Autonomes Fahren, Update-Pflicht: Regierung bringt mehrere Gesetze auf den Weg

Die Bundesregierung hat Gesetze fĂĽr eine Aktualisierungspflicht fĂĽr Smartphones, eine Schnellladeinfrastruktur, zum Setzen von Cookies und Open Data gebilligt.

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Ziel autonomes Elektro-Auto: BMW und Daimler beginnen "Now"-Mobilitätsdienste

(Bild: Buntoon Rodseng / shutterstock.com)

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Die Bundesregierung hat am Mittwoch über 35 Gesetzesentwürfe, Verordnungen und Aktionsprogramme auf den Weg gebracht. Darunter sind viele Vorhaben mit digitalpolitischen Auswirkungen und Schwerpunkten, mit denen sich Bundestag und Bundesrat nun bis September beschäftigen müssen. Verbände und zivilgesellschaftliche Organisationen monieren seit Wochen, dass die Gesetzesflut kaum zulässt, fundiert dazu Stellung zu nehmen.

Geeinigt haben sich die Ministerien nach einigen Auseinandersetzungen etwa auf ein " Gesetz zum autonomen Fahren ". Vollautomatisiertes Fahren der Stufe 4, bei dem das System für definierte Anwendungen vollständig die Kontrolle übernimmt und dann nicht mehr überwacht werden muss, sollen damit zunächst in festgelegten Betriebsbereichen bundesweit im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb fahren können.

Zu den vorgesehenen Einsatzszenarien zählen Shuttle-Verkehre sowie andere automatisch verkehrende Verkehrsmittel für kurze Strecken, zum Beispiel auf Flughäfen und Messen. Auch für den Verkehr zwischen zwei Verteilzentren, automatisches Einparken sowie für die Beförderung von Personen beziehungsweise Gütern auf der ersten oder letzten Meile sollen Robo-Autos verwendet werden können. Auch "nachfrageorientierte Angebote in Randzeiten" will die Regierung damit bedienbar machen.

Ein Fahrer muss auch auf Stufe 4 noch an Bord sein und eingreifen können. Das Gesetz sieht technische Anforderungen an den Bau, die Beschaffenheit und die Ausrüstung von Kfz mit autonomen Fahrfunktionen vor sowie Verfahren für die Erteilung einer Betriebserlaubnis.

Es sei davon auszugehen, dass die Technik "anfangs noch nicht alle Sachverhalte in vollem Umfang durch intelligentes Erfassen der Situation und kooperatives Verhalten mit anderen Verkehrsteilnehmenden zu lösen vermag", schreibt die Regierung. Das Kfz solle daher "ein oder mehrere alternative Fahrmanöver vorschlagen", die "durch die Technische Aufsicht der Situation entsprechend zu bewerten und gegebenenfalls freizugeben sind". Als "denkbare Fälle", in denen das Fahrzeug durch die Betriebsaufsicht gelenkt werden müsse, führt die Regierung etwa an, eine wegen einer Störung dauerrote Ampel nicht zu beachten. Selbst bewältigen müsse das Auto dagegen "kurzfristig auftretende und aufzulösende Störungen der dynamischen Fahrzeugsteuerung".

In dem Entwurf enthalten sind auch Vorgaben für die Datenverarbeitung, zu denen das Justizministerium höhere Schutzstandards angemahnt hatte. Ferner soll es möglich sein, "schlafende" automatisierte und autonome Fahrfunktionen bereits typgenehmigter Kfz nachträglich freizuschalten. Vorschriften für Probeläufe solcher Fahrzeuge werden angepasst und harmonisiert.

Das Bundesverkehrsministerium legte einen Gesetzentwurf vor, mit dem eine flächendeckende Schnellladeinfrastruktur für rein batteriebetriebene Elektroautos entstehen soll. Damit will die Regierung eine europaweite Ausschreibung von 1000 Standorten für Schnellladesäulen mit über 150 Kilowatt ermöglichen. Für den Aufbau der Infrastruktur sind rund 2 Milliarden Euro vorgesehen. Der Bund will sich daran anteilig beteiligen, soweit dies erforderlich ist.

