Bestandsdaten und Passwort-Abfrage: Starke verfassungsrechtliche Bedenken

Seite 2: "Datenschutzrechtlich Nonsens"

Inhaltsverzeichnis

Aus dem Entwurf geht für Löffelmann zudem nicht hervor, in welchem Umfang Anbieter zum Überprüfen formaler Auskunftsersuchen verpflichtet sind. Der Gesetzgeber verstricke sich hier in Widersprüchen und produziere "datenschutzrechtlich Nonsens". Unter dem "hohen Grad an Ausdifferenzierbarkeit" leide zudem die Praktikabilität. Ein Experiment mit Kollegen und damit "gestandenen Juristen" sei ernüchternd ausgefallen: "Sie sind nicht mit diesem Gesetz zurechtgekommen, haben nicht einmal die richtigen Grundlagen gefunden."

Wenn man ins Gesetz gucken müsse, gebe es "erhebliche Schwierigkeiten durch die Komplexität", räumte Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), ein. Bei der Behörde halte man daher vor allem die Auslegung einschlägiger Normen im Blick und übersetze diese in Kataloge für die Fahnder. Für diese stehe der Aspekt im Vordergrund, Teilnehmer etwa anhand einer dynamischen IP-Adresse und eines Zeitstempels ermitteln und etwa konkrete Schutzmaßnahmen gegen Störer ergreifen zu können. Hier stelle das Vorhaben insgesamt einen guten Schritt dar, um die Voraussetzungen für die Polizei "handlungs- und rechtssicher" zu formulieren.

Der Gesetzgeber sollte den "Geist der Entscheidung" des Verfassungsgerichts in den Blick nehmen, nicht Einzelbefugnisse, forderte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. Die vorgesehene Bestandsdatenauskunft auch bei Ordnungswidrigkeiten etwa im Kampf gegen Schwarzarbeit sei unverhältnismäßig. Da sich der Zugriff der Bundespolizei auf Bestandsdaten inklusive Passwörter bei Telemedienanbietern wie YouTube, Gmail, Facebook oder Tinder in der Praxis "auf wenige Fälle" beschränken dürfte, sollte diese Option ganz entfallen. Beim Zuordnen von IP-Adressen zu Nutzern etwa durch das BKA reiche die vorgesehene Generalklausel mit einem Sammelsurium an Straftaten zudem nicht.

Mit dem "Reparaturgesetz" will Schwarz-Rot auch den von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) gestoppten Gesetzentwurf zur "Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität" verfassungskonform gestalten". Auch dabei geht es um die Herausgabe von Bestandsdaten nebst IP-Adressen und Passwörtern durch Telemedienanbieter. Dass diese dafür auch "sämtliche unternehmensinternen Datenquellen" einschließlich Informationen über Hashprozesse und 2-Faktor-Authentifizierung beauskunften müssten, passt laut Kelber nicht zu anderweitigen Pflichten, Passwörter verschlüsselt und sicher zu speichern. Breyer und Löffelmann verwiesen hier ebenfalls auf weiteren Korrekturbedarf.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Betreiber sozialer Netzwerke sollen mit dem Anti-Hass-Gesetz ferner verpflichtet werden, bei Verdacht auf strafbare Äußerungen Beiträge ans BKA zu melden. Dort rechne man mit rund 250.000 entsprechenden Eingaben pro Jahr, berichtete BKA-Chef Münch. Von diesen dürften die Strafverfolger selbst etwa 150.000 als strafbewehrt einschätzen. Mit den vorgesehenen 150 bis 200 Mitarbeitern dürfte dies zu bewältigen sein: "Wir haben ein Vorgangsbearbeitungssystem, das mit Massenanfragen umgehen kann."

Zeitnah werde die Behörde einen Test mit 60 Ermittlern starten und dafür mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeiten, kündigte Münch an. Meldungen der Netzbetreiber könnten teils bis zu ein Jahr lang in einen "Prüftopf" kommen, wenn sie etwa für die Auswertung krimineller Netzwerkstrukturen interessant seien. Der eco-Verband der Internetwirtschaft gibt derweil etwa zu bedenken, dass das Vorhaben noch bei der EU-Kommission notifiziert werden müsse. Andere Mitgliedsstaaten hätten dann drei Monate Zeit, Stellungnahmen abzugeben. Die Koalition will den Entwurf aber schon am Donnerstag – dem Vernehmen nach ohne große Änderungen – im Bundestagsplenum im Eilverfahren beschließen.

(olb)