Deutschland erlaubt synthetische Kraftstoffe

Deutsche Tankstellen sollen rein synthetische Kraftstoffe verkaufen dürfen. Darauf hat sich die Regierungskoalition geeinigt. Die FDP jubelt.

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Tankstelle mit mehreren Zapfsäulen: in der Mitte hält ein PKW, der einen kleinen Wohnwagen zieht

Das Symbolbild zeigt eine herkömmliche Tankstelle in Prince Rupert, Kanada.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

"Durch eine Zulassung synthetischer Kraftstoffe ("E-Fuels") können wir die Luftqualität auch in den Bestandsflotten verbessern", glaubt die FDP laut ihres Wahlprogramms 2021. Wie der ADAC erwartet die Liberalen-Partei offenbar weitere Entwicklungsschritte bei eFuels in naher Zukunft, sodass sie mit geringeren Emissionen verbrennen als klassische Erdöl-Treibstoffe. Eines von mehreren Problemen: eFuels zu tanken ist derzeit gar nicht erlaubt. Das soll sich jetzt ändern.

"In der Bundesregierung haben wir Freie Demokraten erreicht, dass der Weg für den Einsatz von E-Fuels in Deutschland endlich freigemacht wird", freut sich die Partei jetzt, "Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor können künftig mit synthetischen Kraftstoffen in Reinform betankt und damit klimaneutral betrieben werden. Das war bislang rechtlich nicht möglich." Tatsächlich erlaubt die Bundesimmissionsschutzverordnung derzeit nur Beimischung von etwa einem Viertel. Durch eine mit SPD und Grünen vereinbarte Novelle werden deutsche Tankstellen bis zu 100 % synthetische Kraftstoffe abgeben dürfen.

E-Fuels werden mittels Strom aus Wasser und Kohlenstoff hergestellt und können dann wie "natürlicher" Sprit getankt werden. Sofern für die Herstellung CO₂ aus der Luft entnommen und überschüssiger Ökostrom eingesetzt wird, ist die Klimabilanz tatsächlich neutral. Dann gelangt kein zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre. Verbrennen die eFuels eines Tages sauberer als aus Erdöl gewonnener Treibstoff, wird auch die Luft tatsächlich sauberer.

Die FDP feiert die vereinbarte Novelle als "Durchbruch für klimaneutrale Mobilität und Technologieoffenheit in Deutschland". Hintergrund ist, dass das EU-Parlament eine Senkung der CO₂-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge beschlossen hat. Demnach sollen die Flottengrenzwerte der Hersteller bis 2035 auf null sinken, was de facto ein EU-weites Verbot für Neuwagen mit Benzin- oder Dieselmotor bedeutet.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing und seine FDP möchten erreichen, dass mit eFuels betriebene Neufahrzeuge auch nach 2035 legal sind. Ausreichende Nachfrage nach eFuels könnte die derzeit sauteuren Energieträger erschwinglicher machen, womit sie auch für die Bestandsflotte attraktiv würden – und das, so die Hoffnung der Liberalen, würde die Emissionen insgesamt senken. Außerdem könnte die bestehende Verbrennerflotte länger weiterlaufen, anstatt zeitnah entsorgt und durch energieintensiv neu hergestellte Elektrofahrzeuge ersetzt werden zu müssen. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) hält synthetische Kraftstoffe für unerlässlich, um die Klimaziele zu erreichen.

Aus Sicht der Grünen sind synthetische Kraftstoffe hingegen Stromverschwendung; Elektrofahrzeuge verbrauchen bei der Fahrt weniger Strom. Die Öko-Partei verbucht als Erfolg, dass sich die Regierungskoalition darauf verständigt hat, die Nutzung von Palmöl und fossilen Rohstoffen als "paraffinische Kraftstoffe" nicht zuzulassen. Überdies sollen Verbraucher über die Verträglichkeit der eFuels mit ihren jeweiligen Fahrzeugen informiert werden.

Offen ist, woher leistbarer synthetischer Treibstoff aus überflüssigem Ökostrom in namhafter Menge kommen soll. Selbst wenn sich die FDP bei der europäischen Rechtssetzung durchsetzt, könnten eFuels ein Minderheitenprogramm bleiben. E-Fuel-Befürworter fühlen sich benachteiligt: "Würden eFuels genauso viel Rückenwind durch Förderungen bekommen wie E-Autos, können wir die Energiewende früher schaffen", meint beispielsweise Stephan Schwarzer von der eFuel Alliance Österreich.

(ds)