Digital Services Act nimmt vorletzte Hürden

Der Binnenmarktausschuss des Europaparlaments hat dem DSA zugestimmt. Nun steht der ersten großen Neuregelung seit 20 Jahren wohl kaum noch etwas im Weg.

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Neue Regeln für die Akteure im Europäischen Cyberspache.

(Bild: EU-Kommission)

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Der federführende Binnenmarktausschuss des Europaparlaments hat mit großer Mehrheit den Kompromiss zum Digital Services Act (Digitale-Dienste-Gesetz, DSA) angenommen. Am Mittwoch hatte bereits der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten den unter französischer Ratspräsidentschaft zwischen Rat und Parlament ausgehandelten Kompromiss gebilligt. Damit steht der DSA nun kurz vor der endgültigen Verabschiedung.

Überraschende Änderungen am Text, die in den vergangenen Wochen noch einmal angestrebt wurden, wiesen die Parlamentarier zurück. Das Parlament konnte sich in vielen Bereichen mit seinen Positionen durchsetzen, wie das finale Text des DSA (PDF) zeigt. Die Verhandlungsführerin des Europäischen Parlaments, die dänische Sozialdemokratin Christel Schaldemose, zeigte sich im Binnenmarktausschuss zufrieden: "Der DSA wird nicht nur das Internet in der EU beeinflussen, sondern den Standard für die gesamte Welt setzen."

Formal müssen sowohl der Rat als auch das Plenum des Europaparlaments den Kompromiss noch absegnen, daran besteht kaum ein Zweifel. Nach der Verkündung im Amtsblatt der Europäischen Union würde der DSA dann Anfang 2024 voll wirksam.

Mit dem DSA verändern sich 20 Jahre nach Einführung der E-Commerce-Richtlinie wesentliche Grundregeln für Anbieter in der EU. Neu geregelt werden die Pflichten für Anbieter von Plattformen, Marktplätzen und Hostern in der EU. So müssen etwa Anbieter jeder Art von Vermittlungsdiensten, die in der EU tätig sind, einen Bevollmächtigten in der EU benennen, wenn sie dort keine eigene Niederlassung haben. Damit soll sichergestellt werden, dass Anbieter nicht einerseits in der EU Geschäfte machen können, andererseits sich jedoch der Regulierung entziehen.

Für viele Nutzer wird sich vor allem eine Änderung merklich auswirken: Mit dem DSA kommen auch neue Pflichten für Anbieter im Umgang mit Nutzerinhalten wie Kommentaren und Bildern. Auch künftig soll grundsätzlich das Prinzip gelten, dass Anbieter nicht aktiv auf die Suche gehen müssen, sondern so lange von Haftung freigestellt sind, bis sie Kenntnis von illegalen Inhalten erlangen. Ab einer Benachrichtigung greifen dann die im DSA vorgesehenen Mechanismen, wie mit diesen Meldungen umgegangen werden muss.

Durch den Vorrang des Europarechts vor Bundesrecht wird damit das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) obsolet. Anders als das NetzDG sieht der DSA keine bestimmten Strafnormen vor, sondern meint grundsätzlich alle nach nationalem Recht illegalen Inhalte. Zugleich regelt der DSA auch die Moderationspraxis von Anbietern verbindlich neu, wenn diese nicht aufgrund von Strafnormen, sondern nach deren AGB vorgenommen wird. Dadurch sollen die Rechte der Nutzer gegenüber den Anbietern gestärkt werden.

Eine weitere Vorschrift ist ebenfalls unmittelbar nutzerrelevant: Bei Empfehlungssystemen werden besonders große Anbieter künftig dazu verpflichtet, eine Option für Empfehlungen anzubieten, die nicht auf Profilbildung basiert.

Neue Vorschriften für die Anbieter auf Online-Marktplätzen sollen die Bekämpfung von Betrug und Produktfälschungen künftig erleichtern. Sie müssen künftig auskundschaften, ob Anbieter ihren Informationspflichten nachkommen. Zudem sollen sie stichprobenhaft prüfen, ob Anbieter illegale Inhalte anbieten – also etwa Produktfälschungen. Hierzu sollen sie auf offizielle Datenbanken zurückgreifen können, die Informationen über derartige Angebote frei zugänglich und maschinenlesbar zur Verfügung stellen.

Durchgesetzt haben sich in den Verhandlungen die Europaparlamentarier bei der vieldiskutierten Praxis der sogenannten Dark Patterns: Die finale DSA-Version sieht unter anderem vor, dass irreführende Designs wie etwa bei Cookie-Bannern oder im Kaufprozess ausdrücklich unzulässig sind. Auch die Beendigung eines Vertragsverhältnisses zum Anbieter darf dem Text zufolge künftig nicht unnötig erschwert werden: Sie muss genauso einfach gestaltet sein wie der Beginn der Vertragsbeziehung.

Um den DSA auch durchsetzen zu können, sollen für kleinere Betreiber Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten zuständig sein, die noch benannt werden müssen. Hier sehen sich die Bundesnetzagentur und die Landesmedienanstalten als grundsätzlich geeignet an. Sollte jedoch eine Behörde in einem EU-Mitgliedstaat untätig bleiben, können die Behörden aus anderen Mitgliedstaaten Aktivität einfordern.

"Ganz zentral ist die Neuerung, dass die Kommission und nicht primär die Mitgliedstaaten überwacht, wie die 'sehr großen Onlineplattformen' die DSA-Regeln einhalten", sagt Julian Jaursch vom Berliner Think Tank Stiftung Neue Verantwortung. "Das alles klingt danach, als hätten die EU-Institutionen Lehren aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gezogen."

Bei der DSGVO hängt die Durchsetzung oft davon ab, ob die Aufsichtsbehörden einzelner Mitgliedstaaten diese auch durchzusetzen bereit sind. Insbesondere Frankreich hatte während der Verhandlungen darauf gedrängt, dass sich dieses Problem mit dem DSA nicht wiederholt und vorgeschlagen, dass die Kommission für die besonders großen Anbieter unmittelbar zuständig wird.

Um die Überwachung ihrer Tätigkeiten tatsächlich gewährleisten zu können, sollen die kontrollierenden Unternehmen für die dadurch entstehenden Kosten selbst aufkommen. Bis zu 0,05 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens darf die Kommission künftig in Rechnung stellen, wenn die Aufsicht entsprechend aufwändig wird. Diesem Vorschlag der EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager stimmten der Rat und das EU-Parlament zu.

Mit dem DSA steht nach dem vor allem Wettbewerbsaspekt regulierenden Digital Markets Act (DMA) das zweite vielbeachtete Digital-Regelwerk der EU-Kommission kurz vor dem Abschluss. Bereits abgeschlossen ist der Data Governance Act, die Beratungen zum Data Act haben gerade erst begonnen. Mitten in den Beratungen befindet sich noch die Verordnung über Künstliche Intelligenz (AI Act), bei der sowohl Rat als auch Parlament derzeit noch ihre Standpunkte suchen. Weiterhin unklar ist die Zukunft der seit einem halben Jahrzehnt überfälligen E-Privacy-Verordnung.

(anw)