Digital Services Act: Kritik an massenhaftem Transfer von Nutzerdaten ans BKA

BĂĽrgerrechtler laufen gegen die mit der DSA-Umsetzung geplante "Datenflut" fĂĽrs BKA Sturm. Es drohten "massive Freiheitseingriffe" auch zulasten Unbescholtener.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Digitale Dienste: Abstrakte Darstellung

(Bild: metamorworks / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Die mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verknĂĽpfte und seit Jahren umstrittene nationale Meldepflicht fĂĽr strafrechtlich relevante Inhalte an das Bundeskriminalamt (BKA) scheiterte zwar, nachdem sich Google, Meta, TikTok und Twitter dagegen erfolgreich vor Gericht wehrten. Mit dem Digital Services Act (DSA) droht nun aber prinzipiell eine EU-weite Neuauflage. Nach Artikel 18 DSA (auf Deutsch: Digitale-Dienste-Gesetz) mĂĽssen Plattformen bei dem Verdacht auf Straftaten, die eine Gefahr fĂĽr das Leben oder die Sicherheit von Personen darstellen, bestimmte Nutzerdaten ĂĽbermitteln.

Die Bundesregierung hat in ihrem Entwurf für die nationale Rechtsanpassung an die EU-Vorgaben mit dem Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) erneut das BKA als zuständige Behörde zum Sammeln und Auswerten der Meldungen benannt. Dies stößt Bürgerrechtlern übel auf. Der DSA versäume es, klar zu definieren, welche Straftaten von Artikel 18 umfasst sein sollen, moniert die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in einer Stellungnahme zum DDG. In der Begründung werde lediglich exemplarisch auf drei Richtlinien verwiesen.

"Durch die mangelnde Definition und fehlende Klarheit für Diensteanbieter, in welchen Szenarien Daten ausgeleitet werden sollen", drohe die massenhafte und proaktive Übermittlung von Nutzerinformationen, schlägt die GFF Alarm. Damit verbunden wären "massive Freiheitseingriffe" auch zulasten potenziell unbescholtener User sowie eine "neue Qualität an Überwachung". Erschwerend komme hinzu, dass Artikel 18 DSA im Unterschied zum NetzDG nicht nur für soziale Netzwerke gelte, "sondern für alle Anbieter von Hostingdiensten" mit einem deutlich weiteren Nutzerkreis.

Politiker und das BKA rechneten schon aufgrund der im NetzDG verankerten Pflicht mit rund 250.000 Eingaben jährlich, aus denen sich 150.000 neue Strafverfahren ergeben könnten. Die Polizeibehörde richtete dafür extra eine Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) mit zunächst rund 200 Beamten ein, um die erwartete große Menge an Hinweisen bewältigen zu können.

Nach einem halben Jahr waren aufgrund der juristischen Auseinandersetzungen mit den Plattformbetreibern im August 2022 aber erst rund 1950 einschlägige Meldungen eingegangen und bearbeitet worden. Sie kamen vor allem von regionalen Schwerpunktstaatsanwaltschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen. Anschaulich zeigt sich das Ausmaß der nun zu erwartenden Ausleitungen laut der GFF darin, dass das BKA den eigenen Mehrbedarf laut der DDG-Begründung angesichts der zu erwartenden Datenmassen nun mit 404 Stellen angibt.

Hintergrund sei, dass es nicht mehr allein um repressive Strafverfolgung, sondern – wesentlich weitreichender – auch um die rein präventive Gefahrenabwehr gehe. Immerhin verzichte die Regierung insofern auf eine Bußgeldbewehrung beim Verstoß gegen die Übermittlungspflicht. Unternehmen hätten bei unterlassener Weiterleitung so zumindest keine finanziellen Sanktionen zu befürchten. Trotzdem müsse der nationale Gesetzgeber den Straftatenkatalog dringend einschränken.

Pia Sombetzki von der zivilgesellschaftlichen Organisation AlgorithmWatch mahnte gegenüber Netzpolitik.org an: "Eine Datenflut an das Bundeskriminalamt sollte vermieden werden." Laut dem Portal spricht das BKA selbst von geschätzten "720.000 übermittelten Vorgängen pro Jahr", also mehr als einer Meldung pro Minute. Eine Pflicht, etwa strafbare Hassrede oder Volksverhetzung zu melden, ergibt sich aus der einschlägigen DSA-Klausel aber nur, "insoweit sie eine Gefahr für das Leben oder die Sicherheit" von Menschen darstellen. Beim BKA kamen so bis Anfang Oktober noch keine einschlägigen Hinweise der zunächst vom DSA erfassten sehr großen Online-Plattformen an. Für alle anderen Anbieter greift die EU-Verordnung ab 17. Februar. Bürgerrechtler und Digitalverbände beklagten bereits bei der Debatte über die NetzDG-Meldepflicht, dass damit eine umfassende Verdachtsdatenbank in Form eines polizeilichen Zentralregisters beim BKA entstünde und rechtsstaatliche Dämme brächen.

(mack)