzelnen Logan-Komponenten stammen? Man hört zum Beispiel vom Clio.

HĂĽttl: Der Logan basiert auf der Plattform B von Renault Nissan, die auch im aktuellen Clio, im Modus sowie in den Nissan-Modellen Note und Micra zum Einsatz kommt. Die Motoren stammen aus dem Programm von Renault.

TR: Ist der Produktionsprozess bei Dacia anders als anderswo, um die Preise zu halten?

Hüttl: Der Produktionsprozess an sich ist nicht anders. Der Unterschied liegt in der Vor-Produktionsphase. Vom ersten Pinselstrich an hatten die Kosten absolute Priorität. Das heißt, keine Investition in etwas, das der Kunde nicht bereit ist, zu bezahlen. Keine unnütze Motorenvielfalt, möglichst viele Gleichteile.

TR: Auch andere Automobilhersteller produzieren an gĂĽnstigen Standorten, erzielen aber bislang nicht diese Preise. Geht das auf Kosten der Mitarbeiter?

Hüttl: Nein, absolut nicht. Dacia-Mitarbeiter in Rumänien arbeiten zu landesüblichen Tarifen, genauso wie ihre Kollegen in der Slowakei, in Polen, Slowenien, aber auch Spanien oder Frankreich.

TR: Im deutschen Logan-Prospekt wird die rumänische Herkunft der Marke nicht genannt; auch nicht, wo das Auto produziert wird. Geniert sich Renault?

HĂĽttl: Nein, absolut nicht. AuĂźerdem: Weder wir noch andere Automobilhersteller verweisen in Prospekten gezielt auf den Produktionsort des jeweiligen Modells.

TR: Wenn man mit Renault-Händlern spricht, so vergleichen diese Dacia gerne mit der VW-Tochter Skoda – die sei früher auch als Billig-Marke eingeführt worden und habe heute ein Mittelklasse-Image. Streben Sie so etwas an? Oder soll Dacia eine Billig-Marke bleiben?

Hüttl: Wie bereits gesagt, Dacia-Modelle sind eine attraktive Ergänzung der Renault-Modell-Palette. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

TR: Wie umweltfreundlich kann ein Billig-Auto sein?

Hüttl: Alle Dacia-Motoren (also Renault-) erfüllen die gesetzlichen Vorschriften bezüglich der gegebenen Emissionsrichtlinien. Wobei Dacia natürlich davon profitiert, dass der Renault-Konzern – im Gegensatz zu einigen arrivierten Wettbewerbern – seine Hausaufgaben im Bereich Umweltschutz und Reduzierung der Abgaswerte längst mit Erfolg gemacht hat.

TR: Wer heute ein Hybrid-Fahrzeug fahren will, zahlt mindestens 25.000 Euro. Ist so etwas in der Billig-Klasse denkbar? Oder muss man noch zehn Jahre warten, bis die Komponenten preiswert genug sind?

Hüttl: Das ist zurzeit weder denkbar noch beabsichtigt. Wie sich die Situation in zehn Jahren darstellen wird, werden wir sehen. Allerdings können Sie davon ausgehen, dass Automobile aus dem Renault-Konzern heute wie in zehn Jahren den aktuellen Stand der Technik zu vom Kunden bezahlbaren Preisen repräsentieren.

TR: Wie sieht es bei der Sicherheit aus? Sie verkaufen Seitenairbags zum Beispiel nur gegen Aufpreis, während ESP gar nicht angeboten wird. Schlucken das die Kunden zu diesem Preis?

HĂĽttl: Unsere Kunden sind offensichtlich hoch zufrieden mit dem, was wir ihnen zu konkurrenzlos gĂĽnstigen Preisen anbieten.

TR: Der erste Logan hatte ziemlich viel schlechte Presse – etwa in Sachen Sicherheit. Droht Ihnen Ähnliches beim Kombi? Gibt es eine Art Nichtglauben an solche Preise?

Hüttl: Es ist doch klar, dass der Logan vielen unserer Wettbewerber ein Dorn im Auge war und ist. Die Presse hat unser Preiswunder inzwischen voll akzeptiert. Jeder Journalist, der den Logan tatsächlich selbst gefahren hat, musste feststellen, dass durchaus sein kann, was nach über Jahre manifestiertem Denkschema eigentlich nicht sein darf.

TR: Was kommt nach dem Kombi?

Hüttl: Zunächst der Logan Van, also die Nutzfahrzeugvariante, Ende dieses Jahres. In der Planung befinden sich außerdem drei weitere Modell-Varianten. (wst)