Android-Smartphone Xolo X900: Atom statt ARM

Intel Inside: Mehr als vier Jahre hat es seit der Vorstellung der x86-Prozessorfamilie Atom gedauert, bis endlich ein damit bestücktes Smartphone im (indischen) Handel auftauchte. Nach ersten Tests ist das Xolo X900 vielen ARM-Konkurrenten ebenbürtig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 144 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Aus Intels Sicht das Wichtigste am Xolo X900: Das eigene Logo auf der Rückseite.

(Bild: Intel)

Ob es Intel letztlich schafft, die hauseigene x86-Mikroarchitektur in Abermillionen Smartphones unterzubringen, hängt weiterhin von vielen Unwägbarkeiten ab. Doch wesentliche technische Nachteile im Vergleich zu ARM-Prozessorkernen, die bislang in Handys und Tablets dominieren, dürften die x86-Technik nicht am Erfolg hindern. Glaubt man ersten Tests, so schlägt sich das Atom-Smartphone Xolo X900 des indischen Anbieters Lava recht wacker im Vergleich zur Konkurrenz mit ARM-SoCs.

Kurzer Rückblick: Im Frühjahr 2008 erschienen die ersten Atom-Chips, die Intel-Chef Otellini schon im Herbst zuvor als eines der wichtigsten neuen Produkte seines Unternehmens angekündigt hatte. Sie sollen das Marktpotenzial der hauseigenen x86-Mikroarchitektur über die rund 400 Millionen jährlich verkauften Desktop-PCs, Notebooks und Server hinaus auf die mehr als 1 Milliarde Smartphones erweitern. Außerdem will Intel die ARM-Konkurrenz stoppen, die mit Tablets im PC-Markt wildert.

Lava Mobile Xolo X900: Android-Smartphone mit 4-Zoll-Display und Atom

(Bild: Intel)

Doch der Einstieg in den Smartphone-Markt gestaltete sich weitaus schwieriger als von Intel anscheinend erwartet – mehrere Generationswechsel der Atom-Technik waren nötig. Es bedurfte zudem flankierender Maßnahmen wie den Aufbau zusätzlicher Kompetenzen im Embedded-Systems-Markt, mehr Software-Unterstützung für Android und vermutlich auch das Erlernen der Handelsgepflogenheiten im Smartphone-Geschäft.

Das Xolo X900 kann nun erstmals die von Intel bisher nur behaupteten Vorteile der x86-Technik in Smartphones beweisen. Drin steckt das System-on-Chip Atom Z2460 alias Medfield mit einem einzigen CPU-Kern, der dank Hyper-Threading aber zwei Threads quasi gleichzeitig verarbeitet. Die Taktfrequenz beträgt bis zu 1,6 GHz. Ein von Imagination Technologies zugekaufter PowerVR-SGX540-Grafikkern mit 400 MHz sowie die auch in ARM-SoCs üblichen HD-Video-Beschleuniger sind ebenfalls mit von der Partie. Als Besonderheit gibt es den mit Silicon Hive eingekauften Bildprozessor, der im Verbund mit dem 8-Megapixel-Sensor überdurchschnittlich viele Kamerafunktionen ermöglichen soll. Eine Emulationsfunktion ermöglicht es dem Atom, auch ARM-Binärcode auszuführen, sodass nur sehr wenige Android-Apps nicht laufen.

Funktionsblöcke des Atom Z2460 alias Medfield

(Bild: Intel)

Bei der Entwicklung des Xolo X900 hat Lava eng mit Intel kooperiert. Das Gerät besitzt ein 4-Zoll-Display mit 1024 × 600 Pixeln, wiegt 127 Gramm und misst 12,3 Zentimeter × 6,3 Zentimeter bei einer Stärke von knapp unter 12 Millimetern. Das 3G-Modem XMM6260 stammt ebenfalls von Intel, nämlich von der ehemaligen Infineon-Mobilfunksparte, und unterstützt HSPA+ – weitere Details liefert die ausführliche Datentabelle auf der Xolo-Webseite.

Die Tester von Anandtech und Extremetech haben sich bereits Muster des Xolo X900 beschafft und eine Fülle von Benchmarks veröffentlicht. Demnach hält das Gerät im Wesentlichen, was Intel versprochen hat: Performance und Akkulaufzeit liegen ähnlich wie bei aktuellen Smartphones, in denen ARM-SoCs mit zwei Cortex-A9-Kernen stecken. Bei der Single-Thread-Performance ist der Atom aber oft deutlich schneller. Die jüngsten Konkurrenten mit dem 28-nm-Chip Snapdragon S4 von Qualcomm jedoch, in denen optimierte, A9-kompatible Kerne stecken, stechen den Atom Z2460 in einigen Benchmarks aus. Bei den Grafik-Benchmarks gibt es keine Überraschungen – manche ARM-SoC wie Apples A5 besitzen deutlich leistungsfähigere GPUs. Für x86-Skeptiker überraschend dürften die konkurrenzfähigen Akkulaufzeiten sein.

Zu den Android-Apps, die sich wegen des x86-Kerns nicht installieren lassen, gehört laut Anandtech ausgerechnet der Adobe Flash Player 11 – ein Treppenwitz, denn einst hatte Intel ausgerechnet die angeblich gute Flash-Performance der Atoms als Argument contra ARM ins Feld geführt. Auf dem Xolo X900 ist aber der Flash Player 10.3 vorinstalliert. Das X900 läuft unter dem eigentlich veralteten Gingerbread-Android 2.3.7, ein Update auf Android 4.0 soll angeblich kommen.

Nach Lava wollen auch Lenovo (K800 in China) und Orange (in Frankreich und Großbritannien) recht ähnliche Atom-Smartphones auf den Markt bringen. Motorola arbeitet ebenfalls an einem Gerät. Intel wiederum will in der zweiten Jahreshälfte Muster des Atom Z2580 mit zwei Atom-Kernen und PowerVR SGX544 MP2 ausliefern, der ab 2013 in Smartphones erscheinen könnte. Für billigere Geräte kommt der langsamere Atom Z2000 in Betracht. Windows-8-Tablets mit dem Dual-Core Atom Z2760 (Clover Trail) sollen wohl noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Alle erwähnten Chips entstammen der 32-nm-Fertigung. Im Verlauf des Jahres 2013 werden Atoms mit 22-nm-Strukturen und Tri-Gate-Transistoren erwartet. (ciw)