Das Wirtschaftsministerium legte einen überarbeiteten Entwurf für ein Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) vor. Damit will die Regierung vor allem das Setzen von Cookies in Browsern regeln. Sie orientiert sich dabei eng an der E-Privacy-Richtlinie. Das Speichern und Auslesen von Informationen auf Nutzergeräten soll so grundsätzlich nur nach einer zuvor erteilten, informierten Einwilligung zulässig sein.

Neu sind Vorgaben fĂĽr den "digitalen Nachlass". Das Fernmeldegeheimnis soll demnach Erben nicht daran hindern, Rechte des Verstorbenen gegenĂĽber dessen Telekommunikationsanbietern wahrzunehmen. Auch ein Rechtsrahmen fĂĽr Personal Information Management Services (PIMS) ist vorgesehen.

Aus dem Wirtschaftsressort stammt zudem die Vorlage für ein Gesetz, mit dem die Regierung die EU-Strombinnenmarktrichtlinie umsetzen will. Damit sollen Versorger eine Rechtsgrundlage für dynamische, zeitabhängige Stromtarife erhalten, die den Börsenstromentwicklungen folgen und so eine Kostenersparnis für den Verbraucher ermöglichen. Das zunächst vorgesehene Modell der "Spitzenglättung", wonach in Engpässen aufgrund gesteigerter Nachfrage durch E-Mobilität und Wärmepumpen die Stromzufuhr für bis zu zwei Stunden abgeregelt werden könnte, ist zunächst vom Tisch. Zudem soll die Wasserstoffnetzinfrastruktur vorangebracht werden.

Ausgesprochen hat sich die Regierung auch für eine Aktualisierungspflicht etwa mit Updates oder Upgrades für "Sachen mit digitalen Elementen" wie Smartphones, intelligentes Spielzeug, Computer, vernetzte TV-Geräte, Saugroboter, Fitness-Trackern und Spielekonsolen sowie damit verbundene Apps. Sie will damit die EU-Warenkaufrichtlinie auf Initiative des Justizministeriums in nationales Recht gießen. Der Rechtsanspruch soll für einen Zeitraum gelten, der "vom Verbraucher als angemessen erwartet werden kann".

Angenommen hat die Regierung auch den Entwurf aus dem Justizressort für ein Gesetz zur Strafbarkeit krimineller Handelsplattformen im Internet und entsprechende Server-Infrastrukturen. Bei gewerbsmäßigem Handeln sollen die Fahnder die Telekommunikation Verdächtiger sowie genutzter Server überwachen, Staatstrojaner für heimliche Online-Durchsuchungen einsetzen sowie einen großen Lauschangriff durchführen können. Das Vorhaben setze quasi jede Plattform im Netz unter Generalverdacht und gehe eindeutig zu weit, kritisierte der eco-Verband der Internetwirtschaft. Eingeschlossen würden auch Plattformen und Foren wie soziale Netzwerke, auf denen Nutzer sich zu nicht-kommerziellen Zwecken austauschen.

Dazu kommen soll ein Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten. Für Bürger, Unternehmen, Organisationen, Verbände sowie andere am Prozessgeschehen Beteiligte will die Regierung damit eine rechtliche Grundlage für ein "besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach" (eBO) analog zum Anwaltspostfach (bEA) schaffen. Auch die EU-Digitalisierungsrichtlinie soll umgesetzt und so die Online-Gründung einer GmbH möglich sowie ein Online-Verfahren für Registeranmeldungen einschließlich der Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur und des Auslesens von Lichtbildern aus dem Chip des Personalausweises eingeführt werden.

Das Bundesinnenministerium (BMI) legte einen Entwurf vor, wonach der elektronische Identitätsnachweis (eID) mit einem mobilen Endgerät durchgeführt und der mit dem Personalausweis verbundene Online-Ausweis auf Smartphones und Tablets wandern soll. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsressort hat das BMI zudem einen Entwurf zur Reform des E-Government- sowie des Open-Data-Gesetzes durchs Kabinett gebracht. Dabei geht es darum, die Nutzung von Daten des öffentlichen Sektors nach EU-Vorgaben zu erleichtern sowie deren ökonomisches und zivilgesellschaftliches Potenzial zu heben. Ziel ist es, Verwaltungsdaten standardmäßig offen bereitzustellen ("Open-by-Default").

(anw)