Elektroauto: Faraday Future braucht frisches Geld - FF 91 erneut verschoben

2,4 Milliarden Dollar hat Faraday Future in die Entwicklung eines Luxusautos investiert. Den muss Faraday Future erneut verschieben – wegen Geldmangels.

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Das Innere eines PKW mit vielen Flachbildschirmen

Nicht weniger als elf Bildschirme sollen im Innern eines Faraday Future F91 hängen – falls er je gebaut wird.

(Bild: Faraday Future Intelligent Electric)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Faraday Future Intelligent Electric (FF) verschiebt den Beginn der Fahrzeugproduktion erneut. Grund ist Geldmangel. Das Management versucht derzeit, mehr als 200 Millionen US-Dollar aufzustellen, um doch noch dieses Jahr die ersten elektrischen Nobelkarossen des Modells Faraday Future FF91 Futurist ausliefern zu können. Sie sollen rund 2,9 Tonnen schwer werden, mehr als 1.000 PS leisten können, nicht weniger als elf Bildschirme haben und um die 180.000 US-Dollar/Euro netto kosten. Bei FF rumort es, der Aktienkurs rast auf und ab.

Seit einem Jahr notiert das 2014 gegründete Elektroauto-Unternehmen Faraday Future an der New Yorker Börse NASDAQ. Das gelang nicht durch einen klassischen Börsengang (IPO), sondern durch eine sogenannte SPAC (Special Purpose Acquisition Company). Eine SPAC wird nur dazu gegründet, Geld von Investoren einzusammeln, ohne eigentliche Geschäftstätigkeit an der Börse zu notieren, und dann mit einer noch nicht börsennotierten Firma zu verschmelzen. Für diese Firma ist das eine günstige Abkürzung auf dem Weg an die Börse.

Bei Faraday Future spülte das eine Milliarde Dollar in die Kasse. Kurz darauf wurde der ehemalige Gouverneur Nevadas, Brian Krolicki, Vorsitzender des Verwaltungsrates. Für das Gremium war er ursprünglich vom größten FF-Aktionär, der FF Top Holding, nominiert worden. Sie kontrolliert knapp 39 Prozent der Stimmrechte.

Allerdings musste Krolicki schon im Februar den Vorsitz zurücklegen. Er hatte unverbindliche Vorbestellungen für FF-Elektroautos als verbindliche Aufträge dargestellt. Weil dies Anleger in die Irre geführt haben kann, führte die falsche Darstellung zu einer Untersuchung der US-Börsenaufsicht SEC (Security Exchange Commission) sowie einer Untersuchung durch die US-Bundesstaatsanwaltschaft, die beide noch laufen. Zudem prüft die US-Finanz die Steuererklärungen für 2017 und 2018.

Krolicki legte zwar den Vorsitz zurück, behält aber bis heute seinen Sitz im Verwaltungsrat – sehr zum Unbill der FF Top Holding. Sie hat Krolicki das Vertrauen entzogen und möchte ihn durch die chinesische Wirtschaftsanwältin Han Li ersetzen. Doch ist der Verwaltungsrat diesem Wunsch bislang nicht nachgekommen, und hat auch keine Aktionärsversammlung einberufen. Bei der würde Krolicki wohl abgewählt. Der Großaktionär FF Top Holding wirft dem Verwaltungsrat vor, gegen die Vorschriften zu verstoßen.

Dieses Jahr hat Faraday Future sogar verabsäumt, den Jahresabschluss 2021 rechtzeitig zu erstellen. Anfang April drohte die SEC daher mit dem Delisting von der Börse. Das konnte Faraday Future noch abwenden – inzwischen seien alle erforderlichen SEC-Eingaben erfolgt, betont das Management in Präsentationsunterlagen, die es am Montag veröffentlicht hat. Diese Präsentation soll Investoren von einer rosigen Zukunft der Firma überzeugen und zum Öffnen ihrer Geldschatullen bewegen.

Im ersten Quartal des laufenden Jahres hat Faraday Future 153 Millionen US-Dollar Nettoverlust gemacht, der negative Cashflow war noch einmal 100 Millionen Dollar höher. Einnahmen gab es keine. Obwohl die Firma beim Börsengang im Juli 2021 eine Milliarde Dollar eingenommen hat, beliefen sich die Geldreserven zum Stichtag 31. März 2022 auf nur noch 277 Millionen Dollar. Angesichts unzuverlässiger Lieferketten und deutlich gestiegener Einkaufspreise ist das zu wenig, um die kalifornische Fabrik fertigzustellen und die Herstellung der noblen Elektroautos anzugehen.

Unter solchen Umständen ist es schwierig, frisches Geld zu lukrieren. Mitte Juli hat FF Top Holdings einen neuen Anlauf gestartet, Krolicki durch Li zu ersetzen. Diesmal winkt der Großaktionär mit einer Karotte: Eine Gruppe nicht genannter Investoren wäre vielleicht bereit, eine neue Wandelanleihe über 100 Millionen Dollar, oder womöglich noch mehr, zu zeichnen, wenn sich Krolicki bloß verabschiedet. Jedoch ist das Finanzierungsangebot ausdrücklich unverbindlich, und FF Top Holdings würde nicht mit einzahlen.

Kein Wunder, dass der Verwaltungsrat dieses "Angebot" nicht angenommen hat. Das Geld wird anderswo herkommen müssen. Ebenfalls kein Wunder ist, dass es umfangreiche Wetten auf fallende Aktienkurse gibt. Über ein Viertel der Aktien in Streubesitz ist bereits leerverkauft.

Das wiederum führte zu einer – fundamental widersinnigen – Kursrally in der ersten Julihälfte. Von 27. Juni bis 14. Juli stieg der Aktienkurs auf mehr als das Dreifache, ohne dass es seitens der Firma positive Nachrichten gegeben hätte. Grund waren offenbar Anleger, die auf einen sogenannten short squeeze spekulierten: Ist ein Wertpapier in erheblichen Teilen des Streubesitzes leerverkauft und ihr Aktienkurs steigt, können sich die Leerverkäufer dazu genötigt fühlen, ihre (potenziellen) Verluste durch den Kauf des Wertpapiers zu begrenzen, bevor sie noch schlimmer werden.

Weil in dem Szenario aber schon ein erheblicher Teil des Wertpapiers leerverkauft ist, gibt es relativ wenige Verkäufer, womit Aktien plötzlich stark nach oben schießen können, obwohl es dem Unternehmen nicht gut geht. Lehrbuchbeispiel ist die Volkswagen AG, die aufgrund eines short squeezes 2008 kurzfristig das wertvollste börsennotierte Unternehmen der Welt war.

Nun kann man das noch eine Stufe weiterdrehen: Anleger, die auf einen short squeeze spekulieren, kaufen die Aktie, was den Kurs kurzfristig steigen lässt. Das kann, muss aber nicht, zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Bei Faraday Future hat es offenbar nicht geklappt, den short squeeze zu provozieren. Immer noch ist mehr als ein Viertel des Streubesitzes leerverkauft. Die Ankündigung der Firma, noch im vierten oder gar dritten Quartal 2022 Elektroautos auszuliefern, scheint von besonderem Zweckoptimismus getrieben.

(ds)