Elektronische Gesundheitskarte: Karte ist rechtlich gut abgesichert, aber ...
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar meint, dass es wichtig sei, die Patientenrechte zu stärken und genau zu definieren, wer Zugang zu den medizinischen Daten haben soll.
In einem morgen erscheinenden Interview mit der Fachzeitschrift Deutsches Ärzteblatt erklärt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, dass die kommende Gesundheitskarte rechtlich sehr gut abgesichert sei. Nun gebe es vorrangig technischen Klärungsbedarf: "Das ist nicht nur eine Karte -- das ist ja viel, viel mehr: ein Infrastrukturprojekt erster Güte, das die Karte als ein dezentrales Medium beinhaltet, darüber hinaus aber die Lesegeräte, die Netze, die Abrechnungsprogramme und so weiter", meinte Schaar gegenüber dem Ärzteblatt. Er betonte, dass es wichtig sei, die Patientenrechte zu stärken und genau zu definieren, wer Zugang zu den medizinischen Daten haben soll. Skeptisch äußerte sich Schaar zur Vorstellung der Gesundheitsexperten, dass die elektronische Gesundheitskarte Einsparungen durch Vermeidungen von Doppeluntersuchungen bringen werde. Vielmehr sei es so, dass sich die Ärzte nicht auf Daten verlassen würden, die sie nicht selbst unter definierten, kontrollierten Bedingungen erhoben hätten.
Im Zusammenhang mit der Organisation der Arztpraxen machte Schaar auf den erhöhten Aufwand für den Datenschutz aufmerksam, der mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte fällig werde: "Immer dann, wenn mindestens fünf Arbeitnehmer ständig auf automatisiert gespeicherte personenbezogene Daten zugreifen -- und das ist bei jeder mittleren Arztpraxis schon der Fall --, besteht die Verpflichtung, einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu benennen." Wenn Ärzte dieser Verpflichtung nicht nachkommen, sei zu klären, wie Verbände und Kammern mit regionalen Datenschutzbeauftragten eine Dienstleistung für die niedergelassenen Ärzte übernehmen können. Als weiteren Schwachpunkt bei der Einführung der Karten-Telematik sieht Schaar die häufig praktizierte Fernwartung der Praxissoftware. "Das ist ein Riesenproblem. Kann das Fernwartungsunternehmen auf die Patientendaten zugreifen, und wenn, wird das überhaupt bemerkt? Was bedeutet das, wenn die Daten nicht nur gelesen, sondern verändert werden? Schon das Lesen ist in diesem Fall hochgradig problematisch."
Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland gilt als eines der größten IT-Projekte der Welt. Im Vorfeld der CeBIT veranstaltet die Deutsche Messe AG in Zusammenarbeit mit dem IT-Branchenverband Bitkom ein Symposium, das die Bedeutung der Karte für DV-Unternehmen und IT-Dienstleister zum Thema hat.
Zur elektronischen Gesundheitskarte und der Reform des Gesundheitswesens siehe auch:
- Karten-Betriebsgesellschaft gegründet
- Nicht vom Arzt zu eBay
- Elektronische Gesundheitskarte testweise in Rheinland-Pfalz gestartet
- Medica: Die Elektronische Gesundheitskarte ist noch ein Placebo
- Die Karte kommt -- nicht unbedingt pünktlich
- Selbstverwaltung will Alleinverwaltung sein
- Bitkom: Keine Kostenexplosion bei der elektronischen Gesundheitskarte
- Elektronische Gesundheitskarte wird zum Forschungsprojekt
- Elektronische Gesundheitskarte: Patt oder matt?
- Bitkom: Elektronische Gesundheitskarte hat Signalwirkung
- Im Namen der Daten, Artikel zur Unterschriftenaktion von Ärzten gegen die elektronische Gesundheitskarte in Telepolis
- Zweigleisige Probephase für die elektronische Gesundheitskarte
- Im Auge des Sturms
- Weitere Vorschläge zur Finanzierung der elektronischen Gesundheitskarte
- Risikopatient, Die Gesundheitskarte, ein gigantisches IT-Projekt -- wird es zur "Maut II"?, c't 15/04, S. 94
- Patientendaten sicherer beim Arzt?
- Transparente Gesundheitsdaten für alle
- Erstes Lösungskonzept vorgestellt
- Kampf dem Chipkartenbetrug
- EDV-Experten warnen vor IT-Desaster im Gesundheitswesen
- Gesunder Datenschutz bei der Gesundheitskarte fraglich
- Elektronische Gesundheitskarte soll eine Milliarde einsparen
(Detlef Borchers) / (jk)