Faesers Fahndungsplan: Kritik an "Totalüberwachung des öffentlichen Raums"​

Die Initiative von Bundesinnenministerin Faeser, Ermittlern biometrische Gesichtserkennung mit Fotos aus dem Internet zu erlauben, kommt nicht überall gut an.​

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser

(Bild: Juergen Nowak/Shutterstock.com)

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will dem Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundespolizei auf der Suche nach mutmaßlichen Terroristen und Schwerverbrechern einen "biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet" ermöglichen. Der SPD-nahe digitalpolitische Verein D64 schlägt Alarm wegen des Vorhabens: "Das Bundesinnenministerium plant den Einsatz von biometrischer Gesichtserkennung im gesamten öffentlichen Internet", moniert der D64-Co-Vorsitzende Erik Tuchtfeld. "Faktisch führt das zur Totalüberwachung des öffentlichen Raums."

Jedes auf Social Media veröffentlichte Urlaubsfoto werde künftig auf Zufallstreffer im Hintergrund ausgewertet, befürchtet Tuchtfeld. Handys der Bürger könnten dann "also immer auch als Überwachungskameras des Staates verwendet" werden. Dieses Ausmaß an Überwachung sei mit einer liberalen Gesellschaft unvereinbar.

Der innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmte Referentenentwurf aus dem Innenressort überrascht, denn er widerspricht klar dem Koalitionsvertrag des Ampel-Bündnisses: Darin heißt es: "Flächendeckende Videoüberwachung und den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab." Die neue EU-Verordnung für Künstliche Intelligenz (KI) öffnet zwar breite Türen für die Anwendung automatisierter Gesichtserkennung durch die Polizei. Die Ampel war sich im Februar aber einig, nicht auf diesen Kurs einschwenken zu wollen.

Der Vize der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, betonte so am Wochenende gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, der Faeser-Plan werfe "verfassungsrechtlich tiefgreifende Fragen" auf. Zugleich erinnerte er an die Koalitionsvereinbarung. Der FDP-Digitalexperte Maximilian Funke-Kaiser monierte einen Alleingang der Innenministerin, bei dem unklar bleibe, wie er mit dem Vertrag der Ampel vereinbar sein sollte.

Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich und Tobias Bacherle wiederholten erst vor wenigen Tagen den Ruf nach einem sofortigen Moratorium für biometrische Massenüberwachung: "KI-Systeme der Gesichtserkennung bergen Risiken und bieten nicht mehr Sicherheit", warnten sie in der Frankfurter Rundschau. "Das Streben nach absoluter Sicherheit schlägt schnell in Orwellsche Verhältnisse um, wenn im öffentlichen Raum, auf Bahnhöfen, bei Demonstrationen und Volksfesten flächendeckend Systeme im Hintergrund automatisiert" werden.

Dirk Peglow, Vorsitzender des Bunds deutscher Kriminalbeamter (BDK), stellte sich dagegen voll hinter den Vorschlag von Faeser. Es könne nicht sein, bezog er sich auf den jüngsten RAF-Fahndungsfall, "dass die Polizeibehörden bei der Ermittlung von unbekannten Tatverdächtigen das Internet aussparen müssen, während investigative Recherchenetzwerke es nutzen können." 2020 forderten andere Polizeigewerkschaften indes ein Verbot insbesondere der Gesichtssuchmaschine PimEyes.

(dahe)