BGH-Entscheidung zu Lehrerbewertungen im Internet rückt näher
Das Kölner Oberlandesgericht hat erneut gegen eine Lehrerin entschieden, die sich durch Schülerbenotungen auf dem Portal "spickmich" in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt sieht. Jetzt wird sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall beschäftigen.
Das Kölner Oberlandesgericht (OLG) hat am heutigen Donnerstag wie erwartet erneut gegen eine Lehrerin entschieden, die sich durch Schülerbenotungen auf dem Portal "spickmich" in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt sieht. Die Bewertungen auf "spickmich" seien zulässig und vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt, stellte das OLG fest (Aktenzeichen: OLG Köln 15 U 43/08). Aussagen wie "gut vorbereitet" oder "menschlich" bedeuteten keinen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Klägerin.
Die Gymnasiallehrerin hatte bereits im Sommer 2007 eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung ihres Namens und der von ihr unterrichteten Fächer beantragt, scheiterte damit aber erst vor dem Kölner Landgericht und später vor dem OLG Köln. Ihre Ansprüche verfolgte die Lehrerin, die im Gesamtergebnis zunächst die Note 4,3 erhalten hatte, dann im "normalen" Klageverfahren weiter, wobei sie einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend machte.
Nachdem das Landgericht Köln Ende Januar im Hauptsacheverfahren ebenfalls gegen die Lehrerin entschied, reichte diese Berufung ein, sodass nun wieder das OLG Köln am Zug war. In der Begründung des heutigen Urteils führen die OLG-Richter aus, es liege kein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor. Sämtliche Bewertungskriterien von "spickmich" stellten Werturteile dar, sodass das Forum dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes unterfalle.
Im Rahmen einer Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und den Persönlichkeitsrechten der Lehrerin ergebe sich im Ergebnis kein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gymnasiallehrerin, heißt es weiter. So weit es um berufsbezogene Kriterien wie "guter Unterricht", "fachlich kompetent", "motiviert", "faire Noten", "faire Prüfungen" und "gut vorbereitet" gehe, sei die Lehrerin nicht in ihrem Erscheinungsbild oder ihrer allgemeinen Persönlichkeit betroffen, sondern allein in der konkreten Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit.
Der Senat stellte fest, dass auf "spickmich.de" kein "uneingeschränkt öffentliches" Bewerten der Lehrerinnen und Lehrer stattfinde und kein allgemeiner Zugang zu diesen Bewertungen gegeben sei. Die Namen und Bewertungen der Lehrer könnten nicht über Internet-Suchmaschinen ermittelt werden, sondern würden lediglich unter den einzelnen Schulen aufgeführt, die im Wesentlichen von interessierten Schülern oder Eltern eingegeben und aufgerufen werden dürften. Die Gefahr von Manipulationen der Bewertung erachtet der Senat angesichts der Zugangskriterien und weiterer Sicherungen als "gering".
Auch eine (korrekte) Einstellung von Zitaten der Lehrerin im Bewertungsmodul sei ähnlich wie deren Wiedergabe in Schülerzeitungen erlaubt, befand das Gericht. Zitate der bewerteten Lehrer würden in dienstlicher Funktion und im Rahmen ihrer Berufsausübung Dritten gegenüber getätigt. Es handele sich daher um Äußerungen, die nicht etwa dem Privatbereich unterfallen, sondern im Rahmen des beruflichen Wirkungskreises der Sozialsphäre zuzuordnen seien.
Trotz der Niederlage auf ganzer Linie für die klagende Lehrerin ließen die OLG-Richter Revision gegen das Urteil zu. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, erklärte das Gericht, weshalb man eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung für erforderlich halte. Damit hat die Gymnasiallehrerin zumindest ein Ziel erreicht: Schon während des Verfahrens vor dem Landgericht Köln hatten ihre Anwälte erklärt, den Zivilrechtsweg voll ausschöpfen zu wollen, um ein Grundsatzurteil zu erwirken. Und dieses wird jetzt kommen.
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(pmz)